Sächsische
Zeitung
19. März 2009
Die Architekten des modernen Neumarkts
Das Bürohaus neben dem Kulturpalast sorgt weiterhin für Streit.
Was spricht für den Bau und was dagegen?
Das Preisgericht hat unter 17 eingereichten Wettbewerbsarbeiten den
Entwurf des Dresdner Büros F29 Christian Schmitz + Peter Zirkel einstimmig
ausgewählt.
Was ist an der Arbeit so gut?
Der erste Preis ist aus Sicht der Jury (Fotos) die überzeugendste
Lösung für den Umgang mit dem Umfeld, erläutert Oliver Stolzenberg,
Vorsitzender des Preisgerichts. Insbesondere die Modellierung des
Baukörpers werde dazu beitragen, dass sich das Gebäude gut einfügen
werde. In unmittelbarer Nachbarschaft stehen der denkmalgeschützte
Kulturpalast und die Wohnbebauung an der Wilsdruffer Straße. So habe
sich der Fokus der Architekten nicht allein auf den historisierenden
Wiederaufbau rund um die Frauenkirche gerichtet. Ziel des Wettbewerbes
war die Gestaltung eines zeitgemäßen Gebäudes an dem sensiblen Standort.
Wer wählte die Architekten?
Der Wettbewerb wurde im Einvernehmen von Investor und Stadt durchgeführt,
sagt Stadtentwicklungsbürgermeister Jörn Marx (CDU). Sieben Büros
hatte der Investor ausgewählt. 13 weitere, die die Ausschreibungskriterien
erfüllten, wurden per Los entschieden. Für die Gesellschaft historischer
Neumarkt steht fest, dass die Vorauswahl der teilnehmenden Architekturbüros
und der Jury seitens der Verwaltung zu diesen „Zwangsergebnissen“
geführt habe. „Die Jury hat auf eklatante und provozierende Weise
gegen die vom Stadtrat gebilligte Gestaltungssatzung für den Neumarkt
verstoßen“, schreibt Vorstand Torsten Kulke.
Wer gehörte zur Jury?
Die Jury besteht aus den vier oben genannten Fachpreisrichtern sowie
den Sachpreisrichtern. Das waren der Gesellschafter und der Geschäftsführer
der Unternehmensgruppe KIB sowie der CDU-Stadtrat Patrick Schreiber,
der zugleich Mitglied des Stadtentwicklungsausschusses ist. Als sachverständige
Berater fungierten der Denkmalpfleger Heinrich Magirius und Anja Heckmann
vom Stadtplanungsamt. Der Bauausschuss hat letztlich über die Zusammensetzung
der Jury entschieden. Es lagen dazu mehrere Vorschläge vor.
Warum Kubus-Architektur?
Die Jury hat einseitig „grobe Kubus-Architektur“, kritisiert Kulke
und fordert, den Wettbewerb wieder aufzuheben. Das sieht Bürgermeister
Marx anders: Mit dem prämierten Ergebnis werde weder gegen die Gestaltungssatzung
noch den Auslobungstext verstoßen. Mansarddächer beispielsweise seien
nur für Bereiche, die den Neumarkt direkt umschließen, vorgeschrieben.
„Der Siegerentwurf sieht einen differenzierten Baukörper vor, der
in seiner plastischen Ausformung die Kleinteiligkeit der Umgebung
aufgreift“, sagt Marx.
Wie geht es nun weiter?
Es wird jetzt ein vorhabenbezogener Bebauungsplan erarbeitet. Der
wird in Ortsbeiräten und Ausschüssen diskutiert. Marx plädiert für
einen offenen Dialog mit allen Beteiligten.
www.sz-online.de/nachrichten/fotos.asp?artikel=2105547
(Siegerentwurf, Jurymitglieder)
Leserbriefe
In
die Debatte um die Bebauung des Neumarktes mit Moderne bringen sich
auch Dresdner Architekten ein. Wir veröffentlichen Auszüge aus ihren
Meinungen:
Siegerbeitrag
ergänzt mit dem Blick nach vorn
Der Siegerbeitrag von f29 Architekten ist eine sensible Auseinandersetzung
mit der Maßstäblichkeit der Umgebung am Neumarkt und gewinnt gegenüber
den anderen Projekten gerade dadurch. Er ergänzt die zum großen Teil
rückblickende Wiederbebauung des Dresdner Neumarkts mit einem Blick
nach vorn. Und das ist gut so.
Ulrich Kölle, Barcelona
Dieses
Bauwerk wirkt unpassend und brutal
Ich teile die Meinung der hoffentlich zahlreichen Negativisten und
finde das Bauwerk an dieser Stelle unpassend und brutal. Ich hoffe,
es wird durch Änderung des Entwurfes noch sensibel eingelenkt und
einer weiteren Verunstaltung der Innenstadt vorgebeugt.
Mathias Bernhardt, per E-Mail
Zwischen
Alt- und Neumarkt richtig platziert
Den ausgewählten Entwurf finde ich am Übergang zwischen Altmarkt und
Neumarkt genau richtig platziert. Der Gesellschaft Historischer Neumarkt
Dresden e.V. möchte ich dringend empfehlen, sich fortschrittlicherem
Bauen und Gestalten in Dresden endlich ein wenig mehr zu öffnen und
über den Tellerrand zu schauen. Altes und Modernes können durchaus
wunderbar zusammen passen und sich ergänzen kann. Beispiele lassen
sich neben Ulm, Freiburg ausreichend auch an andren Orten finden.
Ehrhard Kubin, per E-Mail
Moderne
und die Historie aufzeigen
Ich bin nun immer wieder sehr verwundert darüber, dass es in Dresden
nicht möglich ist, Geschichte neu zu schreiben. Wenn eine Stadt wie
Dresden ihre gewaltige historische Aufgabe, auch in Hinblick auf das
Weltkulturerbe, vollends erfüllen will, so kann man gar nicht umhin,
die Moderne mit der Historie zu zeigen.
Reiner Petri, 01277
Spannender
Übergang zwischen den Räumen
Wieder einmal hat die „Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden
e.V.“ angesichts des preisgekrönten Wettbewerbsentwurfs für die Bebauung
zwischen Kulturpalast und Heinrich-Schütz-Residenz (Quartier V/1)
ein großes Wehgeschrei angestimmt und sich damit als Zeitgeistblockierer
präsentiert. Dabei vermittelt der Siegerentwurf überzeugend zwischen
der Formensprache der Bauten an der Wilsdruffer Straße und der am
Neumarkt und kann einen spannenden Übergang zwischen diesen beiden
städtischen Räumen schaffen. Sensibel eingefügte Neubauten als funktionelle
und formale Widerspiegelung des 21.Jahrhunderts dürfen nicht zum Störfaktor
degradiert werden, sondern müssen als spannungsschaffendes Pendant
zu den historischen Formen wirken. Deshalb mein Aufruf an das Stadtparlament:
Vertraut mehr auf die Meinung der Fachleute in dieser Stadt und setzt
nicht politisch motivierte Entscheidungen an die erste Stelle.
Heike Fischer, 01108
Leserbriefe
geben nicht die Auffassung der Redaktion wieder. Sie sind persönlichen
Meinungen. Post an: SZ-Stadtredaktion, Ostra-Allee 20, 01067 DD bzw.
sz.dresden@dd-v.de.
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