Sächsische Zeitung, 11. Mai 2013


Spuren aus dem Mittelalter

Archäologen haben den Erhalt wertvoller Keller gefordert. Aber werden diese genutzt?

Von Bettina Klemm

Besucher des Wellnessbereiches im Swissôtel an der Schloßstraße genießen nicht nur die Ruhe, sondern nehmen zugleich auch Geschichte auf. Schließlich wurde das Spa in einem der wenigen noch vollständig erhaltenen Keller des späten 15. Jahrhunderts eingerichtet. Bei der Rekonstruktion des Hoffmannsegge'schen Hauses als Teil des Hotelbaus hat die Firma Baywobau Dresden die historischen Gemäuer im Originalzustand erhalten.

So sieht es Thomas Westphalen gern. Der Abteilungsleiter für archäologische Denkmalpflege im Landesamt für Archäologie setzt sich seit fast zwei Jahrzehnten für den Erhalt historischer Keller ein, sucht gemeinsam mit Bauherren nach Möglichkeiten, um dies mit erträglichem Aufwand zu sichern. In der Regel müssen Kompromisse gefunden werden, denn die Tragkraft der Kellergewölbe reicht nicht für heutige Neubauten aus.

Abgesehen vom Kurländer Palais wurden die Keller erst durch die archäologischen Grabungen in Dresdens Innenstadt wieder freigelegt. Die Arbeiten begannen 1994 im südlichen Teil des Altmarktes. Damals konnten sich die Archäologen noch drei Jahre dafür Zeit nehmen. Später vereinbarten sie mit den Investoren, die auch die Kosten für die Grabungen übernehmen, kürzere Zeiträume. 13 Keller beziehungsweise Kellerteile und mehrere Reste der einstigen Festungsmauern wurden seither in Neubauten integriert. "Besonders bemerkenswert ist der Keller Schreibergasse 2. In dem langgestreckten Raum lassen sich verschiedene Bauzeiten verfolgen. Die Spuren führen ins Mittelalter, über den Barock bis zur Zerstörung Dresdens im Februar 1945", erklärt Westphalen. Er zeigt als Pläner bezeichnetes Mauerwerk aus flachen Plauener Steinen aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Daneben sind die Mauern aus Sandsteinquadern, wie sie vor allem in der Barockzeit Verwendung fanden. Rotgeglühte Sandsteine in diesem Keller lassen die Hitze bei der Feuersbrunst im Februar 1945 erahnen.

Einst sollten die Keller in der Schreibergasse als Ausstellungsräume genutzt werden. Das scheitert offensichtlich aber aneinem fehlenden öffentlichen Zugang. So sollten die Zeugen der Geschichte wenigstens von unten beleuchtet und von oben sichtbar sein. Doch die aufgelegten Glasplatten wurden mutwillig zerstört, und die Stadt musste sie etwa viermal im Jahr erneuern. Schlimmer noch: Weil sich die Flächen als extrem rutschig erwiesen, kam es zu Unfällen. So ließ das städtische Straßen- und Tiefbauamt 2004 die Glasplatten völlig entfernen und durch Gussasphalt ersetzen. Schade, denn jetzt erfährt niemand mehr etwas über die Geschichte im Untergrund von Altmarkt und Schreibergasse. Da ist es Thomas Westphalen doch lieber, wenn die Keller genutzt werden. Nur weniger Meter weiter beispielsweise bietet das Restaurant "Barococo" seine unterirdischen geschichtsträchtigen Gewölbe als "Königskeller" für Familienfeste und Diskotheken an. In der Altmarkt-Galerie wird im Keller Wein verkauft.

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