Samstag,
20. Februar 2010 (Sächsische Zeitung)
Hier
schreiben die Leser zum Dresdner Neumarkt
Die 3-D-Visualisierung zeigt, wie sich die Gesellschaft Historischer
Neumarkt Dresden die weitere Bebauung am Neumarkt vorstellt. Rechts
im Bild das Verkehrsmuseum. Visualisierung: Andreas Hummel
Zu „Was läuft schief am Dresdner Neumarkt?“, vom 18. Februar:
Die Schönheit ergibt sich aus der Vielfalt der Baustile
Endlich stellt mal jemand den Gesamtstand dar. Bei allen aufgeschlossenen
und nach vorn orientierten Menschen macht sich Dresden mit der IG
Neumarkt langsam lächerlich. In Dresden wurde immer zeitgenössisch
und sehr modern gebaut. Man mache einen Spaziergang vom Schloßplatz
über den Theaterplatz zum Postplatz: Architektur von europäischem
Rang und vom Feinsten. Ein europäisches Freiluft-Architektur-Museum
von Weltrang. Die Schönheit ergibt sich aus der Vielfalt der Baustile.
Horst Uhlig, Dresden
Die Dresdner können sehr stolz sein
Seelenlose Investorenarchitektur aus Glas- und Stahlbauten sind in
aller Welt identisch, sind Orte, die man schnell durchläuft und wieder
vergisst. Die Berliner Friedrichstraße ist dafür ein beredtes Beispiel.
Kilometerweit suchen sie dort vergeblich ein gutes Café. So weit das
Auge reicht: austauschbare Großblöcke, lebensfeindlich, kalt und bar
jeder Ästhetik – gebaut von Investoren für Investoren mit einem Ziel:
Profitmaximierung! Dresden kann stolz sein auf jedes neu errichtete
historische Gebäude, ein Genuss für alle Sinne.
Michael Gast, Berlin
Ohne
die GHND gäbe es heutigen Neumarkt nicht
Wem
ist dieser Artikel nützlich? Dresden kann unendlich dankbar sein,
dass es Vereine wie die Gesellschaft Historischer Neumarkt (GHND)
gibt. Wäre es nach dem Stadtplanungsamt gegangen, hätten wir einen
komplett modernen, beliebigen und austauschbaren Neumarkt. Deshalb
ist die Intention des Textes der Autorin nicht ersichtlich! Keine
Erwähnung fanden zum Beispiel der Bundespreis für Stadtentwicklung
und Baukultur oder der Philippe-Rotthier-Preis für die beste Rekonstruktion
eines Stadtzentrums.
R. Krempkow, per E-Mail
Der
Neumarkt ist ein Stück Investorenarchitektur
Es war höchste Zeit, dieses Thema einmal anzusprechen. Ich bin es
leid, die immerwährenden negativen Stellungnahmen der Gesellschaft
Historischer Neumarkt Dresden zu hören, sobald auch nur Gedanken für
den Entwurf eines modernen Gebäudes im Dresdener Zentrum vorgestellt
werden. Leider wird diese Haltung befördert durch viele Beispiele
schlechter moderner Architekturentwürfe, an der sich dann die weitverbreitete
öffentliche Meinung vom qualitätsvollen Barocknachbau festmachen lässt.
Für große Teile der Dresdner Bevölkerung ist der wieder aufgebaute
Neumarkt eine wesentliche Quelle der Identifikation mit der Stadt,
er macht sie stolz auf ihre Stadt, als Kunden meiden sie aber den
Neumarkt zu großen Teilen, sicherlich die Folge relativ höherer Preise
infolge höherer Ladenmieten, wiederum infolge höherer Baukosten durch
vorgeblendete barocke Fassaden und aufwendige barocke Dachlandschaften.
Der Dresdner Neumarkt ist ein Stück Investorenarchitektur, bei der
sich wie bei jedem anderen Bauwerk die Investition „lohnen“ muss,
hier sind die zu realisierenden Preise eben höher.
Achim Ditzen, Dresden
Stadt selbst profitiert vom historischen Wiederaufbau
Die im Beitrag vom Baubürgermeister geäußerte Frage fordert sofort
die Gegenfrage heraus: „Glauben Sie, dass derartig viele Touristen
nach Dresden kommen würden, wenn Dresden nicht über seine wiedererstandene
fast geschlossene historische Bebauung verfügen würde?“ Von diesem
fast unangefochtenen Alleinstellungsmerkmal Dresdens in der Reihe
der deutschen Großstädte profitiert die Stadt in vielfältiger Hinsicht.
Es ist nicht nur die wichtigste Grundlage für den blühenden Dresdner
Tourismus und das lebendige Kongress- und Messewesen mit seinen wirtschaftlich
positiven Folgen. Es strahlt aus bis zur Wahl Dresdens als Wohn- und
industrieller Ansiedlungsort. Darüber hinaus bewirkt es die ausgeprägte
Verbundenheit weiter Bevölkerungskreise mit ihrer Stadt und ist Quelle
für eine erfreulich hohe Sensibilität gegenüber diesbezüglich ruinierenden
Einflüssen. Dass Dresden diesen städtebaulichen Fundus wiedererlangen
konnte, verdankt es in erster Linie solchen engagierten Menschen wie
den Wiedererbauern und Förderern der Frauenkirche und des Schlosses
sowie eben auch den Akteuren der Gesellschaft Historischer Neumarkt!
Dr. H. Hänel, Dresden
Zusammenarbeit könnte Zeit und Geld sparen
Die Verfasserin hat das Problem erkannt, dass die Stadt die GHND nicht
im Vorfeld in die Bau-Beratungen einbezieht, ja sie sogar schneidet,
sodass erst im Nachhinein scharfe Debatten geführt werden müssen,
um letztlich noch zu retten, was zu retten ist. Oftmals gelingt dies
im Rahmen des noch Möglichen. Der GHND ist am allerwenigsten daran
gelegen, immer den Querulanten „spielen“ zu müssen. Das hohe Spezialwissen
und die umfassenden Unterlagen der GHND werden nicht genutzt, die
wohlfeil allen zur Verfügung stehen. So passiert es fast ständig,
dass die Investoren den Zierrat der neu zu errichtenden Gebäude mehrmals
bearbeiten lassen müssen, da diese nicht den Anforderungen der abnehmenden
Denkmalpflege entsprechen. Der Diskussionsbeitrag von Herrn Marx ist
für einen Dresdner Baubürgermeister völlig unangemessen. Am Neumarkt
und im Bestand des historischen Dresdens braucht es standortsensible
erfahrene Architekten. Dort ist nicht unbedingt ein lukratives und
vor allem Lob einbringendes Feld für Stararchitekten. Aber wir brauchen
an anderen Orten sehr gute Architekten, und die kommen auch bzw. sind
schon da, wie die Bauten von Sir Forster, Benisch, Gerkan, Henn, Libeskind,
Kulka und, und, und beweisen.
Ernst-Heinrich Klöden, per E-Mail
Keine
Castingshow am Neumarkt
Die Dresdner wollen „ihren Neumarkt“, so wie sie „ihre Frauenkirche“
wiederhaben wollten. Es ist ihre letzte Chance. Diese Bauaufgabe braucht
ein Gefühl für das Ganze und die unbedingte Bereitschaft, sich ein-
und unterzuordnen, um das städtebauliche Gesamtkunstwerk zum Klingen
zu bringen. Das ist nicht das Ding von Stararchitekten oder solchen,
die sich dafür halten, die sich im Glanze der Frauenkirche mit dem
letzten modischen Schrei triebhaft Geltung verschaffen müssen. Der
Neumarkt ist zu schade für eine neue Castingshow „Dresden sucht den
Superstararchitekten“.
Dr. Peter Emmrich, Dresden
Heimatverbundenheit
lässt sich nicht vorschreiben
Wir sind entsetzt, wie die Gesellschaft Neumarkt dargestellt wird.
Nach Erkundigungen finanziert die GHND ihr eigenes Haus selbst, also
wo soll das Geld herkommen? Und dass auch noch Herr Blobel so hingestellt
wird, als würde er im Stillen die Fäden ziehen, ist doch wirklich
allerhand. Es muss doch wohl noch in Dresden möglich sein, seine Heimatverbundenheit
mit der Stadt zu zeigen, ohne dass Architekten und andere uns vorschreiben,
wie wir unsere Heimat sehen sollen! Wenn sogar Frankfurt am Main als
Multi-Kulti-Stadt von Dresden lernt (wie wir selbst bei einem Podiumsgespräch
erfahren haben), dann sollten wir stolz sein.
Robert Wissinger, per E-Mail
Den
nachfolgenden Generationen verpflichtet
Das
Thema Neumarkt hat in Dresden einen hohen Stellenwert. Doch sind wir
nicht nachfolgenden Generationen verpflichtet, etwas davon wieder
erlebbar zu machen? Die moderne Architektursprache passt nicht an
den Neumarkt, was man immer wieder an unzähligen Diskussionen merkt.
Deshalb sollten wir den Neumarkt original aufbauen und der modernen
Architektur Plätze wie den Postplatz zur Verfügung stellen.
Frank Nagel, per E-Mail
Mit
einem Bürgerentscheid die Streitereien beenden
Im Artikel kommt das ganze Dilemma zum Vorschein. Warum schafft es
die Stadt nicht, für den Neumarkt endgültig eine verbindliche Gestaltungssatzung
zu verabschieden, am besten auf Grundlage eines Bürgerentscheids?
Dann hören endlich die gegenseitigen Vorwürfe und Unterstellungen
auf!
P. Haroske, per E-Mail
Der
Neumarkt ist einer der schönsten Plätze Europas
Der Neumarkt in seiner jetzigen Form ist einer der schönsten Plätze
Europas, was wir zu einem Großteil der Gesellschaft Historischer Neumarkt
zu verdanken haben. Vom touristischen Mehrwert ganz abgesehen. Die
Stadt wäre gut beraten, die ganze Thematik in einer Satzung festzuschreiben.
M. Stenzel, per E-Mail
Von
Architekten selber preisgekrönt
Die
Autorin beschreibt in ihrem Text das „preisgekrönte Gewandhaus“. Hierzu
sollte man bemerken, dass es ausschließlich von Architekten selber
preisgekrönt wurde. Die Mehrheit der Dresdner war zu Recht gegen den
Bau.
Frank Röder, per E-Mail
Lieber
ein Disneyland als eine Betonwüste
Im vorliegenden Text erkennt man immer eine gewisse unterstellte,
subtile Rückwärtsgewandtheit.
Man kann davon ausgehen, dass die Mehrheit der Dresdner gegen aufdringliche
moderne Architektur am Neumarkt ist! Lieber ein Disneyland als eine
Betonwüste á la Postplatz!
Peter Vechter, per E-Mail
Den
großen „Kästen“ noch einmal entkommen
Es waren die „Barockfans“ , die am Neumarkt für eine qualitätsvolle
moderne Architektur gesorgt haben, indem sie stets gestalterische
Grenzen gefordert haben. Und wer jemals die Ergebnisse des „Atelier
Dresden Neumarkt 2000“ gesehen hat, der weiß, dass durchaus großformatige
„Kästen“ in Betracht gezogen wurden.
K. Schiller, Dresden
Leserbriefe
geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion wieder. Sie sind
die persönliche Meinung der Schreiber. Meinungen an: Sächsische Zeitung,
Ostra-Allee 20, 01067 Dresden bzw. sz.dresden@dd-v.de. Um möglichst
viele Zuschriften zu veröffentlichen, behalten wir uns das Recht auf
sinnwahrende Kürzung vor.
zurück zu News
|