Sächsische
Zeitung
09. Juni 2008
Die Bergung des Dinglingerbrunnens
Von Jochen Hänsch
Werner Hempel fügte 1966 aus Bruchstücken
den Brunnen wieder zusammen. Seitdem steht er am Gewandhaus.
Eines der bekanntesten Häuser des Barock
war das Dinglingerhaus in der Frauengasse9. Im Hof, der beiderseitig
von offenen Bogengalerien umgeben war, befand sich ein künstlerisch
wertvoller Wandbrunnen, der ein mit schmiedeeisernem Gitter versehenes
Fenster umbaute. Er entstand nach 1718. Wahrscheinlich stammt der
Entwurf des Brunnens von Dinglinger selbst. Von antiker Meeresfantasie
geprägt, die zur Zeit Augusts des Starken Mode war, bildeten Putten,
ein Tritonskopf, Delfinflossen und Blumenranken den plastischen Schmuck.
Der Öffentlichkeit war der Brunnen kaum zugänglich.
Private Interessen angemeldet
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verkam der Brunnen zusehends, führte
kein Wasser mehr. 1945 überlebte mit dem Haus auch dieser Hofbrunnen
die Zerstörung der Stadt nicht. Niemand, der es nicht miterleben musste,
kann sich die Zerstörung der Stadt durch die Bombenangriffe 1945 vorstellen.
Das trifft auch für die Zerstörung unzähliger Kunstwerke, wie auch
den Dinglingerbrunnen zu. Die Reste des zerstörten Brunnens waren
unter meterhohem Trümmerberg begraben.
In dieser Situation gab es zwei unterschiedliche Interessenlagen.
Die Eigentümerin des zerstörten Brunnens versuchte, aus dem Kunstwerk
privates Kapital zu schlagen. Denkmalschützer der Stadt Dresden bemühten
sich, die Brunnenreste zu dokumentieren und so vielleicht für die
Nachwelt zu erhalten. Sie legten die Reste des Brunnens frei und hielten
die übrig gebliebenen Bruchstücke in Aufzeichnungen fest.
Das Kunstdenkmal erhalten
Im Stadtarchiv Dresden ist nachweisbar: Mit den Bergungsarbeiten wurde
am 16. Juni 1946 begonnen und am 29. Juni 1946 wieder aufgehört. Die
Fortsetzung der weiteren Bergungsarbeiten fanden statt vom 18. bis
23.März 1948 und vom 7.April bis 16.August 1949. Durch den Einspruch
einer Frau Wirthgen, Alleinerbin des nach dem Luftangriff auf Dresden
verstorbenen Drogeriebesitzers Ernst Wirthgen, vom 27. August 1946
wurden die Bergungsarbeiten unterbrochen. Im September 1946 war noch
das sehr schwere, aus einem Stück gearbeitete Brunnenbecken zu bergen.
Durch das Nachgeben eines Gitters waren Trümmermassen auf das Becken
gefallen. Das Sandsteinmaterial hatte durch das Ausglühen schwer gelitten.
Eine Bergung des Beckens vor dem Winter war dringend erforderlich.
Nach dem Gesetz zum Schutze von Kunst- und Kulturdenkmälern hatte
eine Aufsichtsbehörde darüber zu wachen, dass die Kunstdenkmäler nicht
in einen Zustand geraten, die ihren Bestand gefährden. Die Behörde
war berechtigt, den Eigentümer zu Sicherungsmaßnahmen innerhalb einer
bestimmten Frist aufzufordern.
Das Denkmalpflegeamt stellte der Eigentümerin deshalb über deren Anwalt
eine Frist von vier Wochen zur Bergung des Beckens. „Wenn aber Ihre
Mandantin sich von vornherein darüber im klaren ist, diese Bergung
nicht durchführen zu können, so muss uns dies umgehend mitgeteilt
werden, damit die Bergung von uns in die Wege geleitet wird.“ Die
Bergung ging weiter. Der damals vorrangig an der Bergung beteiligte
Denkmalschützer Rosenlöcher vermerkt am 18.Juni 1949: „Die Bergung
der restlichen Teile des Brunnens kann nach Rücksprache mit Herrn
Landrat Leucht im Rahmen der allgemeinen Bergung durchgeführt werden.“
Knapp ein Jahr später, am 24.April 1950 stellt das Landesamt für Denkmalpflege
zum Zustand des Brunnens fest, dass eine Aufstellung im Freien nicht
mehr möglich sei. Wenn das dennoch geschehe, solle der Brunnen ergänzt
und in wetterfestem Kirchleitner Sandstein kopiert werden. Als Kosten
für die notwendige künstlerische Ergänzung werden 3 800 Mark angegeben,
für die Kopie von Teilen 9400 Mark.
Das Ziel der Eigentümerin, Gewinn aus dem Brunnen zu ziehen, reichte
bis in das Jahr 1951. Ihre jetzigen Rechtsanwälte Dolze und Bauer
schreiben an die Rechts- und Einspruchsstelle des Rates der Stadt
und bieten den Kauf dieses Brunnens an. Ihre Mandantin, Frau Wirthgen,
beabsichtige, sich von diesem Brunnen zu trennen. In Betracht gezogen
wird auch eine „Veräußerung des Brunnens an außerhalb der Ostzone
liegende Käufer“. Die Anwälte wollen wissen, ob dem „gesetzliche Hindernisse
entgegenstehen“.
Schließlich bleibt der Brunnen doch in Dresden. Als 1963 bis 1966
das Gewandhaus neu aufgebaut und als Hotel genutzt wurde, fügte man
den ehemaligen Hofbrunnen an einem Fenster auf der Westseite des Gewandhauses
ein und machte ihn so der Öffentlichkeit wesentlich besser zugänglich,
als das ursprünglich der Fall war. Er wurde aus den Bruchstücken des
zerstörten Brunnens durch Werner Hempel restauriert. Die Einweihung
des Gewandhauses fand am 17. Januar 1967 statt.
Beim Umbau des Gewandhauses in den 1990er Jahren blieb der Brunnen
unverändert.
2
Fotos
Das Dinglingerhaus
Das Dinglingerhaus stand auf der Dresdner Frauengasse 9 und gehörte
dem Goldschmied Johann Melchior Dinglinger.
Geschmückt war das Haus mit allerlei technischem und künstlerischem
Zierrat.
Berühmt war vor allem der Altan, der über das ganze Haus ging, ein
flaches Dach, das mit großen steinernen, durch Pumpwerke zu füllenden
Zisternen und nett ausgehauenen Steintrögen mit vielen künstlichen
Wasser spritzenden Figuren ausgeschmückt war.
Hier befand sich auch ein Observatorium mit Instrumenten, Windfängen
und Windfahnen, mittels derer im unteren Geschoss die Stärke des Windes
angezeigt wurde.
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Geborgene Einzelteile
vom Dinglingerbrunnen, Aufnahme nach 1945, Quelle: Deutsche Fotothek
/ SLUB
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