Sächsische Zeitung, 11. November 2014


Wie modern soll der Neumarkt werden?

Im Jüdenhof werden zwei Gebäude rekonstruiert. Doch Streit gibt es um die Fassaden am Kulturpalast.

Von Bettina Klemm


Große Fenster und eine extreme Dachkonstruktion. So soll nach Ansicht der Gestaltungskommission die Ecke an der Galeriestraße und Rosmaringasse gebaut werden. Der Entwurf stammt von den Dresdner Stellwerk-Architekten und wurde auf den ersten Platz gesetzt. Er eigne sich besonders als Pendant zum Kulturpalast und könne einen Bogen zwischen Modernem und nachgebauten Barockfassaden schlagen, so die Theorie. Doch dagegen regt sich jetzt heftiger Widerstand.

Torsten Kulke von der Gesellschaft historischer Neumarkt Dresden hält es für eine Fehlentscheidung. "Sowohl in seiner Dachform als auch in seiner Fassade widerspricht der Entwurf in eklatanter Weise dem städtebaulich-gestalterischen Konzept für den Neumarkt", sagt der Vorstand der Neumarkt-Gesellschaft. Kulke könne nicht nachvollziehen, warum die Kommission diese Ansicht favorisiert, obwohl besser geeignete Entwürfe, wie der der Architektengemeinschaft Schubert&Horst, vorlagen.


Welchen Entwurf für den Neumarkt würden Sie favorisieren?
Den Vorschlag vom Büro Stellwerk-Architekten, den die Gestaltungskommission auf Platz 1 wählte?
Das elegante und zurückhaltende Erscheinungsbild wie es die Architekten Schubert & Horst vorschlagen?
Der sich harmonisch am Gesamtkomplex orientierende neue Entwurf vom Kimmerle?
Zur Abstimmung:

Auch Investor Michael Kimmerle ist von der Entscheidung enttäuscht. Sein Herzblut hängt an dem Jüdenhof am Dresdner Neumarkt. Mit dem Dinglingerhaus und dem Trierschen Haus wird er zwei Gebäude nach historischem Vorbild errichten. Die Baugrube ist bereits ausgehoben, die künftige Tiefgarage entsteht gerade. Insgesamt soll bis 2016 ein lebendiger Mix aus Hotellerie, Gastronomie, Läden und Wohnungen errichtet werden. 32 Millionen Euro wird das Unternehmen aufwenden. Die Häuser sollen im Familienbesitz bleiben und vermietet werden. Michael Kimmerle hat zum Quartier einen kleinen Film und ein Modell anfertigen lassen.
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Nachdem Kimmerle für den ersten Preis in einschlägigen Internetforen und auch auf einer Veranstaltung der Gesellschaft historischer Neumarkt viel Kritik erhalten hat, legt er nun einen eigenen Entwurf vor. Damit versucht er, einen harmonischen Übergang zu den historischen Bauten zu schaffen. Heute ist ein weiteres Gespräch mit der Gestaltungskommission vorgesehen, bei dem Kimmerle auf einen Kompromiss hofft.

Neumarkt-Vorstand Kulke betrachtet die Gestaltungskommission als Bremsklotz und fordert deren Abschaffung oder eine Neubesetzung. Seit drei Jahren sei deren Amtszeit bereits abgelaufen und damit deren Legitimität entfallen. "Ursprünglich sollte die Kommission über die Einhaltung des städtebaulich-gestalterischen Konzepts wachen. Dies tut sie mehr schlecht als recht", sagt er. Es komme immer wieder zu falschen Entscheidungen. Für einen Aufschrei habe beispielsweise ein von der Firma KIB-Projekt geplanter Entwurf zwischen der Heinrich-Schütz-Residenz und dem Kulturpalast gesorgt. Die Kommission tagt hinter verschlossenen Türen. Kulke fordert mehr Transparenz und öffentliche Diskussion.

So hart wie Kulke beurteilt Grünen-Stadtrat Thomas Löser die Kommission nicht. "Der Neumarkt ist alles in allem bisher gut gelungen", sagt er. Grundsätzlich sei der Stellwerk-Entwurf nicht schlecht, allerdings die Ecke sollte zwingend überarbeitet werden. "Dort sind die Kriterien der Satzung nicht erfüllt.". Deutlich besser in den Proportionen passe der Entwurf von Schubert&Horst-Architekten, der durch kräftige Farben auffällt. Vor den Kommunalwahlen hatten Linke, SPD und Grüne einen Gestaltungsbeirat für die Innenstadt angeregt. Aber sie fanden keine Mehrheit im Stadtrat. Nun haben Grüne und SPD einen neuen Antrag formuliert und hoffen auf Zustimmung. Für welchen Entwurf stimmen Sie, liebe Leser?

Bild 1
Für welchen Entwurf stimmen Sie?

Bild 2
Dieser Entwurf stammt von dem Dresdner Büro Stellwerk-Architekten. Ihn hat die Gestaltungskommission für den Neumarkt auf den ersten Platz gesetzt.

Bild 3
Ein elegantes und zurückhaltendes Erscheinungsbild schlagen die Architekten Schubert&Horst vor.

Bild 4

Der neue Kimmerle-Entwurf soll sich harmonisch an dem Gesamtkomplex und nicht am Kulturpalast orientieren.

 

Kommentar: Da läuft etwas schief am Neumarkt

Bettina Klemm über den Umgang mit Investoren

Es gibt keinen Zweifel, am Neumarkt muss die Qualität stimmen. Grundlage ist ein städtebaulich-gestalterisches Konzept. Darüber waren sich die Stadträte einig. Doch was ist es wert, wenn sich nicht einmal die Kommission, die darüber wachen soll, daran hält?

Mit den sogenannten Leitbauten werden Gebäude originalgetreu rekonstruiert. Für die Mehrzahl der Häuser ist das aber nicht möglich, weil die entsprechenden Unterlagen fehlen. Dort soll angepasst gebaut werden. Um eine gute Lösung zu finden, verpflichten sich Investoren am Neumarkt zu Wettbewerben. Nur für die Ideenskizzen zahlen sie mehrere zehntausend Euro. Das ist o.k., wer am Neumarkt bauen will, sollte einen hohen Anspruch haben. Nicht in Ordnung ist es aber, wie die Gestaltungskommission und letztlich auch die Verwaltung mit Investoren umgeht. Plötzlich wird der Investor in Internetforen zum Buhmann gemacht, obwohl er den Siegerentwurf selbst nicht mag. Zudem soll er aus Lärmschutzgründen Fenster einbauen, die nicht zu öffnen sind. Da läuft gehörig viel schief am Neumarkt. Stadtrat und Bauausschuss sollten sich der Problematik annehmen und einen Kompromiss finden.

 


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