Sächsische Zeitung, 08. November 2013 Der geplante Durchgang zur Wilsdruffer Straße kostet mindestens eine Million Euro. Scheitert das Projekt daran? Gegen den Durchgang ist er auch aus finanziellen Gründen. De facto müssten für den etwa zehn Meter breiten Durchgang zwei Treppenhäuser abgerissen und damit auch die darüberliegenden Wohnungen umgebaut werden. Da das Haus schräg durchbrochen werden müsste, wären mehrere tragende Wände betroffen. Die Gagfah selbst schätzt, dass mindestens eine Million Euro nötig wären. Die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden (GHND), die den Vorschlag ins Spiel gebracht hat, rechnet mit Kosten von 1,2 bis 1,5 Millionen Euro. Projekt mit vielen Unbekannten "Außerdem ist der Neumarkt mit dem Durchgang nicht wirklich städtebaulich angebunden", sagt Harbaum. Die Moritzstraße sei historisch die bestimmende Straße für den Neumarkt gewesen. Der Durchgang sei dahingehend ein fauler Kompromiss. "Der Neumarkt ist wie ein Dudelsack, dem die Pfeife angesägt wurde", sagt er. "Dem Platz fehlt die Erschließung." Seiner Meinung nach müsste die Moritzstraße wieder komplett geöffnet werden. Mit einer Straßenbahnlinie, die durch die Moritzstraße über den Neumarkt und vorbei am Fürstenzug führt, könnte der Platz beispielsweise richtig belebt werden. Unterstützung bekommt der Architekt teilweise vom Linken-Stadtrat Tilo Wirtz. Er bezeichnet den Bau des Durchgangs als "technisch nicht vertretbar". Das Gewicht des Hauses über dem Durchgang müsste links und rechts abgestützt werden. Deshalb müssten vorhandene Träger aufwendig verstärkt werden. "Für einen Ingenieur ist das eine schöne Aufgabe, aber sie ist einfach unwirtschaftlich", sagt Wirtz. Er zieht daraus aber andere Schlüsse als Harbaum. Die Baufläche des Hotels Stadt Rom will er leicht nach Norden verschieben, um gesetzlich vorgeschriebene Abstandsflächen zu Nachbargebäuden einzuhalten. Die Moritzstraße würde dadurch schmaler und soll weiterhin in einer Sackgasse enden. Gemeinsam mit der SPD hatte sich die Linken-Fraktion für diese Lösung eingesetzt. Für die Mehrheit reichte es nicht. Dass sich das Blatt noch einmal wendet, ist durchaus möglich. Nach dem Stadtratsentscheid vor drei Wochen muss die Stadtverwaltung nun mit der Gagfah, der Eigentümerin des 50er-Jahre-Wohnhauses, verhandeln, ob und zu welchen Bedingungen ein Durchgang möglich wäre. Die Gagfah hatte zuletzt mehrfach betont, dass dies eine Frage des Geldes sei. Zugleich muss die Stadt klären, ob der Inhaber der benachbarten Heinrich-Schütz-Residenz auf die gesetzlich zugesicherten Abstandsflächen verzichtet. Auch dafür wäre wohl viel Geld nötig. Erst wenn all diese Fragen geklärt sind, könnte das Grundstück des Hotels Stadt Rom ausgeschrieben und verkauft werden. Anschließend könnte ein Investor mit dem Wiederaufbau beginnen – ein Projekt mit vielen Unbekannten. Grünen-Fraktionschef Thomas Löser, der gemeinsam mit CDU und Bürgerfraktion für den Durchbruch gestimmt hat, verteidigt jedoch die Entscheidung. "Es ist ein Kompromiss, aber ein Komplettabriss der Wohnungen ist für uns nicht verhandelbar", sagt er. Die Verwaltung müsse nun mit der Gagfah sprechen, ob der Durchgang möglich sei. "Wenn nicht, würden wir auf einen Durchgang verzichten. Für uns hat der Wiederaufbau des Hotels Stadt Rom am Originalstandort oberste Priorität", sagt Löser. Anders sieht es der Vorsitzende der Neumarkt-Gesellschaft, Torsten Kulke. Er versteht den Durchgang als Zwischenlösung, um später die komplette Öffnung der Moritzstraße nach dem Vorschlag von DD1Architekten umzusetzen. "Mit dem Durchgang verbauen wir uns nichts", sagt er. "Die nächste Generation kann dann entscheiden, ob sie die komplette Öffnung haben will." Mit dem jetzt gefundenen Kompromiss bestehe aber die Möglichkeit, schnell eine Lösung zu bekommen. "Es ist wichtig, dass es am Hotel Stadt Rom keinen Stillstand gibt." Architekt Boris Harbaum hofft unterdessen, dass die Debatte um das Hotel Stadt Rom und die Moritzstraße noch einmal von vorn geführt wird. "Wir sollten uns nicht von Hektik leiten lassen", sagt er. Städtebau sei ein langfristiges Projekt – auch wenn für die beste Lösung 30 bis 40 Jahre ins Land gehen.
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