Donnerstag, 25. August 2011
(Sächsische Zeitung)


"Jetzt hilft nur noch Bürgerprotest"

Der umstrittene Neubau am Neumarkt soll laut Investor nicht verändert werden. Torsten Kulke von der Gesellschaft Historischer Neumarkt will das Projekt verhindern.

 

Blick vom Altmarkt aus: Für diesen Entwurf des Büros Kupferschmidt haben sich die Investoren entschieden. Sie lehnen weitere Änderungen ab, da bereits eine Vielzahl eingearbeitet sei. Das Bauprojekt soll 14 Millionen Euro kosten. Visualisierungen: Kupferschmidt/Repro SZ Das Nürnberger Unternehmen KIB Projekt will am Neumarkt für 14 Millionen Euro ein Büro-, Geschäfts- und Wohnhaus errichten. Es hat sich für den Entwurf des Münchner Büros Kupferschmidt Architekturpartner entschieden.
Viele Dresdner protestieren gegen diesen geplanten Lückenschluss zwischen Kulturpalast und Heinrich-Schütz-Residenz. Sie möchten den Bau verhindern, geht das noch?

Wer trifft die Entscheidung zu dem Bauvorhaben?

Die Stadtverwaltung hat dem Bauherren bereits einen Bauvorbescheid geschickt. Das bedeutet die grundsätzliche Zustimmung zu dem Projekt.
Allerdings haben vier Nachbarn Widerspruch eingelegt, weil das geplante Haus zu dicht an ihre Grundstücke gebaut werden soll. Jetzt versucht die KIB, sich gütlich mit den anderen Bauherren über diese Abstandsflächen zu einigen. Gelingt ihr das, will sie innerhalb von drei Monaten einen Bauantrag einreichen. An dem Projekt seien keine Änderungen mehr vorgesehen. „In aller Regel dauert es dann fünf Monate, bis die Baugenehmigung vorliegt. Für die Realisierung des Gebäudes ist eine Bauzeit von circa 18 Monaten eingeplant“, erläutert KIB-Sprecher Frank Tkatzik. Sind alle formalen Voraussetzungen erfüllt, muss die Stadt den Bau genehmigen, ohne den Stadtrat zu fragen. Baubürgermeister Jörn Marx
(CDU) bezeichnet den Entwurf als akzeptabel.

Haben die gewählten Vertreter kein Mitspracherecht?

Die Stadt hat der KIB das Grundstück im Tausch gegen eine Fläche am Annengymnasium angeboten und das Unternehmen zu einem Architekturwettbewerb verpflichtet. In der Jury saßen seinerzeit auch Stadträte. Sie haben offensichtlich die Brisanz nicht erkannt und geschwiegen. „Wir haben den Entwurf in mehreren Präsentationen mit dem Gestaltungsbeirat abgestimmt und dem Ausschuss für Stadtentwicklung vorgestellt“, sagt Tkatzik. „Die Stadträte müssen sich an die Eigene Nase fassen. Ich war der einzige, der im Stadtentwicklungsausschuss ausgerastet ist“, sagt CDU-Stadtrat Hans-Joachim Brauns. „An dieser Stelle muss sensibel gebaut werden. Wenn es eine Möglichkeit gibt, den Entwurf zu verhindern, werden wir das tun.“ Auch FDP-Fraktionschef Holger Zastrow lehnt die „einfallslose und profane Architektur“, wie sie die Dresdner Stadtplanung verfolge, ab. Er fordert einen neuen Wettbewerb. André Schollbach, Fraktionschef der Linken, will, dass das umstrittene Thema noch einmal in den Stadtrat muss. „Es geht um einen der wichtigsten Plätze in der Stadt“, sagt er. Ähnlich sieht es Thomas Löser von den Grünen: „Ich verlange eine Infoveranstaltung für die Bürger.“ Jetzt wollen die Stadträte prüfen, ob für das Grundstück doch noch ein Bebauungsplan aufgestellt werden kann. Über diesen können die Stadträte entscheiden.

Können Neumarkt-Nachbarn den Bau verhindern?

Die Chancen dafür sind nicht groß. Nach SZ-Informationen handelt es sich um die Heinrich-Schütz-Residenz, die Gagfah, Nobelpreisträger Günter Blobel und um das Unternehmen Kondor Wessels. Der Chef der Heinrich-Schütz-Residenz, Hartmut G. Knippscheer, trifft sich heute mit dem KIB-Geschäftsführer. „Mein Grundstück verliert an Wert, für den Verlust muss es einen Ausgleich geben“, sagt Knippscheer.

Das Unternehmen Kondor Wessels will auf der gegenüberliegenden Straßenseite bauen. Auch da geht es um Abstandsflächen. So ist einer auf den anderen angewiesen. Blobels Grundstück wiederum ist nur gering betroffen. Wie sich die Gagfah verhält, ist offen. Gibt es keine Einigung, kann die Stadt einen Vorhaben- und Bebauungsplan erarbeiten.
Das bedeutet Zeitverlust, aber nicht unbedingt das Aus für das Projekt.

Kann der Protest der Dresdner noch etwas bewirken?

Die rechtlichen Chancen sind nicht sehr groß. „Aber wir wollen uns damit nicht abfinden. Jetzt hilft nur noch Bürgerprotest“, kündigt Torsten Kulke von der Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden an. Beim Thema Gewandhaus habe dies auch zum Erfolg geführt. Am Freitag werde sein Vorstand über entsprechende Maßnahmen entscheiden. Es gehe nicht darum, das Bauwerk zu verhindern. Es sollte nur deutlich kleinteiliger gestaltet sein und ein klassisches Dach haben statt eines Staffelgeschosses.

zwei Visualisierungen

 

SZ-KOMMENTAR

Reden statt kämpfen

Denni Klein zum Streit um den geplanten Neubau am Neumarkt

Schön ist der geplante Neubau nicht. Darüber herrscht selbst bei den Vertretern moderner Architektur kaum Zweifel. Es ist ein Funktionsbau, eben ein ziemlich durchschnittliches Geschäftshaus. Nun muss die Frage erlaubt sein, ob Durchschnitt für den Neumarkt ausreicht? Was nichts hilft, ist jetzt lange in der Vergangenheit zu suchen, um Schuldige zu finden, die für die Genehmigung des Baus Verantwortung tragen. Rechtlich scheint der Investor auf der sicheren Seite.

Deshalb braucht es jetzt Vertreter aller Fraktionen, der Verwaltung und sachkundige Dresdner, die das Gespräch mit dem Investor suchen. Verloren ist die Auseinandersetzung erst, wenn die Bagger anrollen. Bis dahin könnten zumindest Kompromisse gefunden werden. Attacken und Kampfansagen gegen den Investor ebnen diesen Weg sicher nicht. Parallel dazu können deutliche Willensbekundungen der Dresdner den nötigen Druck aufbauen, damit der Bauherr noch mal an den Verhandlungstisch zurückkehrt. Ziel sollte es sein, Alternativen zu finden, die den Blick auf die Frauenkirche vom Altmarkt nicht so zerstören und dem Erscheinungsbild des Neumarkts gerecht werden.

 

Umstrittener Neumarkt-Bau

Dresden. Der Streit um das Neumarkt-Projekt bekommt neue Brisanz. Der Investor für das Büro- und Wohnhaus lehnt trotz Protesten der Dresdner weitere Änderungen am Bauprojekt ab. Nun prüfen Stadträte und die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden, wie sie den jetzigen Entwurf verhindern können. Sie fordern eine stärkere Gliederung der Fassade und eine andere Gestaltung des Daches.

Das Unternehmen KIB Projekt will 14 Millionen Euro an dem Standort zwischen Kulturpalast und Heinrich-Schütz-Residenz investieren. Das teilte ein KIB-Sprecher auf SZ-Anfrage mit. Eine Baugenehmigung habe die KIB noch nicht, weil es Einsprüche der Grundstücksnachbarn gibt. Die kritisieren, dass die Abstandsflächen nicht eingehalten werden. (SZ)

 

 

 

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