Dresdner Neueste Nachrichten
vom 14./15. Juli 2007

Neuer Kampfplatz - das Gewandhaus
Von Genia Bleier

DNN sprach mit den Investoren über einen Neumarkt mit und ohne das umstrittene Gebäude

Ein neuer Riss geht durch Dresden. Wieder ist es ein Bauwerk, welches die Stimmung aufheizt und die Menschen spaltet: in Befürworter (oder Dulder) und Gegner. Gemeint ist die Diskussion um das neue Gewandhaus auf dem Quartier VI am Neumarkt. Das Stuttgarter Architekturbüro Cheret + Bozic ging als Sieger aus dem vom Stadtrat geforderten ergebnisoffenen Wettbewerb hervor. Gefallen hat das Modell bisher nur wenigen Stadträten. Auch die Fördergesellschaft Frauenkirche lehnte die Bebauung der Fläche in einem Offenem Brief ab. Die Stadt wünscht das Gewandhaus und wird darin von der Gestaltungskommission Kulturhistorisches Zentrum unterstützt. Mehrheitlich sprach diese sich für den 1. Preisträger aus und unterstrich, dass der Cheret + Bozic-Entwurf ausschließlich für den Neumarkt konzipiert sei. Bis zum Herbst tritt nun eine Denkpause ein. DNN sprach mit dem Investor. Von der deutschen Wessel Gruppe beantwortete Laurentius A. Hegemann, Geschäftsführer der Kondor Wessels Holding GmbH, und Peter M. Mutscheller, Geschäftsführer der Kondor Wessels Invest GmbH, sowie Architekt und Anteilseigner Kai von Döring unsere Fragen.

Frage: Haben Sie mit einem solchen öffentlichen Sturm der Entrüstung gerechnet?

Peter M. Mutscheller: Wir beobachten das Ganze aus neutraler Position. Ob das Gewandhaus kommt oder nicht, ist am Ende eine Entscheidung der Politik. In Dresden wird viel diskutiert. Ich war nicht überrascht.

Laurentius A. Hegeman: Ich schon. Die Vehemenz bestimmter kleiner Gruppen war mir neu. Klar ist auch, dass man noch viel Arbeit zu leisten hat in der Information über das Projekt.

Was kann man denn noch tun?

Hegeman: Wichtig ist, dass die Stadt handelt. Wir als Investoren unterstützen, wenn es gefragt ist, mischen uns aber nicht in die Politik ein....

Mutscheller: ...wichtig ist einfach, dass die Stadt versucht, die Diskussion so sachlich wie möglich zu führen, um zu einem rationalen Ergebnis zu kommen. Wir reden natürlich über eine ganz prägnante Stelle der Stadt, die Emotionen hervorruft. Trotzdem ist Versachlichung nötig.

Sind alle Personen der Projektgesellschaft mit dem Siegerentwurf einverstanden?

Hegeman: Es gab die klare Meinung, dass der Sieger auch unser Sieger war.

Mutscheller: Innerhalb der Jury hatten wir eine Stimme, haben also nicht unsere Vorstellungen durchgesetzt.

Wer steht hinter der Projektgesellschaft Quartier VI und ist an dem Gerücht etwas dran, dass sich Arturo Prisco zurückziehen will?

Hegeman: Von zurückziehen ist mir nichts bekannt. Wie schon beim QF (Quartier I, d. A.) sind Arturo und Kai von Döring weiterhin an der Projektentwicklung beteiligt. Inwieweit Arturo Prisco als Investor beteiligt ist, darüber führen wir noch Gespräche.

Mutscheller: Arturo hat das Konzept und die Vermietung gemacht, Kai von Döring die Architektur und wir waren für Finanzierung und Bau zuständig. Diese Arbeitsteilung wird jetzt wieder so sein.

Sollte der Gewandhausentwurf im Stadtrat durchfallen, bauen Sie dann trotzdem?

Hegeman: Ja, auf jeden Fall. Dann ist das Q VI etwa um ein Drittel kleiner. Wir müssten mit dem Stadtplanungsamt sprechen und das Quartier neu planen. Zur Zeit ist das nicht der Fall.

Das würde aber auch Zeitverzug bedeuten?

Hegeman: Mit bis zu einem halben Jahr müssten man schon rechnen.

Ohne Gewandhaus fordern Sie von der Stadt rund eine Million Euro zurück?

Hegeman: Wir erheben keine Schadensersatzforderung. Aber es entstehen Kosten für den Wettbewerb und die Archäologie.

Mutscheller: Es gibt den Stadtratsbeschluss. Für den Wettbewerb mussten Grabungen durchgeführt werden. Erst dann weiß man, was erhalten bleibt und in den Bau einbezogen wird. Diese Kosten von nicht ganz einer Million Euro haben wir verauslagt. Die Stadt hat sich zur Erstattung verpflichtet.

Belastet Sie die von der Stadt gewünschte Nutzung als Museum für moderne Kunst finanziell? Eine Förderung gibt es meines Wissens nicht.

Hegeman: Unser Konzept lautet in Untergeschoss, Erdgeschoss und 1. Obergeschoss gewerbliche Nutzung mit Kunst. Die erwirtschaftete Miete ist nicht viel anders als bei Büros. Eine Förderzusage gibt es nicht.

Wird bereits mit Kunstsammlern verhandelt?

Hegeman: Nein. Wir müssen die ganze Situation abwarten. Ohne hundertprozentige Sicherheit kommt man nicht viel weiter. Gespräche wurden schon geführt. Die sind jetzt ausgesetzt. Das Projekt liegt auf Eis.

Wären die Plastiken der Wieland-Förster-Stiftung, für die bisher noch kein Platz gefunden wurde, eine Variante?

Hegeman: Wenn die Stadt das will, wäre auch das möglich.

Steht der Gastronomiebetreiber schon fest?

Hegeman: Noch nicht.

Mutscheller: Wenn das Gewandhaus kommt, ist dort zum Markt hin die 1A-Gastronomiefläche. Wenn es nicht kommt, ist die beste Fläche weiter hinten. Dann gibt es mehr Außengastronomie. Verhandlungen machen gar keinen Sinn, wenn man nicht weiß, in welchen Maßen die Bebauung stattfindet. Wir sind mit national tätigen Gastronomen im Gespräch, die eine echte Bereicherung sein werden.

Sind die Eigentumsverhältnisse des Quartiers klar?

Mutscheller/Hegeman: Ein Rückübertragungsgrundstück ist zwischen der Stadt, den Berechtigten und uns geklärt. Grundstückseigentümer sind Professor Blobel und Kondor Wessels.

Halten Sie Kontakt zu Herrn Blobel? Das Quartier muss ja wohl in Abstimmung geplant werden.

Mutscheller: Kontakte zwischen Arturo und Blobel gibt es.

Hegeman: Wir hatten angefragt, den Wettbewerb gemeinsam durchzuführen. Aber da ist nicht gekommen.

Wie muss man sich die Bebauung mit oder ohne Gewandhaus vorstellen?

Kai von Döring (kam später hinzu): Es handelt sich um ein zusammenhängendes Quartier mit dem vorderen Abschluss Gewandhaus direkt davor. Es wird einen Eingang ins Quartier durch das Gewandhaus geben. Von da kommt man in einen ersten und weiter in den zweiten Hof. Von den Höfen aus ist das Dinglingerhaus zu erreichen. Auch der erste barocke Innenhofbrunnen soll zurückkehren, entweder als Original oder eine Replik. Wie soll die Platzfront ohne Gewandhaus aussehen. Können Sie den Vorschlag der Gesellschaft Historischer Neumarkt mit der Semperschen Ladenfront folgen? Mutscheller: Die Planungshoheit liegt bei der Stadt. Von Döring: Die so genannte Semperschen Fassaden sind eine Änderung, die schon Semper an den barocken Fassaden vorgenommen hat. Er hat einen Ladenumbau gemacht und dabei die Fassaden aufgebrezelt. Ich möchte aber auch die Frage stellen: Was passiert denn mit den ausgegrabenen Stadtmauern? Es kann doch wohl nicht wahr sein, dass man dann hier eine historische Baugrube hat, auf der ein paar Bäume stehen. Man sieht doch am Altmarkt, dass niemand durch die Glasabdeckung guckt. Dort sind Millionen versenkt worden. Um die Geschichte der Stadt zu zeigen, wäre das Gewandhaus, in welcher Form auch immer, superwichtig.

Aus wie viel Häusern besteht das Quartier?

Von Döring: Es sind mit Blobels Haus sechs größere Gebäude, darunter vier Leitfassaden, unter anderem das Dinglinger- und das Regimentshaus.

Wie hoch ist die Investition?

Hegeman: Zwischen 50 und 60 Millionen Euro, ohne Gewandhaus rund ein Drittel weniger.

 

STIMMEN DER NACHBARN DES KÜNFTIGEN GEWANDHAUSES

Eberhard Burger, Sprecher der Geschäftsführung der Frauenkirche:
"Das Grundstück sollte nicht bebaut werden. Der Raum ist heute schon durch die vielen Außenplätze der Gaststätten mit ihren Sonnenschirmen viel zu stark eingeschränkt. Ich könnte mir den Siegerentwurf aber gut woanders vorstellen."

Thoralf Rank (Rank & Büttig), Mitinhaber der Gaststätten Coselpalais, Café an der Frauenkirche, Ontario und Kurfürstenhof:
"Mich stört die Bebauung an diesem Platz nicht. Sie gehört zur Entwicklung der Stadt dazu. Aber sie sollte sich an das umgebende historische Ensemble anlehnen. Der historische Kern ist das, was Dresden ausmacht. Der Siegerentwurf für das Gewandhaus gefällt mir an dieser Stelle nicht. Es gibt genügend andere Standorte dafür auch in unmittelbarer Umgebung."

Hartmut G. Knippscheer, Vorstand Martinshof Rothenburg Diakoniewerk (Bauherr der Schütz-Residenz):
"Ich habe eine ambivalente Haltung dazu. Etwas Grün würde dem Neumarkt vielleicht gut tun. Als Laie frage ich mich auch, ob das mit dem 1. Preis versehene Gebäude nicht zu dominant auf dem historischen Neumarkt ist. Andererseits ist sicher auch eine Bebauung möglich."

Berndt Dietze, Geschäftsführer Baywobau Dresden (Bauherr am Neumarkt):
"Aus meiner Sicht zerstört das Gewandhaus den ganzen Platz. Es erschlägt alles andere. Der Entwurf wirkt wie Big-Mac-Architektur, mehrere Schichten übereinander. Ich favorisiere einen Platz mit Bäumen und Sitzgelegenheiten."

Michael Dünnbier, Direktor des Verkehrsmuseums im Johanneum:
"Ich finde es spannend, gute historische und gute moderne Architektur zu kombinieren. Das beste Beispiel ist für mich Wien. Man sollte nicht alles Neue verdammen. Das Johanneum hat früher auch nicht so frei gestanden. Zur städtebaulichen Einordnung möchte ich mich als Nichtfachmann jedoch nicht äußern. Ich kenne bis jetzt auch noch kein maßstäbliches Modell."

 

von Genia Bleier

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