"Treppe
ins Nichts“ (SZ vom 04.02.06)
Von Thilo Alexe
Architektur.
Im Stadtrat regt sich heftiger Protest gegen die Pläne zur Bebauung
des Altmarkts.
Folgt auf die harsch kritisierte Treppe am Landhaus und die umstrittene
Postplatz-Haltestelle ein weiteres Bauprojekt, das die Emotionen der
Dresdner hochkochen lässt? Glaubt man jedenfalls FDP-Stadtrat Jan
Mücke droht eine „ästhetische Katastrophe“, „ein völlig abstruses
Vorhaben“, „ein Sprungturm“ das Zentrum zu verschandeln. Der Zorn
des Politikers mit dem Riecher für Dresdner Themen richtet sich gegen
das, was Mücke als eine „Treppe ins Nichts“ bezeichnet. Was ist geschehen?
Rückblende: Im Jahr 2000 veranstaltet die Stadt einen Ideenwettbewerb
für den historisch bedeutenden Altmarkt. Gefordert ist, so die Aufgabe,
eine „zeitgemäße Interpretation des Themas Markt und Stadtplatz“.
Zudem sollen die Zu- und Abgänge der geplanten Tiefgarage gestaltet
werden.
Eine Jury, der unter anderem der ehemalige Baubürgermeister Gunter
Just (SPD) angehört, hebt den Entwurf des Hamburger Büros WES &
Partner auf den mit 30 000 Mark dotierten ersten Platz. Es geschieht
– erst einmal nichts. Jedenfalls nicht an der Oberfläche. Zunächst
werden seitens der Stadt die Planungen für die Tiefgarage vorangetrieben,
die, wie mittlerweile feststeht, von der Sachsenbau für 16 Millionen
Euro errichtet werden soll. Als deren Konzept klar ist, werden mehrere
Umplanungen nötig.
So verzichten WES & Partner auf einen geneigten Mast für Beleuchtungsanlagen,
der Mücke an einen überdimensionalen Galgen erinnert. Eine vom FDP-Mann
kolportierte Begründung: Das Licht könne zu sehr blenden.
Zudem planen die Hanseaten, die auch Flächen im Dresdner World Trade
Center gestaltet haben, zwei Treppenhäuser auf dem Altmarkt, von denen
mittlerweile aber nur noch eines auf dem südlichen Teil des Platzes
entstehen soll. Es enthalte, so WES-Chef Hinnerk Wehberg, unter anderem
Entlüftungsanlagen sowie einen Aufzug. Und: Auf das Haus führt eine
Treppe, die nach Angaben des WES-Architekten Oliver Töllner dreieinhalb,
nach FDP-Schätzung bis zu viereinhalb Meter in die Höhe ragt. Wehberg
zu der Konstruktion: „Das ist wie ein kleiner Balkon. Man kann emporsteigen.“
Mücke hält das für völlig verfehlt und zweckfrei. Zudem wirft er die
Frage auf, warum Fluchtwege aus der Garage in vom Wasser freigehaltenen
Stellen in Springbrunnen enden sollen, von denen die Architekten fünf
auf dem Platz geplant haben.
Alte Liebe Germania
Baubürgermeister Herbert Feßenmayr (CDU) gibt sich zurückhaltend.
Seine Argumentation: Der Wettbewerb habe gezeigt, dass die Altmarkt-Gestaltung
samt der darunter liegenden Tiefgarage umsetzbar sei. Über die Details
könne durchaus noch geredet werden. „Der Stadtrat ist frei in seinen
Entscheidungen“, sagt Feßenmayr. Mücke schäumt: „Der Baubürgermeister
versteht es nicht, Bausünden zu verhindern.“ Daher beantrage die FDP,
dass die Stadt mit den Drittplatzierten des Wettbewerbs – einen Vizesieger
gibt es nicht – verhandeln soll. Grund: Der Siegerentwurf sei zu massiv
umgeplant worden und „nicht realisierbar“. WES-Chef Wehberg vermutet
eine alte Liebe Mückes als wahren Grund für den Zoff: die Germania.
Mücke wolle nur das Siegesdenkmal aus dem deutsch-französischen Krieg
1871 zurück, das einst den Altmarkt zierte. Der Liberale, der seit
September im Bundestag sitzt, erwähnt diesen früheren Plan erneut,
räumt aber zerknirscht ein, „dass das jetzt vielleicht nicht so gut
in die Landschaft passt“.
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