DNN vom 19./20.05.07

„Heimspiel für Gegner des Gewandhauses“

Über 300 Bürger bei Podiumsdiskussion zur geplanten Bebauung
Von Ralf Redemund

Wird es am Dresdner Neumarkt – trotz Architekten Wettbewerb  - überhaupt eine Wiederkehr des 1791 abgerissenen Gewandhauses geben? Der Stadtrat entscheidet. Gestern stellten sich Spitzenvertreter aller Fraktionen auf Einladung der Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden (GHND) in einer Podiumsdiskussion. Der Tenor: Alles bleibt in der Schwebe, auch wenn sich einige Stadtpolitiker bereits dezidiert gegen eine Bebauung ausgesprochen haben.

Die Wiederkehr des seit 1791 nicht mehr existenten Gewandhauses wird immer mehr zum Politikum. Der Stadtrat habe sich zwar 2002 im Rahmen eines städtebaulichen Konzeptes für den Wiederaufbau des Neumarktes entschieden, damals sei aber „von 1791 nicht die Rede“ gewesen, sondern von dem Neumarkt-Ensemble vor der Kriegszerstörung, sagte gestern Kris Kaufmann von der Linksfraktion auf einer Podiumsdiskussion im Rathaus. Vielleicht ließen sich die sechs Fraktionsvertreter auch von der Kulisse beeindrucken. Denn weit über 300 Bürger waren dem Aufruf der Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden (GHND) zu dieser Veranstaltung gefolgt. Wie die Stimmung war, brachte CDU-Fraktionschef Michael Grötsch auf den Punkt: „Das ist ein Heimspiel für die Gegner der Bebauung.“ Doch nicht nur der Unionspolitiker, sondern auch Baubürgermeister Herbert Feßenmayr (CDU) betonte, dass man sich in einem „ergebnisoffenen“ Prozess befinde.

Überrascht darüber, dass der Bau des Gewandhauses generell so vehement in Frage gestellt wird, zeigte sich gestern Prof. Peter Cheret (Stuttgart), der zusammen mit seiner Partnerin Jelena Bozic das Sieger-Modell im Realisierungswettbewerb der Stadt entworfen hatte. Cheret stellte erneut – wie schon am Dienstag – in rund zwanzig Minuten die Grundgedanken seines komplexen Entwurfes vor. Würde der Platz nicht bebaut, ginge eine Aufenthalts- und Verweilqualität für den Neumarkt verloren, lautete die These. Das Johanneum bliebe einäugig und Janusköpfig. Cheret verwies auf die Stadtbefestigung, die über das Grundstück verlaufen ist. Hier knüpfte der frühere Landeskonservator Gerhard Glaser an, der erst vor zwei Tagen aus dem Podium verbannt und zu einem Kurzvortrag veranlasst wurde. Aus geschichtlichen Gründen trat er vehement für die Schaffung einer Platzkante durch den Neubau des Gewandhauses ein. Stefan Hertzig vom Veranstalter lehnte in einer leidenschaftlich geführten Rede die Schaffung eben jener Kante aus historischen Gründen ab. Es gehe um Barockisierung, um Vereinheitlichung des Platzes und der Fronten, damit ein geschlossenes barockes Raumbild entstehe. Bei Redaktionsschluss dauerte die emotional geführte Diskussion, durch die der Journalist Dankwart Guratzsch („Die Welt“) führte, noch an.

Michael Grötsch (CDU-Fraktionsvorsitzender)

Abwägungsprozess ist in vollem Gange

„Der Stadtrat hat entschieden, dass bebaut werden soll. Bislang hat sich unsere Fraktion aber noch nicht entschieden. Die Diskussion darüber hat gerade erst begonnen. Wir gehen mit den Architekten und moderner Architektur ordentlich um, lassen Toleranz walten. Wie der Abwägungsprozess enden wird, kann ich im Moment noch nicht sagen.“

Jan Mücke (FDP-Fraktionsvorsitzender) MdB

Unreinheit in einem schönen Gesicht

„Es wäre eine städtebauliche Tragödie, einen einzigen der Wettbewerbsentwürfe umzusetzen. Die Formensprache unserer Zeit produziert für dies Stelle nur Fremdkörper. Ein Neubau hier wäre eine Hautunreinheit in einem schönen Gesicht. Es gibt in dieser Stadt andere Plätze, wo moderne Architektur hinpasst.“

Eva Jähnigen (Bündnis90/Die Grünen- Fraktionsvorsitzende)

Dieses Grundstück nicht verkaufen

„Wir befinden uns bei diesem Projekt in der Prüfung. Dieser Platz soll nur bebaut werden, wenn die Qualität stimmt. Durch die Ergebnisse des Wettbewerbs spitzt sich die Frage auf das „Ob“ zu. Wir sollten das Grundstück nicht verkaufen, sondern in Erbbaupacht vergeben, damit wir in 30 bis 50 Jahren ein Gebäude wieder abreißen können.“

Dr. Peter Lames (SPD-Fraktionsvorsitzender)

Einen traditionellen Kontrapunkt schaffen

„Ich lehne eine Bebauung an dieser Stelle ab. Es war richtig, diesen Wettbewerb gemacht zu haben, damit wir die Möglichkeiten kennen. Die Stadt findet am Neumarkt ihr Herz wieder und fängt an, die Wunden durch die Zerstörung zu schließen. In einer dahinrasenden Zeit sollten wir hier einhalten, einen bindungskräftigen und traditionellen Kontrapunkt schaffen.“

Christoph Hille (Bürgerfraktion-Fraktionsvorsitzender)

Weder der richtige Ort noch die richtige Zeit

„Wir haben uns die Frage gestellt: Ist das der richtige Ort? Und ist es die richtige Zeit? Beide Male lautete die Antwort: Nein. Wir sollten Alt- und Neumarkt erst einmal ohne Gewandhaus fertig stellen. Uns schwebt auf dem Neumarkt ein originalgetreuer Christmarkt vor. Der wirkt aber nur in historischer Umgebung.“

Kris Kaufmann (PDS-Stadträtin im Bauausschuss)

Keine Epochen zusammenstückeln

„Die Meinungsbildung in der Fraktion ist im Fluss. Schon bei der Verabschiedung des städtebaulichen Konzeptes für den Neumarkt war die Bebauung der Gewandhaus-Fläche umstritten. Der 1. Preis ist ein sehr guter Entwurf. Die Frage ist, ob er an diese Stelle passt. Wir sollten hier nicht irgendwelche Epochen zusammenstückeln.“





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