Sächsische Zeitung
15. Dezember 2008


„Stadt Rom“ – Hotel und Familienrestaurant
Von Andreas Them

Anfang der 1830er-Jahre stand der gestandene Gasthofpächter Heinrich Eichler vor einer neuen Herausforderung. In wenigen Monaten sollte sein Vertrag zur Bewirtschaftung vom „Hotel de Russie“ (Wilsdruffer Gasse) auslaufen. Schon längst verfolgte er Pläne zur Eröffnung eines neuen, vornehmen Hotels. Am Dresdner Neumarkt fand er schließlich ein repräsentatives Gebäude – das im Jahre 1773 errichtete Flemming’sche Palais. Es befand sich am Eingang der Dresdner Moritzstraße, in unmittelbarer Nachbarschaft des sich bereits etablierten „Hôtel de Saxe“.

In einem Gesuch an den Dresdner Stadtrat bat Eichler um die erforderlichen Genehmigungen. Es folgte eine Umfrage unter den bereits etablierten Dresdner Hotel- und Gasthofbesitzern. Jene befürchteten natürlich eine neue, geschäftliche Konkurrenz. Im Jahre 1832 besäße Dresden dann 41 derartiger Einrichtungen. Sie baten, dieses „Gesuch abfällig zu bescheiden“. Ihre Argumente waren aber nicht erfolgreich. Am 1. April 1833 wurde das Hotel „Stadt Rom“ eröffnet. Nur wenige Jahre später gehörte es zu den empfehlenswertesten Gasthäusern in Dresdens Altstadt.

Hauptquartier der Revolution

Die wohl schwerste Zeit hatte das Hotel während der Revolutionsjahre 1848/1849 zu überstehen. Das Gebäude wurde als Hauptquartier der aufständischen Bevölkerung genutzt. Bekannte Dresdner Revolutionäre, wie Richard Wagner oder Michael Bakunin, wirkten hier. Bei der Erstürmung des Gebäudes – durch die zu Hilfe gerufenen preußischen Truppen – wurden Bausubstanz und Einrichtung stark beschädigt.

Umfangreiche Renovierungen folgten. Bereits im Jahre 1852 wurde es wieder als Hotel ersten Ranges in den Reiseführern empfohlen. Im gleichen Jahr übernahm auch Heinrich Eichlers Sohn zunächst in Pacht die Bewirtschaftung des Gebäudes. Bis zum Jahre 1865 blieb es unter der familiären Leitung. Zahlreiche andere Besitzer und Pächter sollten in den nächsten Jahrzehnten folgen. Ende der 1870er-Jahre verfügte es über 50 Fremdenzimmer. Im Unterschied zu vielen anderen Hotels der Stadt waren hier die „Tarife“ für bestimmte Leistungen in „jedem Zimmer angeschlagen“.

Das tägliche gemeinsame Mittagsmahl, die „table d’hôte“ fand in jener Zeit von 13.30 Uhr bis 15 Uhr statt. Zur Entspannung bot es den Gästen des Hauses ein Lesezimmer mit einer reichhaltigen Auswahl an Tagespresse und Literatur an. So ist es aus einem Inserat aus dem „Hotel-Adress-Buch für Sachsen“ zu entnehmen.

Der Hotelier Fritz Eisenreich umwarb 1884 die zahlreichen Geschäftsreisenden mit mäßigen Preisen. Sein Nachfolger Max Otto baute sich neben dem Beherbergungsbetrieb ein zweites gastronomisches Standbein auf. Er richtete im Parterre „eine mit Weinstube verbundene Weinhandlung“ ein. Die Dresdner Weinliebhaber schätzten das reichhaltige Angebot. Im Jahre 1895 kosteten bei ihm ausgeschenkte Weine vom Fass je Glas 20 bis 30 Pfennig. In jenen Jahren wurde auch das Weinrestaurant bedeutend vergrößert. Bei „Prima Engl. und Holländische Austern“ ließ man es sich gut gehen.

Bayrische Bierhalle eröffnet

Um 1900 ist Gustav Illing der Besitzer vom „Stadt Rom“. Er bemühte sich, an die Traditionen seines Vorgängers anzuknüpfen. Weiterhin wurden Weine außer Haus geliefert. Doch das große Weinrestaurant im Hause rentierte sich nicht mehr. Im Dezember des oben genanntes Jahr wurden hier die „Echt bayrische Bierhalle“ eröffnet. Hier gab es Biere von „Sandler“ und „Culmbach“. Der halbe Liter kostete damals 20 Pfennig. Sein Nachfolger Albin Krönert eröffnet dann vier Jahre später einen Spezialausschank des Münchner Pschorrbräu. Die Lokalitäten im Parterre und der ersten Etage wurden gründlich umgestaltet. Der bisherige Hof wurde überdacht und ein Wintergarten geschaffen.

Im Dezember 1904 erschien schon wieder ein neuer Pächtername. Hierbei handelte es sich um den Hotelier Wilhelm Schönheit. Zur selben Zeit begann auch eine große Kampagne der Veröffentlichung großer Werbeannoncen in der örtlichen Tagespresse. So ist zu erfahren, dass ein „Großes Familien- u. Speisen-Etablissement I. Ranges, parterre und 1. Etage“ mit einer „vorzüglichen Küche zu soliden Preisen“ einlud. Das Diner war ab einer Mark aufwärts zu haben. Es gab auch Abonnementpreise für die Stammgäste. Hier kosteten zwölf Diners insgesamt elf Mark.

Jeden Abend wurden, von sechs Uhr an, Spezialgerichte angeboten. Besonders für die abendlichen Theater- und Konzertbesucher wurden nach Schluss der Veranstaltungen kleine Soupers und „kalte Schüsseln“ angeboten. Natürlich stand auch eine reichliche Auswahl von Speisen à la carte bereit. Aus dem Jahre 1909 ist zu erfahren, dass die Restaurationslokalitäten nun über eine „Elektrische Lichtanlage“ verfügten. Erstmals wurde nun auch Radeberger Bier angeboten. Der neue Hotelbesitzer Fritz Loos wird vier Jahre später hier einen Spezialausschank der Feldschlösschen-Brauerei errichten.

Zerstörung im Jahre 1945

Der Hotelbetrieb wurde in den vielen Inseraten immer weniger erwähnt. Ein Trend, der sich schon seit der Jahrhundertwende abzeichnete. Schon längst zählten neu erbaute Hotelpaläste zu den führenden Häusern der Stadt. Trotzdem teilte „Stadt Rom“ nicht das Schicksal vieler anderer historischer Gasthofgebäude. Jene hatten die ehemaligen Fremdenzimmer als Wohnungen oder Büroräume umbauen lassen. Nur der Restaurantbetrieb wurde weiterbetrieben. Auch in den Zeiten zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg war es die Übernachtungsadresse für viele reisende Geschäftsleute.

Vor der Zerstörung im Februar 1945 konnte es auf eine fast hundertzehnjährige Tradition verweisen. Derer gab es nur noch sehr wenige in Dresdens Altstadt.



ein Foto aus der Sammlung Naumann




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