Sächsische
Zeitung,
22. März 2010
Neue Pläne um Neubauten am Neumarkt
Von Bianca Deutsch und Bettina Klemm
Kurswechsel der Stadt am Neumarkt: Um die Bebauung des Gewandhausareals
zeichnet sich ein neuer handfester Streit zwischen der Gestaltungskommission
und der Gesellschaft historischer Neumarkt ab. Es geht um die Frage:
Soll die Fläche, auf der 1791 das alte Gewandhaus abgerissen wurde,
bebaut werden oder nicht? Ein alter Streit im neuen Gewand. Dabei
wollen CDU und FDP gerade mit einem eigenen Kompromissantrag den Stillstand
überwinden.
Der neue Vorschlag
Als Garant für eine gute Qualität am Neumarkt wurde die Gestaltungskommission
gebildet. Deren Mitglieder empfehlen nun der Stadt dringend, die Gewandhausfläche
zu bebauen. Alles andere wäre ein „Jahrhundertfehler“, heißt es in
einem Protokoll des Stadtplanungsamtes. Darüber informierte Stadtplanerin
Katrin Tauber am Dienstagabend im Ortsbeirat Altstadt. Sie unterstützte
diese Vorschläge.
Weil der Bau des von der Gestaltungskommission und den Stadtplanern
unterstützten modernen Gewandhauses keine Mehrheit fand, schlagen
sie nun vor, auf der Fläche Bürgerhäuser zu errichten. Die Baufläche
soll dazu um 22 Meter in Richtung Neumarkt-Mitte vergrößert werden.
Da es eine derartige Bebauung an dieser Stelle nie gegeben hat, sollen
die entsprechenden Fassaden zwar an die historischen Häuser angepasst,
aber modern gestaltet sein. Dazu müsse ein Fassadenwettbewerb organisiert
werden.
Der aktuelle Stand
Die Stadt hatte schon einmal einen Wettbewerb für diese Fläche ausgelobt.
Doch der Siegerentwurf der Stuttgarter Architekten Cheret & Bozic
für ein modernes Gewandhaus sorgte für Streit. Um ihn aus dem Oberbürgermeister-Wahlkampf
herauszuhalten, hatte der Stadtrat im Mai 2008 auf Anregung der FDP
beschlossen, die Fläche in den nächsten zehn Jahren nicht zu bebauen.
Das behinderte aber die gesamte Entwicklung am Neumarkt. Deshalb schlagen
jetzt CDU und FDP vor, die Gewandhausfläche für immer frei zu halten
und nur kleine Pavillons zu errichten.
„Die Baulücke muss schnellstmöglich geschlossen werden, sonst ist
der Neumarkt ein Torso“, sagt CDU-Stadtrat Hans-Joachim Brauns. Die
Westseite des Neumarktes sollte wie vor der Zerstörung 1945 aufgebaut
werden. Auch die von Gottfried Semper entworfene Ladenfront für das
Geschäft des Juweliers Moritz Elimeyer müsste konstruiert werden.
Die ehemalige Frontseite des Gewandhauses könnte durch eine grüne
Linie markiert und die historischen Kellergewölbe begehbar gemacht
werden.
Erste Reaktionen
„Die Vorschläge der Gestaltungskommission entsprechen nicht unserem
Antrag. Wir sind für die Bebauung, wie sie vor dem Krieg war“, sagt
Brauns. Unterstützung erhält er von der Gesellschaft Historischer
Neumarkt. „Die Gestaltungskommission will ein neues Disneyland schaffen.
Das schlägt dem Fass den Boden aus“, kritisiert deren Vorstand Torsten
Kulke. Der holländische Investorengruppe Kondor Wessels steht schon
seit Jahren als Investor bereit. „Wir wollen gern anfangen und brauchen
keinen neuen Streit“, sagt Arturo Prisco, der in Kondor Wessels Projektteam
mitarbeitet.
Neu belebtes Herz der Stadt für die einen, anonymes Disneyland für
die anderen: Der Dresdner Neumarkt ist wohl das umstrittenste Areal
der Landeshauptstadt. Nun gibt die Verwaltung mit einem neuen Vorschlag
für das Areal des Gewandhauses den Diskussionen neues Futter. Ansicht:
Stadtverwaltung
Das Bild zeigt den Komplex wie er bis 1945 aussah.
Foto: Gesellschaft historischer Neumarkt Dresden
Auf der Gewandhausfläche sollen Bürgerhäuser entstehen.
Im Modell sind sie grün markiert. Foto: Stadtverwaltung
Neuer Streit hilft niemandem
Bettina Klemm
Von Klemm.Bettina@dd-v.de
über die neuen Diskussionen ums Gewandhaus
Eins
muss man Stadtplanern und Mitgliedern der Gestaltungskommission lassen:
Sie sind beharrlich. Nach der Absage für den Bau eines modernen Gewandhauses
zaubern sie jetzt einen neuen Vorschlag auf den Tisch, um die Fläche
doch noch zu bebauen. Statt eines Gewandhauses sollen nun Bürgerhäuser
entstehen. Ihre Argumente sind die gleichen wie vor Jahren. Der barocke
Platz müsse gefasst werden, das Johanneum brauche ein Pendant.
Und schon jetzt ist klar, dass die Mitglieder der Gesellschaft historischer
Neumarkt laut aufschreien werden. Sie hatten einst Unterschriften
gesammelt, um den Gewandhausbau zu verhindern. Nicht ohne Grund hätten
Generationen zuvor 200 Jahre lang auf einen Wiederaufbau des Gewandhauses
verzichtet – und das nicht nur wegen des fehlenden Geldes.
Der neue Streit hilft nun niemandem. Er kostet nur wieder Zeit und
vergrault die Investoren endgültig. Die nun vorgeschlagenen Bürgerhäuser
sollen austauschbare Lochfassaden erhalten. Historisch könnte man
bestenfalls ihre Höhe und die vertikale Gliederung nennen. Sie passen
wohl besser zum Postplatz als zum Neumarkt. Und sie stärken all jene,
die vom Disneyland Neumarkt sprechen, denn jetzt soll sogar auf die
alten Grundrisse verzichtet werden.
zurück
zu News
|