Dienstag, 18.Januar 2011
(Dresdner Neueste Nachrichten)

Eine alte Prachtstraße würde zu einer Sackgasse

Von Torsten Kulke

Hotel Stadt Rom
Wenn sich die GHND heute gegen eine Verschiebung des "Hotel Stadt Rom einsetzt, so ist dies freilich nichts Neues: Das 1740 durch Andreas Adam errichtete Gebäude – eine einzigartige Mischung zwischen Palais und Bürgerhaus – zählte zu den schönsten und wertvollsten Beispielen seiner Art in Dresden und in ganz Deutschland. Nicht nur eine umfangreiche Fotodokumentation, zwei originale barocke Fassadenpläne und eine Grundrisszeichnung, sondern vor allem auch fast 40 noch erhaltene Fassadenfragmente machten das Haus bereits für Prof. Dr. Hans Nadler 1981 in jeder Hinsicht zu einem der "ersten" Leitbauten am Neumarkt.
Die GHND hat sich stets für eine authentische, originalgetreue Rekonstruktion dessen eingesetzt, was bis 1945 vorhanden war, um Dresden so ein Stück verlorengegangener Identität zurückzugeben. Aus diesem Grunde verbietet also allein schon die historische Wahrhaftigkeit, das wertvolle Hotel Stadt Rom aus seinem alten Zusammenhang zu reißen: Das Gebäude stand bis 1945 rechts an das Heinrich-Schütz-Haus angelehnt und bildete auf der linken Seite aber den glanzvollen Eingang in die stadthistorisch bedeutende Moritzstraße.

Der jetzige Zustand
Die Auseinandersetzung, die zur Zeit geführt wird, ist unehrlich, denn es geht hier gar nicht um die Belichtungsverhältnisse an der Schützresidenz! Der Hintergrund der jetzt angeschobenen Diskussion ist es, einen Anschluss an die vorhandene Bebauung an der Nordseite der Wilsdruffer Straße herzustellen, indem das Hotel Stadt Rom nach Süden durch einen Anschlussbau verlängert werden soll. Argumentiert wird mit einer notwendigen Verbindung zur "Kneipenmeile" an der Weißen Gasse. Städtebaulich wäre dies allerdings ein Fiasko, denn damit würde die Moritzstraße auf ewig eine Sackgasse und ein Hinterhof bleiben und die ehemalige Aufmarschstraße "Wilsdruffer Straße" ebenfalls in ihrer jetzigen Überbreite belassen. Auf die in letzter Zeit immer dringlichere Problematik der Geschäftslage an der Wilsdruffer Straße wird mit diesem Vorschlag überhaupt nicht reagiert. Dabei war doch schon alles fast geregelt: 1994 hatte der Stadtrat entschieden, die Wilsdruffer Straße zu verengen und sich dabei so weit wie möglich an die Vorkriegsflucht anzunähern. Darauf zielte auch das von der Stadtplanung entworfene städtebaulich-gestalterische Konzept ab, welches jedem Investor hinlänglich bekannt ist.
Der jetzt durch den ehemaligen Baubürgermeister Gunter Just ins Feld geführte Vorschlag einer Verschiebung des Hotel Stadt Rom ist nicht neu: Der Gedanke war bereits Teil der Wettbewerbsergebnisse zum Neumarkt in den frühen 1980er Jahren, wo man auf die vorhandene städtebauliche Situation nicht anders reagieren konnte. Das Architektenkollektiv um Prof. Dr. Manfred Wagner, Dr. Christine Emmrich und Jürgen Mehlhorn, welches 1984 mit einem 4. Preis bedacht worden war, schrieb uns dazu im November 2008 folgendes: "Die auch heute noch bestehende Nahtstellenproblematik zu den Nachkriegsbauten der jetzigen Wilsdruffer Straße lösten wir durch einige Standortverschiebungen von historischen Bauten. Zur damaligen Zeit hätte die Beibehaltung städtebaulich problematischer Nahtstellen das sofortige Aus für den Wiederaufbaugedanken bedeutet, also sozusagen den ‚Beweis' geliefert, dass ein historischer Wiederaufbau des Neumarktes nicht möglich ist." Eine Infragestellung der damaligen Ernst-Thälmann-Straße, eine 61 m breite, stalinistisch geprägte Aufmarschstraße für Großkundgebungen, wäre unter den damaligen Machtverhältnissen niemals in Frage gekommen.

Unsere Vision
Es ist keine Bilderstürmerei, städtebaulichen Fehler der Vergangenheit zu beheben und die Moritzstraße wieder mit der Wilsdruffer Straße zu verbinden. Dabei sollte bis zu diesem Zeitpunkt der Bestandsschutz gelten und den jetzigen Mietern an der Wilsdruffer Straße Nordseite Sicherheit gewährleistet werden. Die 1548 angelegte Moritzstraße gehörte mit vielen wichtigen Palais und Bürgerhäusern (u. a. das Palais de Saxe, das "Mittagsche Haus" oder das Rokoko-Bürgerhaus Moritzstraße 6) zu den repräsentativsten Straßen des alten Dresden. Sie stellt in ihrer Breite den hochwertigen südlichen Zugang – das Entreé – zum Neumarkt her. Dies alles könnte nicht wieder entstehen, wenn die Bebauung an der Wilsdruffer Straße auf Dauer Bestand hätte. Wir sollten uns diese Chance jetzt nicht vergeben, die hochwertigen Flächen besser zu nutzen, bessere städtebauliche Einbindungen zu schaffen und ein attraktives Wohn- und Geschäftsviertel rund um die Wilsdruffer Straße und Moritzstraße entstehen zu lassen. Für die Bebauung sollten die Vorgaben des vom Stadtrat verabschiedeten städtebaulich-gestalterischen Konzeptes für den Neumarkt gelten und der bereits im Konzept enthaltene hohe Wohnanteil sollte dabei nochmals angehoben werden. Im Hinblick auf dieses Konzept kann der Kopfbau "Hotel Stadt Rom" jetzt an seiner originalen Stelle errichtet werden mit der gleichzeitigen Auflage eines späteren Anschlusses an die weitere Bebauung Moritzstraße-Südseite.
Es ist zu hoffen, dass der Investor der Schützresidenz seine Blockadehaltung aufgibt und den Weg frei macht für eine vernünftige städtebauliche Regelung. Dies dürfte letztendlich auch ihm nicht zum Nachteil gereichen. Die Stadt sollte mit ihm über eine entsprechende "Entschädigungszahlung" sprechen, denn letztlich war es ein Verschulden der Stadt, nicht rechtzeitig, also noch vor dem Verkauf des eigenen, städtischen Grundstückes, entsprechende Regelungen zu Abstandsflächen und zum Wiederaufbau des Hotel Stadt Rom getroffen zu haben.




Vorkriegszustand Wilsdruffer Straße, Einbindung Moritzstraße




Anschlussbebauung zur Wilsdruffer Straße mit Hotel Stadt Rom verschoben

 


... und nicht verschoben

 

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