Sächsische Zeitung
29.07.2006

Blobel geht auf Nummer sicher
Von Bettina Klemm

Neumarkt. Mit einem Grundstückskauf sichert sich der Nobelpreisträger die Mitsprache beim Bau des Gewandhauses.

Als prominentes Mitglied in der Gesellschaft Historischer Neumarkt hat sich Günter Blobel stets deutlich gegen Pläne ausgesprochen, das Gewandhaus wieder aufzubauen. Doch nun geht der in New York lebende Nobelpreisträger für Medizin auf Nummer sicher: Er soll von jüdischen Erben das Grundstück Neumarkt 13/Frauenstraße gekauft haben. Es liegt im Planungsgebiet und grenzt unmittelbar an die Gewandhausfläche an. Damit dürfte sich Blobel ein direktes Mitspracherecht erworben haben. Architekten munkeln, dass er durch diesen geschickten Schachzug sogar die geplante moderne Bebauung verhindern oder zumindest durch Rechtsstreitigkeiten über Jahre verzögern könnte.

Streitbarer Dresdner Freund

Das Gewandhaus, so die Argumentation der Gesellschaft Historischer Neumarkt, sei bereits 1791 abgerissen und aus gutem Grund nicht wieder aufgebaut worden. Blobel stellte sich im November 2002 auch an die Spitze des Bürgerbegehrens zum historischen Wiederaufbau des Platzes neben der Frauenkirche. Über 63 000 Dresdner haben damals das Begehren unterschrieben und sich damit gegen eine moderne Bebauung der Gewandhausfläche ausgesprochen.

Doch der Stadtrat hat beschlossen, dass die Fläche grundsätzlich bebaut werden soll. Die Investorengruppe Kai von Döring, Arturo Prisco und Kondor Wessels hat Interesse bekundet, einen Vorbescheid bekommen und Pläne zum Bau einer Galerie im Gewandhaus vorgestellt. Sie übernehmen derzeit auch die archäologischen Grabungen.

Ein Wettbewerb soll für Klarheit über die konkrete Gestaltung jener als Quartier VI bezeichneten Fläche sorgen. „Er wird gerade vorbereitet. Im Herbst wissen wir sicher mehr“, sagt Stadtentwicklungsbürgermeister Herbert Feßenmayr (CDU). Auf Antrag der Grünen hält sich der Stadtrat aber ein Hintertürchen offen: Sollten die Wettbewerbsergebnisse nicht überzeugen, werde die Stadt das Grundstück auch nicht verkaufen. Dann müssten die Kosten für die archäologischen Grabungen eben ersetzt werden.

Günter Blobel hat rund 800 000 Euro – den größten Teil seines Preisgeldes vom Nobel-Institut – für den Wiederaufbau der Frauenkirche gespendet. Weitere 50 000 Euro gab er für den Bau der Synagoge. Er leitete die „Friends of Dresden“, den US-Förderverein. Doch Blobel ist kein stiller Geldgeber, wie beispielsweise der Streit um die Orgel für die Frauenkirche zeigte. Er war ein kompromissloser Verfechter des originalen Nachbaus der Silbermann-Orgel – und offensichtlich ein schlechter Verlierer. Immer wieder schaltet sich Blobel in kommunale Debatten ein, versucht sie zu lenken. Egal ob es um die Paulinerkirche in Leipzig, den Marktplatz von Halle oder den alten Bahnhof in Burgstädt ging. Zum Gewandhaus und dessen Plänen wollte sich Blobel gegenüber der SZ nicht äußern.

„Verbrechen an der Stadt“

Auch gegen die Waldschlößchenbrücke ist er zeitig ins Feld gezogen, geißelte sie schon Anfang 2004 in einem Schreiben an die Stadtverwaltung als „Verbrechen an der Dresdner Stadtlandschaft“. Blobel verschaffte sich mit seinen Bedenken auch bei den Unesco-Gremien Gehör. Nun steht Dresden vor der Frage: Brücke oder Welterbe?



Das Grundstück Neumarkt 13/ Frauenstraße - rot markiert im "Stadtplan Historischer Palais und Bürgerhäuser um den Dresdner Neumarkt". Dresden 2001, Hersg. Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden


Das Grundstück Neumarkt 13/ Frauenstraße - rot markiert in "Städtebauliches gestalterisches Konzept. Übersichtsplan." vom Dresdner Dezernat Stadtentwicklung und Bau/ Stadtplanungsamt 1.12.2001.


Farbig markiert: Eckhaus Neumarkt 13/ Frauenstraße in einer Grafik von Andreas Hummel,
die den Zustand von 1851 bis 1945 darstellt.

 

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