Sächsische Zeitung
29. Oktober 2007


Schwebendes Depot für das Albertinum
Von Simona Block

„Graues Wunder“ von Dresden könnte man die Stahlkostruktion nennen. In zwölf Metern Höhe wird dem Museum ein neues Gebäudeteil implantiert.

Kein Lichtstrahl reicht mehr in den Innenhof des Dresdner Albertinums. Zu dicht stehen hunderte Gerüststangen in dem monumentalen Museumsbau vom Ende des 19. Jahrhunderts. Das von vier Flügeln umrahmte Areal gleicht seit Wochen dem Trockendock einer Werft: In zwölf Metern Höhe, über dem Gerüstdschungel, fügen Bauarbeiter unzählige Stahlträger zu einer Art Schiff zusammen - der vom Büro Staab Architekten Berlin erdachten Arche. An dem Wettbewerb zur Gestaltung des Zentraldepots der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden hatten sich 2004 weltweit 92 Architekten beteiligt.

Ein Raumschiff als Dach

In dem spektakulär über dem künftigen Museumsfoyer schwebenden Gebäude sollen Werkstätten und das hochwassersichere Kunstschätze- Depot Platz finden. Dies wurde nötig, da die Aufbewahrungsräume mehrerer Museen beim Hochwasser 2002 überflutet wurden und die sichere Lagerung von Kunstgütern dort unmöglich ist. Die Konturen des „Raumschiffs“ sind bereits erkennbar. Eine sogenannte Lichtfuge in der Überdachung wird später dafür sorgen, dass Tageslicht hinunter ins Museumsfoyer scheint.

In dem rund 1600 Quadratmeter großen und zwölf Meter hohen Raum werden Kasse und Garderobe fast nur schmückendes Beiwerk sein. Darüber gebaut wird derzeit die etwa 60 Meter lange, zweigeschossige Brücke. „Die Stahlkonstruktion liegt auf einem Aufzugsschacht und Stahlbetonstützen, die an Wandscheiben aufgelegt sind, eben wie eine Brücke“, erklärt Schloss-Bauleiter Ludwig Coulin. Ihr Gewicht von rund 3200 Tonnen wird von zwei Meter dicken Stahlstützen getragen, die bis in den felsigen Untergrund ragen.

Nach unten hin sollen Glas und weiße Stoffbahnen die große Platte „tarnen“. Die Konstruktion, die in der Schwebe montiert wird, wurde in Teilen vorgefertigt. „Wie das Blaue Wunder, nur ein Graues Wunder“, sagt Coulin unter Verweis auf eines der berühmtesten Wahrzeichen der Elbestadt - die Stahlbrücke Blaues Wunder.

Parallel zum einzigartigen Depot-Neubau wird der Altbau saniert. In den einzelnen Etagen, wo bis zur Schließung des Albertinums Anfang 2006 Meisterwerke von Gerhard Richter und anderen Malern hingen, ragen Kabel aus den Wänden, liegen Eisenträger frei. Der Boden ist auf- und Wände herausgerissen - Die Räume werden auf den Ursprungszustand zurückgebaut.

Das nur durch die Brühlsche Terrasse von der Elbe getrennte Albertinum wurde 1884 bis 1887 von Carl Adolf Canzler auf den Grundmauern des ehemaligen Zeughauses als Museums- und Archivbau errichtet. Nach dem Umzug der Schatzkammer Grünes Gewölbe und des Münzkabinetts ins restaurierte Schloss 2005 beherbergte es noch die Gemäldegalerie Neue Meister und die Skulpturensammlung. Beide Museen sollen künftig mehr Ausstellungsfläche erhalten.

35Millionen Euro für Umbau

Der Freistaat gibt 36 Millionen Euro für Sanierung und Umbau des Gebäudes aus, das 2009 wiedereröffnet werden soll. In das hochwassersichere Depot- und Werkstattgebäude mit 3000 Quadratmetern Nutzfläche fließen auch Fluthilfemittel und Spenden - darunter die rund 3,4 Millionen Euro, die 2003 bei einer Auktion in der Nationalgalerie Berlin als Grundstock für das Kunstdepot erzielt wurden. Zeitgenössische Künstler wie Georg Baselitz hatten dafür 46 Werke gespendet.

Die nach monatelangem Streit um Standort und Konzept gefundene Vereinigung von Neu und Alt ist nach Ansicht von Kunstsammlungen- Generaldirektor Martin Roth ein großer Schritt in Richtung Zukunft für Dresden. Das entstaubte und architektonisch aufgewertete Albertinum werde auch ein Magnet für jüngere Generationen. Für Bauchef Coulin ist es der Beweis, dass Unesco-Welterbe und Brückenbau sich nicht ausschließen: „Man kann eine Brücke im Welterbe bauen, man muss es nur gut machen und sie anpassen.“ (dpa)



Blick von der Frauenkirchenkuppel auf das neue "schwebende" Depot im Innenhof des Albertinums
Okt. 2007, Foto: T.Kantschew

 

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