Sächsische Zeitung
23. August 2007
Archäologen entdecken einen der letzten Luftschutzkeller
Von Thilo Alexe
Grabungen am Neumarkt bringen Schutzräume aus demzweiten Weltkrieg
ans Licht. In der Nähe vermuten Historiker ein jüdisches Bad.
Archäologisch mag der Fund allenfalls mäßig interessant sein – seine
stadtgeschichtliche Bedeutung ist immens. Bei Grabungen am Neumarkt
hat ein Team des Landesamtes für Archäologie einen Luftschutzkeller
aus dem zweiten Weltkrieg freigelegt. „Das ist einer der wenigen Schutzräume,
die überhaupt erhalten sind“, sagt Grabungsleiter Jens Beutmann.
Fluchtschächte eingezogen
Die Bunker-Anlage liegt auf dem Areal des sogenannten Quartier VIII
nahe des Schlosses (siehe Grafik). Die aus dem 16. Jahrhundert stammenden
Gewölbekeller des Bose’schen Hauses – es stand am Schnittpunkt der
Gassen im rechten Teil des Quartiers und diente einst der Polizei
als Sitz – wurden offenbar während des Krieges zu Schutzanlagen umfunktioniert.
Rohrreste sowie die rot leuchtende Aufschrift „2. Gasschleuse“ verweisen
auf ein Filtersystem, das Schutz vor Giftgas bieten sollte. Fluchtschächte
wurden eingezogen – für den Fall eines Bombentreffers.
„In Dresden gab es kaum solche Anlagen“, sagt Beutmann. Zwar seien
private Keller umgerüstet worden. Sich über mehrere Räume erstreckende,
ausgebaute Bunker seien jedoch selten gewesen. Nach Kriegsende wurde
der Luftschutzkeller „geknackt“, von Menschen. Er diente fortan als
unterirdisches Schuttlager.
Das Gelände, das vom 13. Jahrhundert bis 1945 dicht besiedelt war,
ist im Wortsinne eine Fundgrube. Hier zeigt sich Geschichte. Beutmann
geht davon aus, dass zumindest ein Keller einem von Juden bewohnten
Haus zuzuordnen ist. „Bis 1430 lebten hier Dresdner Juden, die dann
allerdings vertrieben wurden“, sagt er. Stadtarchäologin Christiane
Hemker vermutet, dass das Team noch mehr Zeugnisse jüdischen Lebens
finden wird. „In jüdischen Vierteln gab es meist auch ein Ritualbad,
die Mikwe“, sagt sie. „Wenn wir es hier nicht finden, finden wir in
Dresden keines“, fügt Hemker hinzu.
Im Februar sollen die Grabungen, die das Land rund 400000 Euro kosten,
abgeschlossen sein. Das Areal gehört überwiegend dem Freistaat, ein
kleiner Teil dem Bund. „Wir stehen in Verhandlungen mit Investoren“,
sagt eine Sprecherin des Staatsbetriebes Sächsisches Immobilienmanagement.
Sie geht davon aus, dass der Bauherr noch in diesem Jahr feststehen
wird. Dem Vernehmen nach haben bis zu neun Investoren Interesse gezeigt
– eine verhältnismäßig hohe Anzahl. Die Grundstückspreise am Neumarkt
liegen bei rund 4000 Euro pro Quadratmeter.
„Es gibt bei Investoren Interesse, einen Teil der Ausgrabungen zu
integrieren“, sagt Archäologin Hemker. Was erhalten werde, sei aber
noch nicht geklärt.
Am Tag des offenen Denkmals, dem 9.September, bieten Mitarbeiter des
Landesamtes für Archäologie ab 10 Uhr Führungen durch das Quartier
VIII an.
Fotos: http://www.sz-online.de/nachrichten/fotos.asp?artikel=1583331
zurück zu News
|