Mittwoch, 18. November 2010
(Sächsische Zeitung)


British Hotel – ein geschichtsträchtiges Haus

Das Gebäude am Neumarkt wird in der nächsten Woche übergeben und als Ferienresidenz genutzt. Architekt Volker Röhricht stellt die Geschichte vor.

Das British Hotel an der Landhausstraße nimmt unter den wieder zu errichtenden Gebäuden am Dresdner Neumarkt neben der Frauenkirche eine ganz besondere Stellung ein. Es verfügt, nebst dem Palais de Saxe, über die einzige ganz in Sandstein errichtete Fassade. Sie blieb nach ihrer Zerstörung im Jahre 1945 in so umfangreichem Maße in Einzelteilen erhalten, dass es möglich war, sie vollständig und authentisch wiederherzustellen. Auch die eigenwillige Fassadengestaltung dieses Gebäudes ist bemerkenswert.

Das Quartier von 1350 – 1550

Das Grundstück, auf dem heute die Hapimag Stadtresidenz British Hotel steht, lag im Mittelalter vor den Toren der Stadt. Hier befand sich der "See vor dem Frauentor", der bis 1350 allmählich verlandete, sodass das Gelände als Bauland genutzt werden konnte. Einzelne Keller unter dem benachbarten "Hotel de Saxe" zeigten, dass rund um das British Hotel seit etwa 1400 gesiedelt wurde. Eine intensive Bebauung entstand jedoch erst um 1550, als mit der Schleifung der Frauentorbefestigung und der Anlage des Neumarkts das Gebiet ins Zentrum der Residenzstadt rückte.

Berühmtester Bewohner dieses Grundstücks war Nicolaus Crell, Kanzler des Kurfürsten Christian I. Später waren Grundstück und Bebauung in den Händen der Grafen von Kintzky und der Freiherren von Rechenberg. Im Zeitalter Augusts des Starken wandelte sich der Neumarkt unter dem Einfluss des Barock. Vor der Bebauung am Neumarkt wurde Alt Dresden neu gestaltet und zur "Neuen Königlichen Stadt" am anderen Elbufer.

Residenz von Beichlingen

In den Jahren 1712 bis 1715 wurde das Palais Beichlingen als Stadtwohnsitz für den Oberfalkenmeister Gottlob Graf von Beichlingen und seinen Bruder errichtet. Wegen seiner Nähe zum Schlossbezirk war es für die Mitglieder des Hofes attraktiv, sich dort ein Palais zu bauen. Die Adelsfamilie gehörte zu den reichsten Grundbesitzern in Sachsen. Wahrscheinlich sollte die außergewöhnliche Architektur die herausragende Stellung der Grafen von Beichlingen betonen.

Die Baupläne für das Palais wurden von den bekannten Dresdner Baumeistern, dem Ratszimmermann und späteren Architekten der Frauenkirche George Bähr, und dem Amtsmaurermeister George Haase in Werksgemeinschaft erstellt und ausgeführt. Das Palais war ein sogenanntes "Durchhaus". Die Gebäudestruktur erstreckte sich von der Moritzgasse (heute Moritzstraße) bis zur Pirnaischen Gasse (heute Landhausstraße) durch das Quartier hinter dem Hotel de Saxe. Seine Hauptfassade war in der Moritzgasse, an der Pirnaischen Gasse lag die rückwärtige Fassade.

Im Unterschied zu anderen Adelspalais waren beide Fassaden mit einer bewegten Sandsteindekoration überzogen und übertrafen so an Aufwand und Detailfülle alle anderen Bauten des Neumarkts. Die kolossalen Säulen- und Pilasterstellungen waren für die Dresdner Barockarchitektur eine absolute Ausnahme. Hofdurchgänge, Wohnräume zur Straße und zum Hof, Nebenzimmer in den Seitenflügeln und die seitlich angeordnete, dreiläufige Treppe erinnerten im Gegensatz zur Fassade eher an den Grundriss eines Bürgerhauses. Der Historiker Johann Christian Hasche (1744 bis1827) nannte das Gebäude seinerzeit auch ein "Meisterstück der Baukunst im Seltsamen".

1752 hatte Rahel Louise Gräfin von Werther das British Hotel für stolze 16000 Reichstaler gekauft. Seit diesem Jahr soll das Doppelwappen im Segmentbogengiebel die Wappen von Ludwig Gebhard Graf von Hoym und Rahel Louise Gräfin von Werther gezeigt haben.

Im Siebenjährigen Krieg befindet sich das Gebäude im Zentrum des preußischen Bombardements vom Juli 1760. Auch wenn das Haus in der Literatur als "abgebrannt" bezeichnet und ein Verlust von 13000 Reichstalern angegeben wird, muss dies bezweifelt werden. Denn gemessen an der Kaufsumme käme dies fast einem Totalverlust gleich. An der Hauptfassade deutet nichts auf einen solchen hin. Es könnte sein, dass hier eine Verwechslung mit dem ehemaligen Hauptgebäude Moritzstraße, Palais de Saxe, vorliegt. Es war stärker zerstört.

Neue Besitzer von 1800 bis 1833

Das Haus Pirnaische Gasse (British Hotel) blieb infolge Erbschaft bis 1800 im Besitz der Familie von Hoym und gelangte schließlich durch Erbfolge in die Hände der fürstlichen Familie von Reuss. Fürst Heinrich 72. von Reuss verkaufte es 1833 für 23 000 Taler an Carl Friedrich Moritz Schelcher.

Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich der Neumarkt dank seiner zentralen Lage zu einem bevorzugten Hotelstandort und zu einem reinen Geschäftsviertel. Die zahlungskräftigen Bewohner folgten dem Trend dieser Zeit und zogen in die neu entstehenden Villenviertel außerhalb der Stadt. Viele Gebäude des Neumarkts, auch viele Adelspalais, wurden Hotels oder Geschäftshäuser. Um der neuen Nutzung gerecht zu werden, wurden die meisten Erdgeschosszonen mehrfach umgebaut, um Läden oder Restaurants aufzunehmen.

Neue Funktion von 1833 bis 1945

Nunmehr in bürgerlichem Eigentum und mit Gasthofsgerechtigkeit versehen, öffnete 1833 im Haus Landhausstraße 6 das Hotel Englischer Hof. 1844 erwarb es der vormalige Pächter Johann Friedrich Hirsch. Die Namen Englischer Hof und British Hotel wechseln mehrfach. Für die Namensgebung gibt es zwei verschiedene Erklärungen. Das Landesamt für Archäologie schreibt in seinem Bericht Ausgrabungen auf dem Grundstück Palais Beichlingen/British Hotel, dass das British Hotel den bis heute geläufigen Namen ab 1835 bekam, weil es als Hotel vor allem auch für britische Reisende diente. Aus den Berichten von Denkmalschützer Bernd Trommler hingegen geht folgende Erklärung hervor: Die Bezeichnung dürfte weniger auf englische Gäste hinweisen als vielmehr auf einen Werbeeffekt. Denn in dieser Zeit wurden viele Hotels gegründet, so wollte man sich von den anderen Hotels abheben.

Im Jahre 1869 baute der Baumeister Hermann August Richter das Erdgeschoss des Hauses zu Verkaufslokalen und einem Restaurant um. Um 1900 wurde der Hotelbetrieb eingestellt, und in Teilen der Obergeschosse wurden eine Putzfedernfabrik, beziehungsweise eine Hutfabrikation untergebracht. Danach dienten die Obergeschosse bis zur Zerstörung im Februar 1945 als Geschäfts- und Vereinsräume sowie als Wohnungen.

Zerstörung und Fundstücke

Bereits nach 1945 wurde begonnen, die Fahrbahnen freizuräumen. Gefahren durch instabile Mauerreste wurden dabei notwendigerweise mit beseitigt. Der Wiederaufbau staatlicher Kulturdenkmäler begann bereits im Sommer 1945 mit dem Zwinger und der Hofkirche. Im Hinblick auf die Wiederverwendung von Architekturteilen oder ihre spätere museale Präsentation konzentrierte sich die städtische Denkmalpflege zunächst auf die Bergung bedeutsamer Fragmente. Diese wurden zunächst vorrangig von freiwilligen Helfern aus Schulen und Hochschulen geborgen. Sie listeten die geborgenen Bauteile auf, darunter wesentliche Teile der Fassade des British Hotel.

Mit der Arbeit Trommler/Tillner wurden 1984 diese Teile aus dem Ostflügel gesichtet, inventarisiert und sorgfältig im Fassadenriss artiert. Es stellte sich heraus, dass mit Ausnahme des Wappenfeldes alle Bauteile sowie jeglicher Zierrat mindestens einmal vorhanden waren und sich in die Fassade übertragen ließen.

Aufbau des British Hotels

1984 wurde erstmals die Möglichkeit untersucht, das British Hotel zu rekonstruieren. Am Ende der Arbeit konnten sowohl die Fassade als auch die Grundrisse rekonstruiert werden. Diese Ergebnisse sind in eine Studie eingeflossen, die einen damals realistischen Vorschlag zum Wiederaufbau darstellte. In ihr sind die Grundrissstrukturen des Erdgeschosses sowie die charakteristische Lage und Form des Treppenhauses und der Straßenfassade berücksichtigt worden. Eine Bestätigung, dass diese Arbeit von 1984 richtig war, erfolgte im Jahr 2007 mit dem zufälligen Auffinden eines vollständigen Grundrisses des Erdgeschosses und ersten Obergeschosses beider Gebäudeteile im Nationalmuseum Warschau. Nach mehreren Versuchen, für das Grundstück einen Käufer zu finden, konnte das bekannte Schweizer Unternehmen Hapimag als Bauherr für den anspruchsvollen Wiederaufbau des British Hotel gewonnen werden.

2003 wurde das Architekturbüro der Ipro Dresden von Hapimag mit den ersten Planungsschritten beauftragt. Basis der gemeinsamen Planung waren neben den Standortbedingungen viele Faktoren. So musste ein städtebaulicher Rahmenplan zur Wiedererrichtung des British Hotel als Leitbau erstellt werden, die besonderen Verpflichtungen des Bauherrn mussten im Kaufvertrag berücksichtigt, die für eine Hapimag Stadtresidenz nötigen Funktionen eingeplant und die Planungsgrundlagen zur Entscheidungsfindung erfasst werden.

Als erster Arbeitsschritt wurde das Landesamt für Archäologie mit den archäologischen Grabungen beauftragt. Der freigelegte Bestand des Kellermauerwerkes war bestimmend für die weiteren Planungsschritte.

Fassadenschmuck

Für den Sandsteinschmuck wurden 30 der 78 nach dem Krieg geborgenen Fassadenteile wiederverwendet. Neben der großen Wappenkartusche finden sich weitere bedeutende bildkünstlerische Arbeiten an der Fassade: die vier plastischen Büsten über dem zweiten Obergeschoss, die aus Sandstein gefertigt waren. Auch wenn diese Plastiken des Öfteren als römische Kaiserbüsten interpretiert wurden, handelt es sich doch eindeutig um Götterplastiken. Dies geht aus den gefundenen Fotos hervor.

Baustart mit Verzögerung

Mitte Oktober 2007 erhielt Hapimag vom Dresdner Stadtrat die Baugenehmigung für den Bau des British Hotel. Mit dem Erhalt der Baugenehmigung ging das Grundstück an der Landhausstraße6 in den Besitz von Hapimag über.

Am 8.Dezember legte das Unternehmen den Grundstein für die Stadtresidenz. Bis am 9.Februar 2008 gingen die Bauarbeiten voran. Dann hatte das Verwaltungsgericht Dresden auf Betreiben der Eigentümerin des Nachbargrundstücks in einer vorläufigen Entscheidung die Vollstreckbarkeit der Baugenehmigung für das Hapimag Bauvorhaben sistiert, was zur Einstellung der Bauarbeiten führte. Erst im September 2009 konnten die Arbeiten wieder begonnen werden.

Der gekürzte, leicht bearbeitete Text von Bernd Trommler und Volker Röhricht stammt aus dem Jahrbuch 2010 "Die Dresdner Frauenkirche", das von der Gesellschaft zur Förderung der Frauenkirche jährlich herausgegeben wird.)


ein Foto

 

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