Sächsische Zeitung, 18. Oktober 2013


Durchbruch am Neumarkt

Der Stadtrat einigt sich, wie das Hotel Stadt Rom wieder aufgebaut wird. Doch bis zum Baustart gibt es einige Hürden.

Von Tobias Winzer

Darum hatte es zuvor jahrelang Streit gegeben. Das Problem: Ein Wiederaufbau am Originalstandort ist zwar möglich, durch die 60er-Jahre-Wohnbauten an der Wilsdruffer Straße und einen modernen Anbau an der Heinrich-Schütz-Residenz ist es mittlerweile so eng, dass rechtlich vorgeschriebene Abstände zwischen dem Hotel Stadt Rom und den umliegenden Häusern nicht eingehalten werden können. Der Verkauf des Grundstücks, für den der Nobelpreisträger Günter Blobel bereits den Zuschlag erhalten hatte, wurde deshalb gestoppt. Auf Initiative der Grünen wurde stattdessen in den vergangenen zwei Jahren in einem Werkstattverfahren überlegt, wie das 1740 errichtete und im Zweiten Weltkrieg zerstörte Haus wieder aufgebaut werden kann.

Das Architekturbüro DD1 Architekten schlug unter anderem vor, Teile der Häuser an der Wilsdruffer Straße abzureißen, um sowohl das Hotel Stadt Rom am Originalstandort als auch die Moritzstraße wieder entstehen zu lassen. Die Stadt bevorzugte jedoch den Vorschlag der Architekten Thomas Müller und Ivan Reimann. Um die verzwickte Situation zu lösen, sieht ihr Konzept vor, das Baufeld des Hotels Stadt Rom wenige Meter nach Norden zu verschieben. Dagegen wehrten sich jedoch einige Stadtratsfraktionen und die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden (GHND).

Im vergangenen Jahr präsentierte sie einen Kompromissvorschlag. Demnach soll es keinen Abriss der Gagfah-Häuser an der Wilsdruffer Straße geben, sondern lediglich einen Durchbruch im Erdgeschoss und in der ersten Etage. Damit wäre der Eingang zur Moritzstraße zumindest angedeutet. Die Straße würde in der ursprünglichen Breite wieder entstehen, was bei der Verschiebe-Variante nicht vorgesehen war. Dadurch ist auch ein Wiederaufbau des Palais de Saxe möglich. Das Hotel Stadt Rom soll außerdem am alten Standort und möglichst originalgetreu wieder aufgebaut werden. Allerdings wird das Haus etwas verkürzt, um den Abstand zu den vorhandenen Nachbargebäuden zu wahren.

Diesem Vorschlag schlossen sich gestern die CDU, die Bürgerfraktion und große Teile der Grünen an. CDU-Stadtrat Gunter Thiele sagte: "Ich persönlich hätte mir die Umsetzung nach dem Vorschlag von DD1 Architekten gewünscht. Das war aber politisch nicht durchsetzbar." Ausdrücklich festgelegt ist nun der Bau am Originalstandort. Der Durchbruch und ein Verbindungsbau zwischen Hotel Stadt Rom und dem Gebäude an der Wilsdruffer Straße gelten als Option, wenn sie technisch, rechtlich und finanziell umsetzbar sind. SPD und Linke machten sich für die Verschiebung des Baufelds stark. Dafür gab es keine Mehrheit.

Wann die Bauarbeiten am Hotel Stadt Rom starten können, ist aber ungewiss. Auf Grundlage der vom Stadtrat beschlossenen Vorzugsvariante kann die Verwaltung nun einen Bebauungsplan erarbeiten. Wegen der komplizierten Gemengelage an dem Grundstück kann sich das jedoch über mehrere Jahre hinziehen. Gemeinsam mit einem möglichen Investor muss die Verwaltung unter anderem klären, ob die Eigentümer der Heinrich-Schütz-Residenz und der Wohnhäuser an der Wilsdruffer Straße auf ihre rechtlich zugesicherten Abstandsflächen verzichten.

Ursula Friedsam, die Geschäftsführerin der Heinrich-Schütz-Residenz, wollte gestern keine Stellungnahme abgeben. Dirk Schmitt, Sprecher der Gagfah, signalisierte immerhin Verhandlungsbereitschaft. "Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, können wir darüber reden", sagte er. Er machte jedoch auch klar, dass der Durchbruch durch das Wohnhaus nicht zum Nulltarif zu haben sei.

Sollte die Stadt mit den Verhandlungen Erfolg haben und ihren Bebauungsplan verabschieden, kann sie das Grundstück erneut zum Verkauf ausschreiben. Dem Vernehmen nach soll Blobel weiterhin an einem Kauf der Fläche interessiert sein. Anschließend stehen noch archäologische Grabungen an. Dann könnten die Bauarbeiten beginnen.

Klar ist, wie das würfelförmige Haus einmal aussieht. Originalteile, die nach dem Zweiten Weltkrieg geborgen wurden, sollen in die Fassade integriert werden. Da es sich um einen sogenannten Leitbau am Neumarkt handelt, entsteht er nach historischem Vorbild neu.


So könnte das südliche Ende des Neumarktes einmal aussehen: Neben dem Hotel Stadt Rom entsteht die Moritzstraße neu (große Ansicht). Mit dem geplanten Durchgang durch ein Wohnhaus gibt es eine Verbindung bis zur Wilsdruffer Straße (kleine Ansicht). Visualisierung: Arte4D





Sechs Entwürfe (Visualisierungen) von Andreas Hummel / Arte4D



Kommentar Freitag, 18.10.2013
Ende der Träumereien am Neumarkt
über den Wiederaufbau des Hotels Stadt Rom

Von Tobias Winzer

Der Neumarkt ist des Dresdners liebstes Kind. Was aber in den vergangenen Jahren an Vorschlägen unterbreitet wurde, um das Hotel Stadt Rom am ursprünglichen Standort und möglichst originalgetreu wieder aufzubauen, war Ausdruck des Größenwahns und der Realitätsferne. Warum sollte man für das Hotel Stadt Rom und die Moritzstraße große Teile der Bebauung an der Wilsdruffer Straße opfern? Zur Stadtentwicklung gehört auch, sich mit vorhandenen Gebäuden – ob sie einem gefallen oder nicht – auseinanderzusetzen und sie in neue Pläne zu integrieren. Das ist erstens billiger und trägt zweitens zu einer vielfältigen Architektur in der Innenstadt bei. Der Kompromissvorschlag der Gesellschaft Historischer Neumarkt beachtet genau diese Grundsätze. Die Stadträte sollten sich aber bewusst darüber sein, dass sie sich mit ihrer gestrigen Entscheidung für einen guten, aber teuren Plan entschieden haben. Denn der Durchgang zur Wilsdruffer Straße und der Verzicht auf Abstandsflächen durch die Nachbarn wird nicht kostenlos zu bekommen sein. Sie müssen das Geld dafür langfristig einplanen – sonst beginnt die Debatte um das Hotel Stadt Rom von Neuem.



zurück zu Aktuelles