Sächsische
Zeitung
05. April 2007
Der
Riesensaal ist wieder da
Von Katrin Saft
Der Freistaat baut jetzt die Festetage im Dresdner Schloss wieder
auf – nach dem Vorbild von 1719.
Der Augenblick ist historisch: Dresden hat seinen Riesensaal zurück.
Jenen gigantischen Saal im Schloss, in dem schon Kurfürst Johann Georg
IV. 1693 die Verleihung des Hosenbandordens zelebrierte. Über 250
Jahre war der mit 60 Metern Länge und elf Metern Breite größte Raum
im Schloss nicht mehr zugänglich. August der Starke hatte hier 1719
die Vermählung seines Sohnes mit Erzherzogin Maria Josepha gefeiert.
Doch nach Augusts Tod wurde der Saal in mehrere kleine Räume aufgeteilt.
Im Februar 1945 sind auch sie wie fast das gesamte Schloss untergegangen.
Der Freistaat Sachsen hat bis heute 209 Millionen Euro in den Wiederaufbau
des Dresdner Schlosses gesteckt. „128 Millionen Euro werden in den
nächsten Jahren folgen“, sagt Finanzminister Horst Metz (CDU).
Rüstkammer zieht ein
Derzeit konzentrieren sich die Bauarbeiter auf die ehemalige Fest-
und Repräsentationsetage im zweiten Stock, zu der auch der Riesensaal
gehört. Inzwischen ist der Saal in seiner ursprünglichen Kubatur wieder
hergestellt. Dicke Stahlträger wölben sich unter der Decke. Von den
einst kunstvollen Wandgemälden fehlt noch jede Spur. Stattdessen blanke
Ziegel und nackter Beton. Am 21. April darf der Landespresseball auf
der Rohbaustelle feiern. „Der spätere Saalausbau hängt von den Staatlichen
Kunstsammlungen ab“, sagt Schloss-Bauleiter Ludwig Coulin. Sie wollen
im Saal voraussichtlich ab 2010 Exponate der Rüstkammer ausstellen.
Pläne für den Thronsaal
Dem aufmerksamen Betrachter fallen die unterschiedlichen Fensterformen
im Riesensaal auf. „Die Fassade zur Schloss-Außenseite entsteht nach
dem Vorbild des 19.Jahrhunderts, zur Hof-Seite nach dem 16. Jahrhundert“,
sagt Coulin. Ein Grundproblem im mehrfach umgebauten Schloss: Welche
historische Vorlage zählt?
„Die Festetage“, sagt Coulin, „bauen wir weitgehend in der Originalfassung
von 1719 auf.“ Und das hat seinen Grund. Weil große Teile des Schlosses
1701 bei einem verheerenden Brand zerstört wurden und August der Starke
für die Hochzeitsfeierlichkeiten des Kurprinzen würdige königliche
Räume brauchte, ließ er das Schloss 1717 bis 1719 eiligst zu einer
barocken Residenz ausbauen. „Nach diesem Vorbild wollen wir auch den
Thronsaal, das Schlafgemach und die beiden Rückzugszimmer von August
dem Starken rekonstruieren“, sagt Coulin. „Derzeit laufen die Planungen
dafür.“
Schon weiter gediehen ist der Wiederaufbau der berühmten Englischen
Treppe (siehe Kasten) in der Fassung des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
Diente sie früher als repräsentativer Zugang zur Festetage, soll sie
ab 2009 zentraler Aufgang zu den Ausstellungen der Staatlichen Kunstsammlungen
werden. Große Teile der Sandsteinstufen, Balustraden und Gewölbe sind
bereits völlig neu, aber in traditioneller Handwerkskunst entstanden.
Verborgen vor den neugierigen Blicken der Touristen lässt der Freistaat
auch die beiden Schloss-Innenhöfe sanieren. Der große Schlosshof diente
über Jahrhunderte ausschweifenden Vergnügungen. Und auch künftig kann
sich Coulin hier diverse Open-Air-Spektakel vom Theater bis zum Ball
vorstellen. Noch braucht er den Hof als Lagerfläche für Bauutensilien.
„Für die Süd- und Ostfassade entwerfen Künstler gerade die Vorlagen“,
sagt Coulin. Auf den Boden kommen wieder Sandsteinplatten.
Statische Herausforderung
Im kleinen Schlosshof fuhr August der Starke einst mit seiner Kutsche
vor. Ab Mitte 2008 soll er zentraler Eingangsbereich der Staatlichen
Kunstsammlungen werden. Damit die Besucher im Trockenen stehen, lässt
der Freistaat den gesamten Hof für 4,5 Millionen Euro überdachen.
Der Entwurf der durchsichtigen Membran-Konstruktion stammt von Architekt
Peter Kulka. „Eine statische Herausforderung“, sagt Finanzminister
Metz, „aber auch eine schöne Symbiose von Alt und Modern.“
2013, verspricht Metz, soll der letzte Bauarbeiter aus dem Schloss
verschwunden sein. Statt Residenz- ist es dann Museumsschloss.
3 Fotos vom Riesensaal, Englischer Treppe und Membrandach:
http://www.sz-online.de/nachrichten/fotos.asp?artikel=1456029
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