Sächsische Zeitung
18. Juni 2005

Kirche braucht historischen Rahmen

Seit sechs Jahren besteht die Gesellschaft Historischer Neumarkt. Gespräch mit der neuen Vorsitzenden Birgit Lucas.

Was hat der Neumarkt-Verein erreicht?

Als der Anbau am Coselpalais errichtet worden war, haben wir gesagt: Stopp, so nicht weiter, und unseren Verein gegründet. Schließlich schreit die Frauenkirche nach ihrem historischen Rahmen. Die Stadt Dresden hat auf Grund ihres tragischen Schicksals eine große moralische Verpflichtung, am Neumarkt historisch zu bauen. Wenn wir nicht so intensive Gespräche mit den Investoren geführt hätten, dann wäre sicherlich vieles nicht so erfolgreich gelaufen. Glücklicherweise haben die Investoren schnell verstanden, dass man mit dem Neumarkt nur Geld verdienen kann, wenn er wirklich exklusiv gestaltet wird.

Am 24. Juni feiert das Hotel de Saxe Richtfest. Ist das ein Bau im Sinne Ihres Vereins?

Er ist mit seiner historisierenden Fassade ein Bekenntnis zur Geschichte und ein gutes Signal für den Neumarkt. Dennoch wären eine historische Rekonstruktion und ein hochgemauerter Ziegelbau mehr in unserem Sinne. Auch beim Prisco-Areal hat sich eine Zusammenarbeit entwickelt. Unser Architekt Andreas Hummel zeichnet dafür die historischen Fassaden. Aber auch hier gibt es Dinge, wie die Fassade an der Töpferstraße, die uns nicht gefallen. Aber wir sind Realisten.

Ihr Verein hat vor zwei Jahren fast 65 000 Unterschriften für einen Bürgerentscheid gesammelt. Ist das Thema für Sie inzwischen erledigt?

Nein, die Stadt hat sich nicht einmal die Mühe gemacht und die Unterschriften ausgezählt. Wir halten deshalb die Option einer Klage offen. Wir fordern nach wie vor eine Gestaltungssatzung, damit Investoren von vornherein wissen, was sie am Neumarkt erwartet. Außerdem kämpfen wir intensiv gegen die geplante Gewandhaus-Bebauung.

Warum sind Sie so gegen das Gewandhaus?

Mit dem Gewandhaus würde der Neumarkt in drei Plätze gegliedert werden. Dass das nicht gut ist, haben vor 200 Jahren die Dresdner Fürsten erkannt und das alte Gewandhaus abgetragen, damit die Frauenkirche freier steht. Waren sie sensibler als heutige Demokraten? Wir können verstehen, dass es den Kämmerern in den Fingern juckt, denn es geht um einen Batzen Geld. Aber es ist unvorstellbar, wenn sich ein Gebäude und erst recht ein Glasbau vor der Frauenkirche in die Höhe schwingt. Das hat auch mit Respekt und Demut vor den Leistungen früherer Architekten zu tun.

Sie gehören zu den Gründern des Vereins. Wie viele Mitglieder hat Ihre Gesellschaft?

Es sind etwa 700, wir wachsen rasant. Wir haben sehr viele junge Mitglieder. Für sie gehört der Neumarkt zur Identitätsfindung. Sie wollen keine austauschbaren Fußgängerzonen. Das Durchschnittsalter in unserem Verein liegt bei gut 40 Jahren. Bei ähnlichen Vereinen, beispielsweise in Berlin, sind es 60 Jahre.

Seit vier Jahren betreiben Sie einen Informations-Pavillon auf dem Neumarkt. Wie lange bleibt der noch stehen?

Das hängt vom Tempo der Bebauung ab. Es gibt eine dreimonatige Kündigungsfrist. Am liebsten wäre es uns, wenn wir so lange bleiben können, bis wir wenigstens das Erdgeschoss von dem Haus Rampische Gasse 29 fertig haben und dort einziehen können. Wir versuchen, das Haus mit Spenden- und Sponsorenhilfe zu errichten und verhandeln derzeit mit verschiedenen Banken über eine Baustein-Aktion ähnlich wie bei der Frauenkirche.

Sie brauchen rund zwei Millionen Euro. Wie weit sind Sie?

Wir wollen lieber heute als morgen anfangen und hoffen auf bundesweite Unterstützung, gerade wenn die Frauenkirche jetzt fertig wird. Derzeit sind wir dabei, das Grundstück abzubezahlen.

Gespräch: Bettina Klemm


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