01.10.2003
Die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e. V. begrüßt das Engagement
der Sachsenbau Chemnitz in diesem Gebiet, weil dadurch eine wichtige städtebauliche
Brache hinter dem Kulturpalast geschlossen wird und sich damit die einmalige
Chance ergibt, dass weitere Investoren in absehbarer Zeit in das Gebiet
zwischen Schlossstrasse und Neumarkt folgen. Wenn dem Stadtrat und der
Stadtverwaltung an der Belebung des Neumarktes gelegen ist, sollten sie
dieses Projekt nach ihren Möglichkeiten unterstützen. Keine Frage ist,
dass es an den Grundrissstrukturen und den Fassadenabwicklungen noch Änderungen
geben muss.
Der Kulturpalast kann kein Solitär bleiben. Das hat der Stadtrat
auch mit seinem städtebaulichen Beschluss zur langfristigen Verengung
der Wilsdruffer Straße von 1994 so anerkannt. Die derzeitige Nutzung des
Kulturpalastes als Multifunktionssaal scheidet bei einem bebauten Neumarkt
wegen der damit verbundenen Logistikprobleme aus. Langfristig wird die
jetzt noch als Parkplatz ausgewiesene Fläche hinter dem Kulturpalast bebaut
werden, so dass die für übliche Großveranstaltungen mitgeführten Technik
- Tracks nicht mehr von hinten an den Kulturpalast anfahren können. Deshalb
wurde schon frühzeitig über eine Nutzung des neuen Kongresszentrums, der
Messe oder der geplanten "Rau-Halle" im Ostragehege als Ausweichstandort
für Großveranstaltungen nachgedacht und ein Umbau des Kulturpalastes zum
Musiksaal favorisiert.
Die Stadt hat unseres Erachtens nun drei Hausaufgaben zu erledigen:
1. Klärung der Frage, wo die 1/3 Veranstaltungen (wie z. B. Rockkonzerte)
untergebracht werden sollen, die nach dem Umbau nicht mehr im Konzert-/Musiksaal
stattfinden können.
2. Trotz der angespannten Haushaltssituation den Versuch zu unternehmen
das notwendige Geld für den Umbau (15 Mio. Euro auf 3 Jahre verteilt,
das sind 10 % der Gesamtbausumme des Investors) aufzubringen, um die Entwicklung
des Neumarktes zu befördern.
3. Bestimmung des Ortes für eine Ausweichspielstätte für die Zeit des
Umbaus.
Wenn man gestern Abend die Diskussion zur öffentlichen Anhörung und Vorstellung
des Projektes verfolgte, konnte man zeitweilig auf Grund der Redebeiträge
den Eindruck gewinnen, dass die Stadtratsbeschlüsse seit 1994 überhaupt
nicht zur Kenntnis genommen wurden. An die Kritiker dieses Projektes gerichtet:
Wo sind Ihre Einsprüche und Ihre Alternativvorschläge zur umfassenden
Lösung der städtebaulichen, logistischen und architektonischen Probleme
zum Kulturpalast, die für die Stadt auch finanziell umsetzbar sind, seit
1994 geblieben. Der Öffentlichkeit ist bisher nur ein Vorschlag von Prof.
Hänsch bekannt, der aber nur die architektonische Aufwertung des Kulturpalastes
zur Altmarktseite beinhaltet und die Logistikprobleme und die Finanzsituation
der Stadt unberücksichtigt lässt.
Die Stadt kann sich nun entscheiden: Will sie dieses Projekt befördern
oder will sie den Kulturpalast in seinem jetzigen Zustand und auf lange
Sicht eine städtebauliche Brache zwischen Schloss und Neumarkt.
Torsten Kulke
Vorstand der Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e. V.
DNN
vom 01.10.2003
Kulturkampf um den Kulturpalast
"Bravo" rufen zwei ältere Herren lautstark und klatschen, dass es schon
beim Zuhören weh tut. Gestern Abend im Plenarsaal des Rathauses. Der Saal
ist nahezu voll. In einer vorgezogenen Bürgerbeteiligung werden die Pläne
zu Umbau und Umbauung des Kulturpalastes vorgestellt. Aber das "Bravo"
gilt nicht dem Projekt, sondern einem jungen Mann, der den Erhalt des
Kulturpalastes fordert. "Das Problem des Kulturpalastes ist nicht seine
Architektur, sondern sein Zustand", sagt er. Wieder Beifall, starker zumal.
Es war wieder eine
jener von potenziellen Investoren bisweilen gefürchteten, von Herzblut-Dresdnern
oft geliebten Veranstaltungen. Viel Interesse seitens der Bürger - und
viel Kritik und immer ein bisschen Kulturkampf. "Der Bau ist eine Verstümmelung
des Kulturpalastes", sagt eine Frau. Und ein Mann nennt das Projekt "eine
weitere Scheußlichkeit in der Stadt". Nein, leicht hatte es der von der
Sachsenbau Chemnitz mit dem Projekt beauftragte Architekt Hans Kollhoff
nicht. Er erläuterte detailliert die Pläne. Auch die Änderungen, dass
der Umbau zur Wilsdruffer Straße hin tiefer wird und in der Mitte ein
gläsernes Philharmonie-Foyer im dritten Stock über Arkaden nach vorn gezogen
werden soll. Einigen der Besucher war das zu wenig Transparenz. "Warum
muss man den Kulturpalast verstecken?" fragte einer. Zweifel wurden auch
geäußert, was die Größe des Projekts betrifft. Der Kulturpalast soll auf
drei Seiten dreistöckig umbaut werden von einer großen Passage mit einem
Hotel, Einzelhandel, Restaurants und Wohnungen. "Das wird doch eine Baustelle
für 20 Jahre", befürchtet SPD-Stadtrat Rüdiger Liebold. "Wir brauchen
nur drei bis vier Jahre", hält Sachsenbau-Chef Dieter Füsslein entgegen.
Höhnisches Gelächter im Saal. Immer wieder auch die Frage nach der Finanzierung,
"Wir brauchen keinen zweiten Wiener Platz", wird geäußert. Füsslein informiert,
dass eine Bankbürgschaft für das Vorhaben vorliege. Der Pro-Bau-Flügel
ist auch vertreten an diesem Abend, aber weniger stark als die Kontra-Fraktion.
Vor dem Saal tragen
sich mehrere Dutzend Besucher in die Adressliste der neu gegründeten Initiative
für den Erhalt des Hauses ein. Im Saal sagt Füßlein gegenüber DNN: "Ich
bin überzeugt, dass wir das Projekt umsetzen. Denn gegen gute Vorschläge
ist kein Kraut gewachsen."
Dresden Kulturpalast 1966-69, L. Wiel; Wolfgang Hänsch; Herbert Löschau,
u. Kollektiv. H. Zimmermann (Innengestaltung). Mobilar: Deutsche Werkstätten
Hellerau. Großer Saal vom Rang
Großer Saal als Tanzsaal (Ausstattung Hellerauer Werkstätten)
1970
Sächsische Zeitung, 2. Oktober 2003
Der Weg der roten Fahne“ als Mittelpunkt einer Videoprojektion
Von Bettina Schneider
Kunst im öffentlichen Raum ist oft ein Streitthema, erst recht, wenn
es wie der „Weg der roten Fahne“ mitten im Stadtzentrum plaziert
ist. Seit Jahren hinter einem grünen Netz verborgen, soll es ab morgen
in Form einer Projek-tion in den Vordergrund treten.
Ein Zeitfenster wolle er öffnen, sagt Thilo Fröbel. Ein Fenster im öffentlichen
Raum, das zum Nachdenken anrege. Der 35-jährige Fotograf und Videokünstler
hat nach der im vergangenen Jahr auf der Prager Straße aufgestellten Spiegelinstallation
ein neues Projekt.
Ab Freitag führt er allabendlich eine Videoprojektion am Kulturpalast
auf. Dabei soll das Wandbild „Der Weg der roten Fahne“ als
Hintergrund für die Projektion einen Bezug zu einer vergangenen Zeit schaffen.
„Das Projekt ,hard work’ hinterfragt unsere Vorstellung von
Arbeit, die nach wie vor mit dem Begriff der Erwerbsarbeit gleichgesetzt
wird“, sagt Fröbel. Dabei möchte er alles Ideologische bei Seite
legen und eine Geschichte erzählen. Im Video I die fiktive einer Familie,
im Video II die Historie klassischer Erwerbsarbeit und deren technischen
Wandel. Dass er dabei gerade den „Weg der roten Fahne als Hintergrund
für seine Projektion nimmt, hat seinen Grund. „Seit 1990 ist das
Bild verhüllt“, sagt Thilo Fröbel. „Ich hoffe auf ein erneutes
Gespräch, auch weil Bilder wie dieses nicht einfach aus dem Stadtbild
verschwinden sollen. Wäre es unverhüllt, hätte ich viel zu viel Ehrfurcht
und würde es nicht benutzen.“
Investor steht es frei, Bild zu integrieren
Eine Diskussion, die mit dem geplanten Umbau des Kulturpalastes erneut
in den Vordergrund treten könnte. „Das Bild steht unter Denkmalschutz“,
versichert Karl Schuricht, Leiter des Presseamtes der Stadtverwaltung.
Sollte es zu einem Umbau kommen, müsse es jedoch nicht um jeden Preis
erhalten werden. „Kultur-, Denkmalschutz- und Stadtplanungsamt müssten
dann prüfen, ob es unbeschadet abgenommen und eingelagert werden kann“,
sagt Schuricht. Der Investor bräuchte sich aber auf keinen Fall damit
belasten. Ob dieser das gesamte Kunstwerk oder Teile davon in sein Bauvorhaben
integrieren oder ob er ganz darauf verzichten möchte, ist ihm freigestellt.
„Wir werden es ihm aber auf jeden Fall anbieten.“ Das Abnehmen
könnte sich indes schwierig gestalten. Die Platten in unterschiedlichen
Größen haben ein Gewicht zwischen 50 und 150 Kilogramm. Außerdem wurde
der Splitt damals mit jeweils 60 000 Volt auf die Platten aufgetragen.
Ein seltenes Verfahren. „Wir wissen nicht, ob sich die Tafeln überhaupt
abnehmen lassen. Erfahrungen gibt es bisher keine“, so Karl Schuricht.
Und der Schöpfer des Werkes, Prof. Gerhard Bondzin? „Ich möchte
natürlich, dass meine Arbeit, wie die vieler anderer auch, nicht zerstört
wird“, sagt er. „Ich weiß nicht, wer hier das Urteil fällt.
Man sollte Kunst endlich als das sehen, was es ist: ein Zeitdokument.“
Für eine Woche jedenfalls kann man in dieses Zeitfenster sehen.
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