Sächsische Zeitung, 30. Dezember 2015


Dresdner Architekten gegen Wiederaufbau des Narrenhäusels

Das Neustädter Elbufer ist ein Kulturraum von europäischem Rang und verlangt ein Gesamtkonzept, so das Argument.

Von Bettina Klemm


Dresdens Architekten diskutieren heftig über die Pläne zum Wiederaufbau des Narrenhäusels an der Augustusbrücke. Nun haben sie ihre Bedenken in einem Brief an Dresdens Oberbürgermeister sowie an die sechs Stadtratsfraktionen dargestellt. „Das Altstädter und Neustädter Ufer ist ein Stadt- und Kulturraum von europäischem Rang. Beide Ufer der Elbe bedingen sich in ihrer Bedeutung“, schreibt Sprecher Werner Bauer von der Regionalgruppe Dresden des Bundes Deutscher Architekten. Weil die Silhouette der Altstadt den kulturellen Reichtum der Stadt symbolisiert, sei das bauliche Gegenüber auf der Neustädter Seite besonders wichtig.

In diesem Zusammenhang halten die Architekten eine Rekonstruktion des relativ kleinen Narrenhäusels für übereilt. Unterstützung erhalten sie von Wilfried Krätzschmar. Der Präsident der Sächsischen Akademie der Künste hält das Narrenhäusel für einen „Profanbau ohne vergleichbare Bedeutung für die Bebauung des Neustädter Elbufers“. In ihrem Brief schlagen die Architekten vor, dass Fachwelt und Öffentlichkeit darüber diskutieren, wie das Königsufer geplant werden soll.

Im neuen Jahr will Stadtplanungs-Bürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne) das Rahmenkonzept für die Innere Neustadt mit den Dresdnern diskutieren. Schmidt-Lamontain spricht von einer behutsamen Stadtreparatur und von langfristigen Anregungen für die Eigentümer der Wohnhäuser. Veröffentlichte Ansichten, die übrigens vor seiner Zeit entstanden sind, zeigen jedoch als Pendant zum Blockhaus zwei große Gebäudekomplexe. Dies vor Augen, hat die Gesellschaft historischer Neumarkt Dresden nicht nur die Rekonstruktion des Narrenhäusels vorgeschlagen und zugleich einen möglichen Investor und ein Nutzungskonzept präsentiert, sondern auch die Bürger befragt. Bis Anfang Dezember haben über 9 000 Menschen eine Petition für den Wiederaufbau des Narrenhäusels unterzeichnet.

Nach Information der Architekten soll nun am 6. Januar im Bauausschuss über das Projekt beraten werden. Den entsprechenden Antrag hat die SPD-Fraktion eingebracht. (SZ/kle)

 

Kommentar:

Ein großer Klotz stiftet selten Identität

Von Bettina Klemm

Das kleine Gebäude Narrenhäusel erregt die Gemüter. Befürworter und Kritiker sprechen von identitätsstiftender Wirkung. Was ist das eigentlich?

Viele Dresdner würden sich freuen, wenn das Haus des einstigen Hofnarren an der Augustusbrücke wiedererrichtet wird. Sie haben dies mit ihrer Unterschrift unter eine Petition deutlich gemacht. Die Initiative zum Wiederaufbau gewissermaßen als würdiges Gegenüber vom Blockhaus stammt von der Gesellschaft historischer Neumarkt Dresden.

Genau genommen geht es nicht um ein Gebäude aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, sondern um die Erweiterung aus den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Als Profanbau bezeichnet es der Präsident der sächsischen Akademie der Künste. Dresdner Architekten sehen das Wiederaufbauprojekt ebenso mit Sorge. Es würde einer noch freien Flächen am Neustädter Ufer ein Gesicht verleihen und sich später mit wuchtigen Gebäudekomplexen schwer vereinbaren lassen. Diese wiederum sind in Plänen für 2035 enthalten. Das Argument will bedacht sein.

Noch nicht völlig ausgeträumt ist der Wunsch nach einem Konzerthaus an dieser Stelle. Es könnte ein kraftvolles Pendant zu den Gebäuden auf der Altstädter Seite sein. Nach dem Umbau des Kulturpalastes erscheint dies jedoch wenig realistisch. Bleibt die Frage, was soll denn am Elbufer gebaut werden?

Bisher gibt es keine Alternative zum Narrenhäusel. Architekten halten in der Regel nichts vom Nachbau der Arbeiten ihrer Vorgänger. Sie sind für moderne Bauten, das liegt schon in der Natur der Sache. Zudem sind sie wirtschaftlichen Zwängen unterworfen: Wer das Geld gibt, bestimmt bekanntlich die Musik. Austauschbare Neubauten hat Dresden aber wahrlich genügend. Da ist ein wenig Rückbesinnung eine Alternative.


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