Sächsische Zeitung Dienstag, 17. Juni 2003

Varianten und kein Ende
Stadt untersucht Kulturpalast-Umbau und hält große Lösung im Gegensatz zum Investor für nicht bezahlbar
Von Katrin Saft

Die Stadt hat eine Entscheidung zum Kulturpalast-Umbau auf den Herbst vertagt. Aus Geldgründen – die nach Überzeugung des Investors gar keine sind.

Philharmonie-Intendant Olivier von Winterstein wartete den Schluss der gestrigen Pressekonferenz zum Kulturpalast gar nicht erst ab. „Jetzt ist Chefdirigent Marek Janowski endgültig weg“, sagte er und verließ das Rathaus in Richtung Japan. Zur Tournee.

Seit 1992 verspricht die Stadt einen neuen Konzertsaal für die Philharmonie, gibt Studien und Planungen in Auftrag. Doch wer nach nunmehr elf Jahren eine Entscheidung erwartet hatte, sieht sich einmal mehr enttäuscht. Eine „neue Projektgruppe Kulturpalast“ legt jetzt einen Varianten-Vergleich vor, den der Stadtrat am 26. Juni aber nur zur Kenntnis nehmen soll. Die Entscheidung wird auf die Haushaltsdebatte im Herbst vertagt.

Bloße Sanierung kann sich Jahre hinziehen

Aus kulturpolitischer Sicht, erklärte Baubürgermeister Herbert Feßenmayr (CDU), sei die große Lösung die beste: der Umbau des Kulturpalastes durch die Sachsenbau Chemnitz (siehe Kasten Variante 1). Die Sachsenbau war vor drei Jahren der einzige Investor, der sich für den Erwerb der benachbarten Grundstücke interessierte. Mit dem Erlös – rund 36 Millionen Euro – wollte die Stadt den neuen Saal finanzieren. Die Summe reicht nach Meinung von Bürgermeister Feßenmayr aber nicht aus. „Wir müssen sechs Millionen für die Entschädigung von Alteigentümern abziehen. Weitere fünf Millionen gehen durch Veranstaltungs-Ausfälle während der Bauzeit verloren.“ Unterm Strich rechne die Stadt damit, dass sie für einen modernen Saal für Philharmonie und einen Großteil der bisherigen Unterhaltungs-Veranstaltungen 15 Millionen Euro zusätzlich brauche.

„Diese Summe lässt sich angesichts der Haushaltslage und der Priorität von Straßen, Schulen und Kitas derzeit nicht aufbringen“, sagt Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann (parteilos). Zusätzliche Kredite genehmige die Aufsichtsbehörde nicht. Da die mittelfristige Investitionsplanung ohnehin überarbeitet werden müsse, schlägt Vorjohann vor, im Rahmen der Diskussion auch über den Kulturpalast zu befinden. „Wir müssen alle Themen nebeneinander stellen und sagen, was wir wollen und was dann nicht mehr geht“, erklärte er.

Paradox ist nur, dass Investor Sachsenbau behauptet, dass die Grundstückserlöse für den Saal-Umbau ausreichen. „Wir bleiben dabei, dass wir ohne zusätzliches Geld von der Stadt auskommen“, sagte Geschäftsführer Dieter Füsslein gestern auf Anfrage der SZ. Füsslein versichert, dass ihm eine Finanzierungszusage der Bank für das Projekt vorliege. Die Stadt meint, dass diese nicht verbindlich sei. Füsslein: „Ich bedauere, dass es keine gemeinsame Arbeitsgruppe gab und dass wir bisher immer außen vor blieben.“

Unabhängig, wie die Kulturpalast-Entscheidung ausgeht, soll der Stadtrat zumindest schon dem Verkauf der angrenzenden Grundstücke an die Sachsenbau zustimmen. „Der Investor kann dann mit der geplanten Umbauung des Kulturpalasts mit Hotel, Läden, Büros und Wohnungen sowie mit der Tiefgarage unter dem Altmarkt beginnen“, sagte Feßenmayr. Über das Maß der Eingriffe am bestehenden Gebäude müsse man verhandeln. Die Grundstückserlöse würden für den Kulturpalast „geparkt“.

Sachsenbau-Chef Füsslein hält das für wenig realistisch. „Ich kann doch nicht vorne ein schickes Hotel bauen und hinten den alten Kulturpalast lassen“, sagte er. „Und wie soll ich planen, wenn ich nicht weiß, was mit dem Kulturpalast passiert.“ Heute hat Füsslein einen Termin beim Baubürgermeister.

Sollte die Sachsenbau-Variante platzen, will die Stadt den Kulturpalast nach Variante zwei sanieren – in kleinen Schritten, je nach Verfügbarkeit von Geld im Haushalt. Das kann sich Jahre hinziehen und mehr als 24 Millionen Euro kosten. Allein 1,9 Millionen Euro sind für den Brandschutz nötig. Die bisherigen Planungen für einen akustischen Top-Saal wären Makulatur.

Die Variante 3, die einen reinen Philharmonie-Saal vorsieht, wurde von der Stadt inzwischen verworfen, weil sie damit keinen Saal für Unterhaltungs-Veranstaltungen mehr hätte. Außerdem dürften die dafür veranschlagten 57 Millionen Euro auch kaum finanzierbar sein. Intendant von Winterstein: „Egal, welche Variante kommt: Ich fürchte, dass wir 2006 noch immer keinen ordentlichen Saal haben.“


KULTURPALAST
    VARIANTE 1
  • Umbau und Umbauung des Kulturpalastes durch die Sachsenbau Chemnitz:
  • Verkauf der benachbarten Grundstücke und Umbauung des Kulturpalastes auf der Nord-, Süd- und Westseite, dazu Abriss von Teilen des Kulturpalastes nötig;
  • Errichtung einer Einkaufs- und Büropassage mit Hotel und Gaststätten;
  • Wiederaufbau von historischen Leitbauten und Leitfassaden zum Neumarkt;
  • teilweise Entkernung des Kulturpalastes und Neubau eines akustisch hochwertigen Saales für Philharmonie und Unterhaltungs-Veranstaltungen mit Grundstückserlös, Stadt bleibt Eigentümer;
  • Parken in der neuen Tiefgarage am Altmarkt mit 540 Plätzen, unterirdische Anbindung.

    VARIANTE 2
  • Erhalt und Sanierung des vorhandenen Kulturpalastes:
  • Schrittweise Modernisierung je nach Haushaltslage über mehrere Jahre;
  • Punktuelle Verbesserungen der akustischen Unzulänglichkeiten des bestehenden Mehrzwecksaales zum Beispiel durch Einbauten im Bühnen- und Saalbereich; erfolgte Planung eines akustisch hochwertigen Saales wird nicht verwendet.

    VARIANTE 3
  • Umbau des Kulturpalastes zum Konzerthaus:
  • Erhalt der bestehenden Kubatur;
  • Umbau des Mehrzwecksaales zu einem akustisch hochwertigen Konzertsaal;
  • Sanierung aller Funktionsbereiche.