Sächsische
Zeitung
09. September 2006
Geschichte wird zwischen Mauern lebendig
Von Kay Haufe
Neumarkt. Auf dem Grundstück des Alten Gewandhauses legen Archäologen
Mauerreste frei. 2007 soll Baubeginn für den Neubau sein.
Der Boden des Neumarktes gibt derzeit wieder einen Blick auf seine
Schätze frei. Gleich mehrere Stadtmauern sowie Gewölbe und Mauerteile
haben die Fachleute um Thomas Westphalen vom Landesamt für Archäologie
auf dem Grundstück des Alten Gewandhauses freigelegt. Darunter das
breite Plänermauerwerk der mittelalterlichen Stadtbefestigung und
die Sandsteinquader der Zwingermauer aus dem 15. Jahrhundert. Bis
Ende September wollen sie die baulichen Reste des 1791 abgerissenen
Gewandhauses sichern, zu denen zwei gut erhaltene Gewölbekeller gehören.
Historische Briefwechsel
Parallel dazu studiert Architekt Fabian Zens historische Quellen,
um möglichst viel über den Hergang von Bau und Abriss des Gebäudes
zu erfahren. Im Stadtarchiv und dem Hauptstaatsarchiv hat er dazu
Briefwechsel zwischen Dresdner Rat und sächsischem Hof gefunden, die
vor allem eins belegen: Die öffentlichen Kassen waren schon damals
recht leer. Deshalb entstand 1592 anstelle des geplanten neuen Rathauses
auf dem Neumarkt das Gewandhaus. „Genaugenommen war es ein Anbau an
das vorhandene Kaufhaus, das auch schon als Gewandhaus bezeichnet
wurde und in dem sich Fleischbänke, Tuchlager und - machereien befanden“,
sagt Zens. Dieses stand auf den alten Stadtmauern. „Danach wäre die
Stadtbefestigung bereits früher aufgegeben worden als bisher angenommen“,
sagt Zens. Nun überprüft er die Vermutungen mit Grabungsbefunden.
Geld fehlte für Hauptwache
1791 wurde das baufällige Gebäude abgerissen, weil 1766 bis -68 ein
neues Gewandhaus an der Kreuzgasse entstanden war. 1805 entschied
der sächsische Hof, das Grundstück dem Rat zur Nutzung als öffentlicher
Platz zu überlassen. Freilich nur, bis man selbst darauf die Hauptwache
errichten wollte. Doch dazu kam es nie, weil auch dem Hof das Geld
fehlte.
Inzwischen gibt es neue Pläne für das Grundstück nahe dem Johanneum.
Die Investorengruppe um Architekt Kai von Döring, Arturo Prisco und
die holländische Firma Kondor Wessels möchte es bebauen. Die Verkaufsverhandlungen
mit der Stadt laufen auf Hochtouren, sagt von Döring. „Im Herbst wird
ein Gestaltungs-Wettbewerb von uns in Zusammenarbeit mit der Stadt
ausgeschrieben. In ihn werden die Ergebnisse der Ausgrabungen einfließen,
dann ist klar, welche Gebäudeteile im neuen Haus integriert werden
sollen“, so von Döring. Die Gewölbe kann er sich gut als Bierkeller
oder für eine andere gastronomische Nutzung vorstellen. Auch im Erdgeschoss
sollen Restaurants und Cafés einziehen. In den Obergeschossen bemüht
sich von Döring um eine renommierte private Sammlung, die der Öffentlichkeit
zugänglich sein soll. Mehrere Interessenten habe er bereits. „An Wohnungen
und Büros denken wir nicht“, sagt er. Voraussichtlich im Frühjahr
2007 werden die Wettbewerbs-Entwürfe für die moderne Fassadengestaltung
vorliegen, dann entscheidet der Stadtrat darüber, welcher von ihnen
letztlich gebaut werden soll.
Stadtrats-Entscheidungen
„Die Verkaufsverhandlungen laufen parallel zum Wettbewerb. Beide Vorgänge
müssen von den Stadträten beschlossen werden“, sagt Stadtentwicklungsbürgermeister
Herbert Feßenmayr (CDU). „Nur ein überzeugender Entwurf darf auch
umgesetzt werden.“
Von Döring hofft, schon im Sommer oder im Herbst des kommenden Jahres
mit dem Bau zu beginnen. Nach zwei Jahren wäre das Gebäude fertig.
Noch vor dem Baustart rücken jedoch noch einmal die Archäologen an,
um die Erde auf dem Quartier noch intensiver zu untersuchen. Momentan
wurden neben den Mauern auch Keramikstücke aus dem Mittelalter gefunden.
Wer sich die Grabungen selbst anschauen möchte, hat dazu am Sonntag
von 10 bis 16 Uhr Gelegenheit, wenn das Landesamt für Archäologie
Führungen anbietet.
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