Sächsische
Zeitung
02.10.2007
Stadt
will Baugrube am Neumarkt zuschütten
Von Thilo Alexe
Politiker wittern einen Schildbürgerstreich: Um Ausgrabungen zu
schützen, soll das Gewandhausareal mit Erde aufgefüllt werden.
Die Stadt plant die Schließung der Gewandhaus-Baugrube am Neumarkt.
„Wir reagieren auf eine Bitte des Landesamtes für Archäologie“, sagte
Baubürgermeister Herbert Feßenmayr (CDU). Um die Ausgrabungen nicht
länger der Witterung auszusetzen, sollen die Mauerreste mit Erde bedeckt
werden. Die Höhe der Kosten für die Verfüllung ist Feßenmayr zufolge
noch unklar.
Umstrittenes Projekt
Die FDP-Fraktion bezweifelt die Angaben und kritisiert den Plan vehement.
„Das wird ein Schildbürgerstreich“, warnte Vorsitzender Jan Mücke.
„Die Stadt will die Grube nur zuschütten, damit die Gewandhausattrappe
aufgebaut werden kann.“ Mit einem 165000 Euro teuren Gerüst soll ab
November die Fassade des modernen Siegerentwurfs eines Architektenwettbewerbs
nachgebildet werden. Mücke lehnt die Bebauung des Areals an der Frauenkirche
ab.
Die Stadt weist die Vorwürfe zurück. „Das Gerüst könnte auch aufgestellt
werden, wenn die Grube offen bleibt“, sagte Feßenmayr. Bei den zu
schützenden Ausgrabungen handelt es sich nach Angaben des Landesamtes
für Archäologie um Mauerreste des alten Gewandhauses, das 1791 abgerissen
worden war. „Das sind Renaissance-Mauern“, sagte Amts-Sprecher Christoph
Heiermann. Die Gefahr, dass sie abrutschen, werde durch Erdaufschüttung
verhindert. Heiermann betonte aber auch, dass die Verfüllung den Gerüstbau
leichter mache: „Dann ist es einfacher.“ Immerhin müsse die begehbare
Attrappe nicht über einer offenen und an manchen Stellen auch tiefen
Grube errichtet werden.
Mauerreste im Weinkeller
Architektin Jelena Bozic nannte einen weiteren Grund für das Zuschütten
der Grube. „Andernfalls müssten wir für das Gerüst Eingriffe an der
historischen Stadtmauer machen.“ Die Stuttgarterin hat mit ihrem Mann
den von einer Jury gekürten Entwurf geschaffen und ist auch mitverantwortlich
für die Gerüstplanung. Sie will die historischen Mauerreste möglichst
unversehrt in das Gebäude, das großteils als Kunsthalle genutzt werden
soll, integrieren. Im Keller, sagte Bozic, sei ein Weinlokal geplant.
„Dort können Sie dann Ihren Wein trinken und die historischen Mauerreste
bewundern.“
FDP-Mann Mücke dürfte dort wohl kaum am Chardonnay nippen. „Selbst
wenn das Gerüst nicht teurer als geplant wird, kommen auf den Steuerzahler
weitere Kosten durch das Zuschütten der Grube zu“, kritisierte er.
Wann und vor allem ob auf dem Gewandhausareal gebaut wird, entscheidet
sich wohl erst 2008. Heiermann spendete derweil Trost: „Die Grube
kann leicht wieder ausgebaggert werden.“
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Streit um Dresdens Mitte
Der Entwurf der Stuttgarter Architekten Cheret und Bozic hat geteilte
Reaktionen hervorgerufen. Während etliche Dresdner eine moderne Bebauung
am Neumarkt ablehnen, befürworten die Architektenkammer und die Sächsische
Akademie der Künste das Projekt.
Der Stadtrat hat die Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen. Er
beschloss die Aufstellung einer begehbaren Attrappe für 165000 Euro.
Ab November soll das Gerüst mehrere Wochen auf dem Neumarkt einen
Eindruck von dem Gebäude vermitteln. Geplant ist ein Bau im Volumen
von 65 Millionen Euro, der eine Kunsthalle beherbergt.
Unklar ist, ob überhaupt gebaut wird. Der Rat hat zwar den Stuttgarter
Siegerentwurf des Wettbewerbs bestätigt. Der Verkauf des städtischen
Grundstücks an die Investorengruppe Condor Wessels benötigt aber ebenfalls
die Rats-Zustimmung. Die steht noch aus.
Das alte Gewandhaus aus dem 16. Jahrhundert wurde 1791 wegen seines
schlechten Zustandes abgerissen.
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