Sächsische
Zeitung
20. Februar 2007
Bomben und Holocaust
Von Oliver Reinhard
Dresdens Heidefriedhof und die Frauenkirche sind als Gedenk-Orte
an den 13. Februar 1945 wichtig, aber problematisch.
Die rituelle Erinnerungskultur an die Luftangriffe auf Dresden am
13. und 14.Februar 1945 ist in Bewegung. In Großbritannien mehren
sich Diskussionen darüber, ob gezielte Flächenbombardements auf Wohngebiete,
also vornehmlich auf Zivilisten, wie in Dresden geschehen, moralische
Kriegsverbrechen waren. In Dresden selbst mehren sich die Aktionen
von Menschen, die das Gedenken vor einer Instrumentalisierung durch
die NPD und weitere rechtsextreme Kreise schützen wollen. Dazu gehören
Gruppen und Einzelpersonen, die nach neuen kulturellen Formen und
Ausdrucksmöglichkeiten für ein lebendiges Erinnern und Mahnen suchen.
Und das, wie in der vergangenen Woche zum 62. Jahrestag der Katastrophe,
auch praktizieren: in Musik, Theater, Literatur, Kunst.
Dom der NS-Christen
In diesem Zusammenhang wird jedes Jahr die Frage nach einem neuen
zentralen Mahnmal für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft laut.
Unlängst wiesen einige Bürger und Parteien wieder auf den möglichen
Standort am Dresdner Altmarkt hin. Nach den Luftangriffen wurden dort
fast 7000 Bombenopfer verbrannt, eine Bodenmarkierung erinnert daran.
Doch seit einigen Tagen liegt dem amtierenden Oberbürgermeister Lutz
Vogel ein entsprechender Antrag der CDU vor, der auch außerhalb der
Fraktion Zustimmung findet. In den vergangenen Jahren war als offizielle
Antwort auf solche Überlegungen oft Ausweichendes zu hören: der Verweis,
man verfüge mit dem Heidefriedhof und der Frauenkirche bereits über
zwei zentrale Mahn- und Gedenk-Orte. Die sind indes alles andere als
unproblematisch.
Wie seit den Sechzigerjahren deren Ruine wird auch die wiederaufgebaute
Frauenkirche jeden 13.Februar von Tausenden als Stätte des stillen
Gedenkens genutzt, als Ort der Mahnung und Symbol der Versöhnung.
Nur – was hier 1945 zusammenbrach, war eben nicht nur ein wundervoller
Barockbau und ein Haus des Friedens, wo man lauter Nächstenliebe predigte.
Vielmehr fungierte die Frauenkirche in den Jahren vor ihrer Zerstörung
als Sakralbau der „Deutschen Christen“, eine hitlertreue, antisemitische
und rassistische Gemeinschaft innerhalb des Protestantismus. Die Deutschen
Christen wollten die Protestanten insgesamt in die NS-Ideologie einbinden.
Sie befürworteten die nationalsozialistische Politik, und damit Krieg,
Verbrechen, letztlich den Holocaust.
„Was wohl hätte ein Pfarrer am Dresdner Dom der Deutschen Christen
im Februar 1945 getan, hätte sich etwa ein Zwangsarbeiter ins Gotteshaus
geflüchtet?“, fragt rhetorisch Matthias Neutzner, Vorsitzende der
„IG 13. Februar“. Es wäre dringend zu klären, wie sich dieses Kapitel
der Geschichte des Mahn-Ortes Frauenkirche in das Gedenken integrieren
ließe. Bislang wird es verschwiegen.
Auschwitz neben Dresden
Ähnlich problematisch ist das Stelenfeld auf dem Heidefriedhof, Dresdens
zweiten wichtigen Mahn-Ort, wo wie in jedem Jahr auch letzte Woche
die zentrale Kranzniederlegung zum Gedenken an den 13. Februar 1945
unter Anteilnahme von viel Prominenz aus dem In- und Ausland stattfand.
Und Abgesandter der NPD. Diese sorgte vor zwei Jahren im Landtag für
einen kalkulierten Eklat und internationale Empörung, als ihr Abgeordneter
Jürgen Gansel die Luftangriffe als Bomben-Holocaust bezeichnete und
sie so gleichsetzte mit dem Völkermord der Nationalsozialisten an
den europäischen Juden.
Umso bedenklicher, wenn diese Gleichsetzung zumindest in memorial-ästhetischer
Hinsicht auch in die Aussage des Mahnmals auf dem Friedhof hineininterpretiert
werden kann: Auf den 14 Stelen des Rondells finden sich als symbolische
Anklage von NS-Kriegsverbrechen die Namen der von der Wehrmacht zerstörten
Orte Coventry, Leningrad, Rotterdam und Warschau, der Massaker-Schauplätze
Lidice und Oradour, der Konzentrationslager Auschwitz, Dachau, Buchenwald,
Theresienstadt, Ravensbrück, Bergen-Belsen, Sachsenhausen – und der
Name Dresden.
Freilich hatten die Initiatoren des Mahnmals 1965 alles andere als
eine Gleichsetzung von Holocaust und alliierter Luftkriegsführung
im Sinn. Und zweifellos nutzen es die meisten Menschen als memoriales
Symbol dafür, dass man der Opfer der NS-Verbrechen gedenken muss,
aber auch an die eigenen erinnern darf. Das ändert jedoch nichts daran,
dass die Stelen eine gefährliche Gleichsetzungsinterpretation zulassen.
Ein Unzustand, der baldmöglichst beseitigt werden sollte. Etwa durch
eine erklärende Überarbeitung – oder das Entfernen der „Dresden“-Stele.
Der Eignung des Rondells als Mahn-Ort wäre das keineswegs abträglich.
Unschuldige und Mitschuldige
Gerade dessen Problematik weist darauf hin, was ein zentrales Denkmal
am Altmarkt mindestens leisten sollte: Der historische Kontext der
Luftangriffe muss samt seiner Ursachen bis 1933 wiedergegeben werden.
Ebenso, dass hier auch Mitschuldige ums Leben kamen, nicht nur Unschuldige,
und unter Letzteren sich etliche Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter
befanden. Der Krieg war ein universelles Phänomen. Auch dafür stehen
die verbrannten Toten vom Altmarkt.
Das Stelenfeld auf dem Dresdner Heidefriedhof ist ein wichtiger
Ort des Gedenkens an den 13. Februar 1945. Foto: Robert Michael
Hofkirche: von
Friedrich Press stammt der moderne Altar in einer Seitenkapelle mit
der Pieta "Maria mit dem toten Jesus" als Mahnmal für alle Toten.
Die moderne Skulptur aus Meissner Porzellan dient seit
1976 dem Gedächtnis der Opfer des 13. Februar und aller ungerechten
Gewalt.
"Der Dresdner Bildhauer Friedrich Press (1904-1990) schuf mit
der Schmerzensmutter, die ihren toten Sohn auf dem Schoß hält, ein
beeindruckendes Mahnmal millionenfachen Leids. Die weitaufgerissenen
Augen Marias haben anscheinend sogar das Weinen verlernt. Auf ihren
Händen hält sie die Trümmer des Krieges, die sich zu einer Dornenkrone
zusammensetzten. Die aufklaffende Seitenwunde des vom Kreuz abgenommenen
Christus kündet von seiner unendlichen Liebe, die uns trotz Krieg
und Hass von Schuld freispricht und Versöhnung anbietet. Allein die
Liebe kann den Teufelskreis der Vernichtung durchbrechen. Der frei
im Raum stehende Blockaltar zeigt am unteren Rand Totenköpfe, aus
denen Feuerflammen schlagen. Sie erinnern an das brennende Dresden."
Zitat aus: www.bistum-dresden-meissen.de - (Foto: Reinhard Sudy)
Ruine Trinitatiskirche 2006
"Großer trauernder Mann, den Opfern des 13. Februar 1945
gewidmet"
Bronzeskulptur von Wieland Förster 1983 - Seitenansicht 1990
ursprünglich auf dem Georg-Treu-Platz aufgestellt.
zurück
zu News
|