DNN vom 14.06.07
von Ralf Redemund

Die barocke Lust am neuen Gewandhaus

Geliebt - und gehasst - der Sieger-Entwurf für ein neues Gewandhaus auf dem Neumarkt. Mehr bunte Visualisierungen, damit das Plastische des Gebäudes besser heraustritt, wünschten sich gestern Besucher der Diskussion im Blockhaus.

Über hundert Besucher bei sachlicher Diskussion im Blockhaus über den Neumarkt

Stunden öffentliche Debatte über den Neumarkt und das Gewandhaus ohne Anfeindungen und in sachlich-angenehmer Atmosphäre: Es geht. Das zeigte gestern Abend die Veranstaltung der Hochschule für Bildende Künste im Blockhaus - die vierte große öffentliche zum Thema Architekten-Entwurf der Stuttgarter Peter Cheret und Jelena Bozic.
Über hundert Interessierte, zumeist Studenten der Architektur und Künstler, spendeten lang anhaltenden Beifall für den engagierten Vortrag von Cheret, der diesmal auch Bezüge zu der Entwicklung von Stuttgart und Rom herstellte. Bliebe die Gewandhausfläche leer, wäre sie eine "Prothese am Platz", ein verlorener Raum.

Nur wenn das Gewandhaus -gleich welcher Entwurf- neu gebaut werde, entstehe ein menschlicher, proportionierter, einladender Rhythmus der Gebäude am Neumarkt mit fast intimer Atmosphäre, sagte Cheret. Das Gewandhaus stelle spannende Fluchten und Kraftlinien wieder her, die dem Platz und den Menschen gut tun.

Es sei ihm und seiner Frau weniger auf die barocke Fassade angekommen, sondern auf das barocke Lebensgefühl, auf die krassen Widersprüche, die dieses Zeitalter geprägt haben. Die Lust am Wandeln zwischen Schein und Sein, Pomp und Askese, Macht und Ohnmacht sei charakteristisch dafür gewesen. Das spiegele der Entwurf wider, der nur an diesem Ort existieren kann, nirgendwo anders funktioniere, so Cheret.

Die ersten beiden Geschosse seien bewusst offen gestaltet, für Läden, Cafés und Restaurants, aufbauend auf der mittelalterlichen Stadtmauer, die im Keller erfahrbar gemacht werden soll. Darüber gebe es einen musealen Bereich für eine private Kunstsammlung. Auf allen Ebenen sei der Neumarkt erfahrbar, werde Nutzung mit barocker Lust verbunden.

Neben viel Zustimmung erntete der Entwurf auch Kritik. Vor allem wegen der "Angst machenden Fassade" und den "brutalen, geraden Flächen" (so einige Zuhörer). Es handele sich hier nur um einen Vorentwurf, so Cheret. Die verputzten Außenflächen als auch die als barocke Referenz gegenüber dem Johanneum geplante Treppe würden in den nächsten Phasen der Planung weiterentwickelt. Prof. Olaf Lauströer von der Kunsthochschule regte mehr farbige Visualisierungen an, damit das Gebäude plastischer wirke, besser erfahrbar und die Angst vor der Fassade genommen werde.



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