Sächsische Zeitung, 28. Juli 2012


Neue Lösung im Streit um Hotel Stadt Rom


Von Franziska Dähn

Die Gesellschaft Historischer Neumarkt bietet eine Kompromissvariante an: Das Hotel soll am historischen Standort entstehen, die Gebäude an der Wilsdruffer Straße einen Durchbruch erhalten.


Neue Runde im Streit um den Wiederaufbau des Hotels Stadt Rom: Die Gesellschaft Historischer Neumarkt hat gestern eine Kompromissvariante präsentiert. Die SZ stellt sie vor.

Die Vorgeschichte: Das Werkstattverfahren

Das städtebauliche Konzept sieht das frühere Hotel Stadt Rom als einen Leitbau zum Wiederaufbau vor. Doch am Originalstandort und in der historischen Größe lässt sich das barocke Bürgerhaus nur wiedererrichten, wenn die Häuser an der Wilsdruffer Straße 4 bis 12 und 14 bis 16 zuvor ganz oder teilweise abgerissen werden. Eigentümer der Gebäude ist seit 2005 die Gagfah. Ein Kauf des Komplexes würde die Stadt jedoch etwa 7 Millionen Euro kosten. Um eine Lösung zu finden, wurde im vergangenen Jahr das Werkstattverfahren "Schichten der Stadt" ins Leben gerufen. Hierfür entwarfen Architekturbüros mehrere Szenarien, die im Sommer öffentlich vorgestellt wurden.

Der Konflikt: Die Verschiebung des Hotels

Die Vorlage der Stadt favorisiert nun die Lösung des Architekturbüros "Thomas Müller/Ivan Reimann". Diese sieht die Verschiebung des Hotels um etwa acht Meter in nördlicher Richtung vor. Bestehende Gebäude sollen erhalten bleiben, die Moritzstraße würde nicht wieder errichtet. Geborgene Originalteile sollen in die Fassade eingearbeitet werden. Die Gesellschaft Historischer Neumarkt kritisiert diese Lösung. "Die Verschiebung bedeutet eine enorme Verschattung des Hotels de Saxe. Der Martinshof hat zudem bereits angekündigt, dagegen zu klagen", sagt Vereinsvorstand Torsten Kulke. Er fürchtet, dass eine "Adaption" der Fassade mit dem ursprünglich geplanten Leitbau nichts mehr zu tun habe. Der südliche Neumarkt wäre zudem "auf alle Zeiten ein Hinterhof", sagt Kulke. Die Entscheidung über den umstrittenen Vorschlag war im Juni von den Stadträten noch einmal vertagt worden.

Der Vorschlag: Ein Durchbruch an der Wilsdruffer Straße

Um historische Wege wie die Moritzstraße und natürliche Sichtachsen zu erhalten, schlägt die Gesellschaft nun als Kompromiss einen Durchbruch der momentanen Sackgasse Moritzstraße auf die Wilsdruffer Straße vor. Die Gesellschaft spricht von einem "kleinen chirurgischen Eingriff": "Das betrifft das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss, Wohnungen blieben weitgehend unangetastet", so Kulke. Das vorhandene Gewerbe wäre zwar betroffen, "doch hier steht sowieso derzeit viel leer". Der Durchbruch wäre für den Anlieferverkehr günstig, Fußgänger liefen durch zum Teil verglaste Arkaden. "Es entsteht eine gewisse urbane Situation", eine Öffnung des Neumarktes bis hin zur Weißen Gasse. Auch bliebe so die Option erhalten, in "vielleicht 20 Jahren" den kompletten Durchbruch zur Wilsdruffer und damit den Abriss der Wohnhäuser umzusetzen.

Die Reaktionen: Eine Chance zur Wiederbelebung

Diese Variante birgt etwa das Problem, dass ein Teil vom Restaurant "Steiger am Landhaus" wegfiele, das Ausgleichsflächen erhalten müsste. Mit Wirt Sebastian Matthes hat die Gesellschaft bereits gesprochen. "Die Gewerbeflächen würden attraktiver und lukrativer werden, weil der Durchbruch zu einer Belebung des Bereichs zwischen Neumarkt und Rathaus führt", sagt er. Die Gagfah sollte interessiert daran sein, diesen Bereich zu entwickeln, findet der Wirt. Gespräche mit der Gagfah hat es noch nicht gegeben. "Erst einmal muss der Stadtrat für Planungssicherheit sorgen", so Kulke. Der Eigentümer müsste auf Abstandsflächen zum Hotel Stadt Rom verzichten und, geht es nach dem Willen des Vereins, die Umbaukosten "zur besseren Vermietbarkeit" übernehmen. "Wir bieten jedoch an, bei Interesse die Sache planerisch für die Gagfah weiterzubetreiben." Der Durchbruch sei innerhalb eines Jahres umsetzbar. Die Kosten dafür kann Kulke derzeit noch nicht nennen.

Die Gagfah sei "selbstverständlich bereit" mit allen Beteiligten über den Vorschlag zu reden, "so er uns umfänglich zugegangen ist", sagt Sprecherin Bettina Benner. Durch das Werkstattverfahren sei man bereits mit vielen Beteiligten im Gespräch. "Das Stadtplanungsamt müsste dann auf uns zukommen", so Benner.

Zwei Visualisierungen
Der luftige Durchbruch macht von der Wilsdruffer Straße den Blick frei zum Johanneum. Visualisierungen: Gesellschaft Historischer Neumarkt e.V.






Kommentar SZ:

 

Keine Luftschlösser am Neumarkt

Von Tobias Winzer

über den Plan für das Hotel Stadt Rom


Die Pläne der Gesellschaft Historischer Neumarkt zum Wiederaufbau des Hotels Stadt Rom sind zwar schön und gut, realistisch sind sie jedoch nicht. Warum soll die Gagfah, so wie die Gesellschaft behauptet, ein ernsthaftes Interesse daran haben, den vorgeschlagenen Durchbruch zur Wilsdruffer Straße aus eigener Tasche zu bezahlen? Das bringt dem Unternehmen nur Kosten, aber keine neuen Mieter. Das bedeutet, die Stadt müsste der Gagfah das Haus oder einen Teil davon abkaufen und den Durchbruch selbst schultern. Millionen Euro wären dafür nötig – Geld, das die Stadt an anderer Stelle sinnvoller ausgeben kann, für neue Kitas oder Schulen zum Beispiel. Um das Hotel Stadt Rom möglichst schnell wiederaufzubauen, müssen nun pragmatische Lösungen her. Es bringt nichts, die Bebauung an der Wilsdruffer Straße mit immer neuen Abriss- oder Durchbruchplänen zu negieren. Anstatt immer neue Luftschlösser zu planen, muss man sich damit abfinden, dass das Hotel aus wirtschaftlichen Gründen und aus Platzgründen nicht am historischen Standort wiederaufgebaut werden kann. Was spricht also dagegen, das Haus wenige Meter zu verrücken? Die Gesellschaft Historischer Neumarkt muss sich entscheiden: Beharrt sie auf ihrer unrealistischen Variante und blockiert damit womöglich einen schnellen Wiederaufbau, oder unterstützt sie eine pragmatische Lösung?

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