Mittwoch, 16.Februar 2011
(Sächsische Zeitung)

Neue Pracht am alten Schloss

Von Peter Ufer

Die Fassade am Ostflügel des Schlosses ist fertiggestellt. Ab April können Gäste erstmals den Großen Schlosshof besuchen. Auch im Innern geht es voran.

Die Fassade des Ostflügels im Großen Schlosshof des Residenzschlosses ist fertig. Kurz bevor das Geld für den Weiterbau vom Freistaat gekürzt wurde, konnte das Sächsische Immobilien- und Baumanagement den Sgraffito-Putz noch rekonstruieren. Außerdem ist der Riesensaal im Ostflügel im Rohbau fertig, und in der Schütz-Kapelle wird das Schlingengewölbe wieder aufgebaut. Zunächst als Test. Die SZ erklärt die drei Baustellen.

Baustelle1: Sgrafitto im Grossen Schlosshof ist geritzt

In hellem Weiß-Grau präsentiert sich jetzt die Fassade des Ostflügels. Die Putzkratzbilder sind fertig, das Gerüst fällt. Jetzt sieht der große Schlosshof fast so aus, wie ihn sich einst Moritz, seit 1547 Kurfürst von Sachsen, wünschte. Italienische Künstler dekorierten ihm den Hof nach seinem Bilde.

Auch Martin Luther hatte dem Herrscher dazu geraten, Bilder auf die Schlossfassade zu bringen, um seine Ziele zu zeigen. In keinem Land Europas gab es die Bildtechnik so großflächig wie in Dresden. Und als Ende der 1980er-Jahre Denkmalpfleger auf die Idee kamen, die Sgraffiti nachzuempfinden, musste die Technik neu erlernt werden. Sie war längst in Vergessenheit geraten. In der dritten Etage des Ostflügels liegt das Atelier, wo die Bildvorlagen geplant und als Entwürfe skizziert, begutachtet, vergrößert und auf Pergamentpapier übertragen werden. Mit Kohlestaub lassen sich durch die perforierten Gestaltlinien dann die Bilder auf die Schlossfassade übertragen. Die trägt schwarzen Putz, der zweimal mit Kalk überstrichen wird.

Wenn die Sgraffiteure durch die helle Kalkschicht kratzen, kommt der dunkle Putz zum Vorschein. Es entstehen die markanten Bilder in Schwarz-Weiß. Sie erzählen römische Geschichte und Geschichten aus dem Alten Testament. Ab dem 1. April können Besucher vom Kleinen Schlosshof durch das Starcke-Portal in den Großen Hof gehen. Erstmals gibt es dort jetzt eine elektronische Glastür.

Baustelle2: Der Riesensaal ist im Rohbau fertig

Gerüste fallen zurzeit auch im Riesensaal. Jetzt ist zu sehen, wie der 60 Meter lange und elf Meter breite größte Raum im Schloss wirkt. Denn das von Architekt Peter Kulka mit einem historischen Rautenmotiv entwickelte moderne Gewölbe zeigt sich in voller Größe. Die Öffnungen für die Leuchten sind zu erkennen und die Bauten für die Vitrinen. Von der Historie bleibt vor allem die Kubatur.

Hier zieht die Rüstkammer ein und bekommt ein modernes, lichtgesteuertes Ambiente. 2012 soll der Saal komplett fertig sein. Dann besitzt das Residenzschloss wieder jenen Saal, der fast 250 Jahre gar nicht sichtbar war.

Er entstand bereits 1480 als Mittelpunkt der damaligen Dresdner Residenz. Lucas Cranach der Jüngere schmückte den Saal. Zunächst hatte er nur eine flache Decke, 1627 wurde der Raum durch eine gezimmerte Bogendecke erhöht. An der mit sieben großen silbernen Kronleuchtern geschmückten Decke hingen die Gestirne. Die Gebrüder Tola malten als Fresko Riesen in den Fensterlaibungen, wonach der Saal auch benannt wurde.

Baustelle3: Schütz-Kapelle bekommt Schlingengewölbe

In der Schlosskapelle im Nordflügel des Schlosses läuft zurzeit ein ungewöhnlicher Test. Das Schlingengewölbe mit sechsteiligen Blütensternen, ein Netz aus Sandstein, bauen Mitarbeiter von Dreßler-Bau auf, um es später wieder auseinanderzunehmen. Denn keiner weiß, wie das Meisterwerk der obersächsischen Spätgotik einst errichtet wurde. Nur zwei Kupferstiche sind überliefert, einer von 1676, der andere von 1730. In dem Testfeld stehen zurzeit Baumstämme, auf denen die 600 Kilo schweren Kreuzsandsteine lagern. Von dort ziehen die Handwerker wie Adern die Sandsteinbögen von Kreuz zu Kreuz und stützen sie von unten mit Holzbalken ab.

Ist das Testgewölbe fertig, wird es übermauert, dann kommen Sandsäcke obenauf, um zu sehen, ob es hält. Statiker von heute schlagen die Hände über dem Kopf zusammen, können sich kaum vorstellen, dass mit dem weichen Mörtel und den extra leicht gebrannten Ziegeln die Konstruktion stabil bleibt. Aber da das Schlingengewölbe in vielen historischen Bauten bis heute unverdrossen seinen Dienst tut, muss es funktionieren.

Nur wie sie einst entstanden, ist nicht überliefert. Die Baufirmen von einst verschwiegen ihre Tricks, denn Wissen war schon damals pures Gold. Bis zum Sommer soll der Test abgeschlossen sein. Bei der SZ-Entdeckertour, die am 14. August stattfindet, wird das Gewölbe erstmals zu sehen sein. Wenn es hält.

drei Fotos

 

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