Sächsische
Zeitung
09. März 2007
Es geht auch ohne Monument
Norbert Haase, Leiter der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, zur
Debatte über ein neues Mahnmal für die Opfer des 13. Februar 1945.
Herr Haase, viele Menschen wünschen ein neues Dresdner Mahnmal für
die Bomben-Opfer des Februar 1945. Sie auch?
Ich denke, dass den Toten des Bombenkrieges gegen Dresden bereits
ein Mahnmal gewidmet ist, nämlich auf dem Heidefriedhof. Wenngleich
man auch über dessen Gestaltung und Angemessenheit streiten kann.
Der Friedhof liegt weitab vom Zentrum. Das aber verfügt seit dem Wiederaufbau
der Frauenkirche über kein Mahnmal gegen den Krieg. Müsste nicht etwas
an diese Stelle treten?
Sie denken an den Altmarkt, wo knapp 7000 Bombenopfer verbrannt wurden.
In welcher Form soll dort gedacht werden? Ich hege jedenfalls große
Skepsis gegenüber einem monumentalen Denkmal, denn jeder Monumentalisierung
wohnt die Gefahr einer missverständlichen Deutung inne, etwa der symbolischen
Überhöhung der eigenen Opfer. Eine große Statue vom Format der „Germania“,
die bis 1945 auf dem Altmarkt stand, hielte ich für unangebracht.
Es gibt unter anderem den Vorschlag, eine Opferschale mit ewigem Feuer
zu errichten.
Das halte ich für abwegig. Nicht nur, weil der Scheiterhaufen, auf
dem die Toten zwecks Seuchenbekämpfung verbrannt wurden, schon eine
Folge der Bombardierung war und man doch an die Bombardierung selbst
erinnern sollte. Außerdem sollte man alles vermeiden, was auch nur
irgendwie mit der Symbolik eines Brandopfers zu tun hat. Sie ist bereits
besetzt. Brandopfer heißt auf griechisch Holocaust. Die beiden Ereignisse
sollte man auch symbolisch deutlich trennen. Zumal wir wissen, wie
sehr der 13. Februar ideologisch und politisch missbraucht wurde und
wird, heute vor allem durch Rechtsextremisten.
Was für ein Art Mahnmal käme für Sie infrage?
Bevor man über die Form redet, muss zunächst nach dem Inhalt gefragt
werden. Wofür soll dieses Mahnmal denn stehen? Ein Denkmal allein
für die Dresdner Opfer des Bombenkrieges würde das Ereignis völlig
aus seinem Zusammenhang reißen. Die Bombardierung Dresdens hatte Ursachen,
die ihren Ursprung lange vor 1939, sogar lange vor 1933 hatten. Das
darf nicht ausgeblendet werden. Zudem ist Dresden längst zum Symbol
des Bombenkrieges überhaupt geworden. Dieses Symbol hat eine Ausstrahlung
und Bedeutung, die weit über die Landesgrenzen hinaus geht, sogar
über die Europas.
Das mahnende Gedenken in Dresden richtet sich ja längst gegen jeden
Krieg, also auch gegen heutige Kriege.
Richtig. Jede Gestaltungsform des Gedenkens müsste eine inhaltliche
Dimension haben, die es vielleicht gar nicht abdecken kann.
Bislang erinnert am Altmarkt eine kleine Bodenplakette, die oftmals
von Autos zugeparkt ist, an Bombardierung und Opferverbrennung. Halten
Sie diese minimalisierte Form des Gedenkens denn für angemessen?
Diese Plakette auf einer ungeschützten Parkfläche, das ist in der
Tat eine dem Anlass unwürdige Form des Erinnerns. Es wäre ein Leichtes,
sie zumindest von der Parkfläche abzugrenzen, dadurch zu schützen
und sie zu betonen, eventuell auch durch eine Art Einfriedung.
Was halten Sie von den Plänen der Stadt, am Altmarkt eine 300Quadratmeter
große Gedenk-Fläche mit integriertem Garageneingang zu gestalten?
Wenig. So etwas sollte man nicht im Alleingang durchziehen, ohne Ausschreibung,
ohne historische und künstlerische Beratung. Doch ich frage mich ernsthaft,
ob Dresden überhaupt ein neues zentrales Mahnmal benötigt. Eben weil
es bereits viele Orte gibt, wo in verschiedenen Formen an die Bombardierung
erinnert wird. Auf dem Heidefriedhof, im Stadtmuseum, in der Ruine
der Trinitatiskirche, um nur einige zu nennen. Hinzu kommen Aktionen
der Kunst, des Theaters, der Musik. In einem zentralen Denkmal sähe
ich auch die Gefahr, dass man die vielen wichtigen Ereignisse der
Stadtgeschichte, positive wie negative, dadurch noch mehr an den Rand
des kollektiven Gedächtnisses verbannt. Und die ohnehin schon spürbare
Tendenz verstärkt, die Geschichte der Stadt mehr und mehr auf den
13. Februar 1945 zu fokussieren.
Einer jungen Idee nach könnte man die Busmann-Kapelle der 1962 abgerissenen
Sophienkirche am Postplatz zugleich als Ort des Erinnerns an ignorante
SED-Stadtplanungspolitik und an den 13. Februar nutzen ...
Das ist zwar ein sehr pragmatischer Vorschlag. Aber ich fürchte, wenn
wir einen neuen Gedenkort einrichten, dann sollten wir dort nichts
vermengen, was man nicht vermengen darf. Die Gefahr der Nivellierung
von unterschiedlichen Ereignissen ist einfach zu hoch.
Gibt es Orte, die Sie für geeigneter halten als den Altmarkt?
Es gibt vor allem Formen des Umgangs mit dem 13. Februar, die ich
für geeigneter halte als die Errichtung eines neuen Monuments. Möglicherweise
gewinnen wir sehr viel, wenn wir zum Beispiel einen internationalen
Kunstwettbewerb ausloben, der sich nicht nur mit dem vergangenen Geschehen
beschäftigt, sondern auch mit dessen Folgen und unserem heutigen öffentlichen
Umgang mit der Vergangenheit. Dergleichen würde auch den europäischen
Freundschafts- und Versöhnungsprozess reflektieren. Was den Altmarkt
betrifft: Jeden 13. Februar versammeln sich dort viele Menschen zum
Gedenken. Das ist jedes Mal ein sehr würdiges Ereignis, auch ohne
ein Monument für den 13. Februar 1945. Zeigt allein das nicht möglicherweise
schon, dass Dresden so etwas dort vielleicht gar nicht braucht?
Das Gespräch führte Oliver Reinhard
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