Sächsische
Zeitung
Mittwoch, 14. Mai 2005
Kopfschütteln am Neumarkt
Von Bettina Klemm
Bauen. Irrsinn oder Historie? Am Neumarkt wird sächsischer Sandstein
angemalt.
Bauleute schütteln am Dresdner Neumarkt den Kopf: Für das Hotel de
Saxe musste extra sächsischer Sandstein verwendet werden, obwohl der
aus Polen deutlich billiger ist. „Das wäre ja noch in Ordnung, schließlich
geht es um die einheimische Wirtschaft“, sagt einer von ihnen. „Aber
anschließend soll der Sandstein mit weißer Farbe angepinselt werden
– ein Irrsinn.“
Andreas Wurff, Chef des Stadtplanungsamtes, wirbt um Verständnis.
Im Barock sei es üblich gewesen, die Gebäude mit kräftigen Farben
zu versehen. „Außerdem wird der Sandstein nur bei einem Teil des künftigen
Hotels – der Salomonisapotheke – farblich gestaltet“, sagt er.
Die Salomonisapotheke gehört zu den Gebäuden, die wieder eine originalgetreue
historische Fassade erhalten sollen. In seinem Amt ist extra eine
Mitarbeiterin für die Farbgestaltung am Neumarkt zuständig. Sie arbeitet
eng mit den Denkmalpflegern zusammen. Als eine wichtige Quelle dient
ihnen eine Vedute von Bernardo Bellotto, bekannter als Canaletto.
„Die Fassade der Salomonisapotheke soll in Grautönen errichtet werden.
Dazu würde der warme Ton des sächsischen Sandsteins nicht passen“,
sagt Architekt Volker Röhricht von der Planungsgesellschaft Ipro Dresden.
Das als Salomonisapotheke bekannte Haus wurde wahrscheinlich nach
1710 errichtet. Als 1753 dort eine Apotheke einzog, soll die Fassade
an der Ecke zur Landhausstraße mit einer Steinfigur des Königs Salomon
verziert worden sein.
„Obwohl das Hotel de Saxe nicht zu den Gebäuden mit einer Leitfassade
gehört, orientieren wir uns dennoch bei der Gestaltung fast vollständig
an der historischen Fassung von 1888“, erläutert Ipro-Architekt Ulrich
Schönfeld. Da es sich in diesem Fall um Ockertöne handelt, kann auch
der Sandstein im Originalton erhalten bleiben.
Schmuck nach alten Fotos
Das künftige Hotel de Saxe wirkt von außen wie mehrere aneinander
gereihte Häuser. Im Inneren sollen aber nicht einmal die Höhenunterschiede
erkennbar sein.
Zum
Komplex gehört ein drittes Gebäude mit historischer Fassade, die Landhausstraße
4. Das schmale Haus in einem Rot-Ton und mit einer Rokoko-Fassade
soll 1763 gebaut worden sein. Statt Sandstein verwendete der Architekt
fantasievoll gestaltete Architekturdetails über den Fensterstürzen.
„In der Fachsprache sind das Rocaillen. Wir haben sie nach photogramm-metrischen
Aufnahmen wieder neu entwickelt“, sagt Volker Röhricht. Das Gebäude
daneben mit der früheren Hausnummer 2, das die Einfahrt zur Tiefgarage
aufnimmt, soll eine moderne Architektur erhalten. Zum historischen
Ensemble an dieser Neumarktstelle würde das frühere British-Hotel
gehören. Doch bisher steht hier noch kein Investor für dessen Wiederaufbau
fest.
Bei den Bombenangriffen 1945 wurden nahezu alle Gebäude am Neumarkt
zerstört. Eine Rekonstruktion ist deshalb nicht möglich. Doch viele
Dresdner wünschen sich rund um die Frauenkirche ein historisches Flair.
„Aber allein schon die heutigen Anforderungen an die Nutzung, an die
Wärmedämmung und den Brandschutz lassen es kaum zu, die Gebäude vollständig
mit alten Baustoffen zu errichten“, sagt Architekt Röhricht.
Deshalb entstehen die Neumarkthäuser in ihrem Kern fast ausschließlich
aus Beton. Und früher, sagt Schönfeld, war auch Sandstein ein ganz
normales Baumaterial und hatte nicht den heutigen Stellenwert. Er
verweist auf die Frauenkirche. Auch hier wird der Sandstein beispielsweise
in den Treppenhäusern überall getüncht.
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