Dresdner
Neueste Nachrichten von 29./30.12.07
Von Genia Bleier
Sensation
im Verborgenen
Renaissance-Portal soll 2009 wieder an der Schlosskapelle stehen
In
Sachsens Landeshauptstadt schlummert eine echte Sensation und kaum
jemand - mit Ausnahme einer Hand voll Experten - weiß etwas davon.
Das bedauert Landeskonservatorin Rosemarie Pohlack, denn das Corpus
delicti ist die Lobeshymnen wert, die seit einiger Zeit unter Insidern
zu hören sind. Auch wenn noch nicht alle Zukunftsfragen endgültig
geklärt sind, die DNN lüftet den Schleier ein Stück und stellt die
Kostbarkeit vor, über die man nach ihren Reinigungskuren nur noch
im Superlativ spricht.
Kuriosum Nr. 1: Eigentlich kennt das bewunderte Objekt fast jeder,
der vor dem Januar 2004 im Stadtzentrum unterwegs war. Bis dahin stand
das steinerne Renaissance-Tor am Jüdenhof neben dem Johanneum. Und
zwar schon seit 1876. Doch die Menschheit vergisst ja bekanntlich
schnell. Vor nunmehr fast vier Jahren ist das mit den Jahrhunderten
fragil gewordene Kleinod im Zuge der Neumarktbebauung zur Sicherheit
demontiert und eingelagert worden. Am Jüdenhof wirkte es ohnehin deplatziert,
abgestellt wie ein überflüssiges Möbel.
Kuriosum Nr. 2: Die sich zur Hymne aufschwingende Geschichte des kunstvollen
Objektes aus Cottaer Sandstein und Eichenholz glich die längste Zeit
eher einer Tragödie. Das "Schöne" oder auch (seines Teilanstriches
wegen) "Goldene Tor" musste ein hartes Schicksal erleiden. Wurde es
doch gut 180 Jahre nach der Erschaffung von seinem Platz an der Schlosskapelle
an die Sophienkirche "strafversetzt". August der Starke war zum katholischen
Glauben übergetreten und sein Sohn, Friedrich August II., ließ durch
Chiaveri die katholische Hofkirche errichten. Eine Zeit lang nutzten
die protestantischen Stände noch die Schlosskapelle für Gottesdienste,
bis sie ganz aufgegeben wurde. Augusts Sohn hatte die evangelische
Hofkirche 1737 in die Sophienkirche verlegt. Damit musste auch das
Portal umziehen. Mit dem neogotischen Umbau der Sophienkirche war
das Tor erneut im Wege, wurde zerlegt und lagerte acht Jahre im Palais
im Großen Garten bzw. auf der angrenzenden Wiese. Seinem Erhaltungszustand
diente das nicht. Zwei bekrönende Figuren waren schon vorher verloren
gegangen. Dass das Kleinod dann mitten im Zentrum neben dem Johanneum
die Bombennächte 1945 überstanden hat, grenzt an ein Wunder. Die kostbare
Holztür war glücklicherweise rechtzeitig in Sicherheit gebracht worden.
Mit Schutzdach versehen und mit lange zugemauertem Durchgang trotzte
die "Schöne Pforte", wie sie auch heißt, allen weiteren Unbilden.
Nun soll die Odyssee Ende 2009 endlich beendet sein. Das teilt die
Pressestelle des Finanzministeriums auf Anfrage mit. Bis dahin sei
die Rückkehr des Tores in den Großen Schlosshof als Eingang in die
Schlosskapelle geplant, informiert Kerstin Dietze. Schon Anfang 2008
soll nach Angaben des Landesamtes für Denkmalpflege der Aufbau beginnen.
Heute befindet sich an dieser Stelle noch eine Fotokopie, die nur
vage ahnen lässt, welchen Schatz der Freistaat gegenwärtig aufarbeiten,
teilweise auch kopieren lässt.
Für Kunsthistorikerin Angelica Dülberg, beim Landesamt für die wissenschaftliche
Betreuung der Künstler im Schloss zuständig, kommt angesichts der
Pracht nur der Begriff Portal in Frage. Seit Ende 1990er Jahre erforscht
sie dessen Entstehung, Bedeutung und Schicksal auf fast kriminalistische
Weise, nimmt Spuren auf und verfolgt diese akribisch, reiste nach
Krakau und Prag, vergleicht die künstlerischen Handschriften. Heute
ist sich Dülberg sicher, dass neben Hans Walther II und seiner Werkstatt
der Anteil italienischer Meister weit größer ist, als bisher angenommen.
Der Entwurf geht vermutlich auf den Italiener Giovanni Maria da Padua
zurück. Er war als Hofbildhauer in Krakau tätig und für 39 Wochen
nach Dresden ausgeliehen worden. Darüber hinaus sieht es Dülberg als
bewiesen an, dass sechs Italiener (als "welsche Künstler" bezeichnet),
die in Prag tätig waren, entscheidend am Dresdner Portal mitgewirkt
haben. "Ich bin überzeugt, dass die einzigartigen, qualitätvollen
Reliefs an unserem Portal Italiener geschaffen haben. Nur sie konnten
das mehrfach überlappende Rankenwerk so fein herausarbeiten." Hans
Walther II und seiner Werkstatt werden das Relief Auferstehung Christi
in der Attika und die großen Figuren zugeschrieben, von denen eine
(Johannes der Evangelist) im Barock von Johann Benjamin Thomae neu
geschaffen wurde. Hans Walthers späteres Schlosskapellenportal in
Schwerin sei schon wieder "flacher, eben deutscher", untermauert Dülberg
ihre Italien-Theorie. Auch das Mittelrelief der Holztür sei italienisch
beeinflusst und weise in seiner Technik auf Venedig hin. Direkte Beweise
sind schwer, denn "vergleichbare Portale gibt es heute nicht mehr",
so die Wissenschaftlerin.
Umso bedeutungsvoller ist das Dresdner Schlosskapellenportal für die
Fachwelt. Aus heutiger Sicht sei es einmalig in Europa, erkannte Dülberg.
Es gleicht einem antiken römischen Triumphbogen. Zum ersten Mal aber
wurde das weltliche Motiv der Verherrlichung des römischen Machthabers
zum Triumphtor Christi (siehe bekrönende Mittelfigur mit der Siegesfahne)
und des Protestantismus. Das hält Dülberg geradezu für genial. Nicht
weniger Lob gibt es für die Ausführung. "Das schönste Portal nördlich
der Alpen" urteilt Pohlack. "Portal und Tür sind das Edelste, dass
es in Dresden noch gibt", findet Restaurator Jochen Flade. Er ist
derzeit mit der Reinigung und Ergänzung der 450 Jahre alten Holztür
beschäftigt. Diese Feingliedrigkeit der Sandstein-Reliefs habe sie
nicht für möglich gehalten, betont Pohlack. Erst die Reinigung durch
moderne Laserverfahren in verschiedenen Dresdner Werkstätten brachte
die ganze Schönheit zutage. Schmutz und alte Ölanstriche wurden entfernt.
Noch lagern die einzelnen Teile in den Restaurierungswerkstätten.
Besonders empfindliche Segmente sind abgegossen worden bzw. sollen
auf Wunsch der Denkmalpflege noch auf diese Weise kopiert werden.
Die bekrönenden Figuren existieren bereits als Kopie. Auch die Eichenholztür
soll nach ihrer endgültigen Restaurierung kopiert werden. Nach Meinung
von Experten sind die bisherigen Arbeiten in Regie des Sächsischen
Immobilien- und Baumanagements (SIB) sehr qualitätsvoll durchgeführt
worden.
Über
die perfekte Lösung einer künftigen Verwendung sind die Diskussionen
noch nicht beendet. Das Finanzministerium will ein zu großen Teilen
aus Originalstücken bestehendes Tor vor die Schlosskapelle stellen
und gefährdete Teile, wie die feinen Reliefs und die Figuren durch
Abgüsse und Kopien ersetzen. Die Originale sollen in der Kapelle gezeigt
werden. Im Gespräch waren bzw. sind auch der überdachte Innenhof des
Albertinums und der Riesensaal des Schlosses. Die Denkmalpflege hofft
auf so viel museale Bewahrung der wertvollen Renaissance Originale
wie möglich. Laut Pressestelle des Finanzministeriums sind für die
Restaurierung und Kopien eine knappe Million Euro eingeplant. Ministerium,
SIB, Denkmalpflege und Staatliche Kunstsammlungen suchen gemeinsam
nach der Lösung.
Schöne Pforte
um 1900 - Foto: Dt. Fotothek / SLUB
Sächsische
Zeitung vom 07.01.08
Folie-Dach für Schlosshof wird dieses Jahr gebaut
Das seit Längerem geplante durchsichtige Dach über dem kleinen Hof
im Dresdner Schloss soll in diesem Jahr gebaut werden. Das bestätigte
jetzt Ludwig Coulin, Chef des Sächsischen Bau- und Immobilienmanagements.
Seit nunmehr fast zwei Jahren läuft der Test für das lichtdurchlässige
Dach über dem Kleinen Schlosshof. Das Büro des Architekten Peter Kulka
stellte im November 2007 ein erstes Muster in Originalgröße zur Verfügung.
Per Kran wurde es über den Hof gehoben, um eine exakte Vorstellung
von der Konstruktion zu bekommen. „Wir kämpfen um jedes Gramm, um
das Foliedach und sein Stahlgerüst noch leichter und transparenter
zu machen“, sagte damals Coulin. Besonders schwierig ist die Ableitung
der Kräfte in das Gebäude. Nach langem Suchen sei jetzt eine sächsische
Stahlbaufirma gefunden worden, die die Anforderung an die Konstruktion
des Daches erfüllt.
In dem Kleinen Schlosshof soll mithilfe des durchsichtigen Daches
das neue Foyer entstehen, um die Tausenden von Besuchern besser in
dem Museumskomplex empfangen zu können. (SZ/uf)
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