Offener
Brief der Architektenkammer Dresden zum Thema
Neubau Gewandhaus Dresden
Die heftig andauernde, offenbar aussichtslose Diskussion um die Gewandhaus
-
Grundstücksneubebauung - vor allem durch die Gesellschaft "Historischer
Neumarkt
Dresden" emotional aufgeladen - veranlasst Mitglieder der Kammergruppe
Dresden
der Architektenkammer Sachsen, fachlich und sachlich zur Thematik
Stellung zu
beziehen.
Die Architektenkammer Sachsen setzt sich bekanntlich aus Architekten,
Innenarchitekten, Garten- und Landschaftsarchitekten und Stadtplanern
zusammen.
Auf einer Kammergruppensitzung am 14. August 2007 wurde zu dieser
Problematik
ausführlich diskutiert.
Bereits in den 80er Jahren wurde in der Stadt Dresden unter den Fachleuten
im Büro
des Stadtarchitekten, in Planungs- und Projektierungseinrichtungen
sowie an der TU
Dresden um die Neumarktbebauung einschließlich der Gewandhausneubebauung
gerungen. Das alte Gewandhaus markierte wie das alte Stallgebäude
( Johanneum )
die Ostkante der mittelalterlichen Stadt, nachdem die Frauenkirchenvorstadt
im
16. Jahrhundert in die Festung einbezogen worden war. Im Zuge der
barocken
Umplanung des Neumarktes um 1717/18 wurde die Vorderkante Gewandhaus
ausdrücklich als westliche Platzkante bestimmt. Es existiert eine
Vielzahl von
Planungen (z.B. Pöppelmann), das Gebäude durch einen damals
modernen Bau zu
ersetzen, die letzte 1791 als Hauptwachgebäude, die alle aus wirtschaftlichen
Gründen nicht zustande kamen, sodass der funktionslose und inzwischen
baufällig
gewordene Baukörper, 1791 abgetragen und die Fläche dem Platz zugeschlagen
wurde, mit der Option einer erneuten Bebauung, zu der es in Folge
der
Napoleonischen Kriege und deren Folgen dann nicht mehr kam.
Der vor dem Johanneum befindliche Jüdenhof als kleiner, intimer Platzraum
wurde
damit in seiner räumlichen Wirkung stark beeinträchtigt, beide Plätze
flossen zu
einem amorphen Gebilde zusammen. Durch einen neuen Baukörper für das
Gewandhaus entstünde wieder eine wirksame Begrenzung des Neumarktes
innerhalb des zusammenhängenden historischen Platzgefüges.
Fazit 1:
Der Gewandhausneubau ist eine städtebauliche Notwendigkeit für die
Platzgestaltung des gesamten Neumarktes.
Aufgrund eines Stadtratsbeschlusses von 2002 wurde ein Architektenwettbewerb
durchgeführt und durch eine internationale Jury mit einem klaren Votum
für den
rsten Preisträger ausgewertet. Die Gestalt des von Professor Peter
Cheret und
Jelena Bozic aus Stuttgart vorgeschlagenen Baukörpers ist zunächst
ungewohnt und
provoziert hinsichtlich seiner Erscheinung gegenüber der Frauenkirche.
Das aber ist
seine architektonische Qualität im Geiste des 21. Jahrhunderts gegenüber
dem
Geist der Frauenkirche aus dem 18. Jahrhundert. Insofern ähneln sich
beide
Gebäude als Solitäre in ihrem geistigen Anspruch. Das neue Gewandhaus
in
moderner, qualitätvoller Formensprache ist weder "...eine städtebauliche
Tragödie"
(Zitat Jan Mücke, FDP) noch konkurriert es mit der Frauenkirche. Es
nimmt in seiner
Höhe, in seiner Geschossausbildung, mit seinen Vor- und Rücksprüngen
vielmehr
ausdrücklich Bezug auf das Johanneum und die westlich anschließenden
Bürgerhäuser mit ihren historischen Fassaden. Verbesserte Blickbeziehungen
zu
Frauenkirche und Johanneum sowie die Gestaltung des Neubaus - auch
in seinem
Raumgefüge - heben das Gewandhaus besonders heraus und machen es zum
Unikat - ebenso wie Frauenkirche und Johanneum.
Fazit 2:
Das Innovative dieses Gewandhausentwurfes korrespondiert mit dem Neumarkt
und dem historischen Gegenüber.
Heute bewundern wir die Gestalt und Harmonie alter europäischer Plätze.
Sie
entstanden selten aus einem Guss, sondern wurden über Jahrhunderte
in den jeweils
aktuellen Formensprachen errichtet. Dabei ist, trotz oder gerade wegen
ihrer
Unterschiede eine lebendige gestalterische Einheit entstanden. Warum
soll das am
Dresdner Neumarkt nicht möglich sein?
Dresden bräuchte endlich eine Befreiung vom Provinzialismus und eine
Hinwendung
zu mehr Weltoffenheit - auch in der architektonischen Gestaltung.
Diese
Weltoffenheit ist immer wieder durch Architekten von außerhalb in
die Stadt getragen
worden. Nicht barocke Dekorationsverkleidung vor reinen Betonneubauten
- sondern
selbstbewusst als Ganzheit geschaffene Bauten der Gegenwart werden
zukünftig
Dresden als einen Ort der Entwicklung von Baukultur erscheinen lassen.
Fazit 3:
Das Wettbewerbsverfahren stellt eine rechtliche Grundlage dar.
Die richtige Entscheidung des Stadtrates zur Durchführung eines
Architekturwettbewerbs für die Bebauung dieser städtebaulich wichtigen
Stelle in
Dresden verpflichtet den Stadtrat auch, das gesamte Wettbewerbsverfahren,
dessen
ordnungsgemäße Durchführung von der Architektenkammer Sachsen als
Körperschaft des Öffentlichen Rechts geprüft und beobachtet wurde,
sachlich und
objektiv in die weitere Diskussion einzubeziehen.
Das internationale, aber auch mit Dresdner Fachleuten besetzte Preisgericht,
handelte unabhängig. Die Entscheidung ist zu würdigen.
Deshalb stehen wir hinter dem Entwurf des ersten Preisträgers.
Siegfried Kühn, Prof. Siegfried Hausdorf, Prof. Gerhard Glaser, Bernhard
Hase, Eberhard Harnisch, Antje Baar, Julia Heisenberg, Marc Rennfleisch,
Robert Storch, Holm Dietrich, Rolf Gast, Bernd Rühland, Dirk Friedrich
Sehmsdorf, Oliver Breuninger, Wolfgang Weimann, Anne Teresiak, Dr.
Thomas Wagner, Susanne Thiele, Karl Schulze, Jan Klömich, Michael
Bopp, Prof. Dr.-Ing. Gisela Raap, Dr.-Ing. Claus-Dieter Ahnert – Sekretariat
der Kultusministerkonferenz, Holm Pinkert, Ulf Zimmermann, Dr. Jörg
Düsterhöft, Hartmut Richter, Uwe Schmidt, Prof. Manfred Zumpe, Udo
Forstmann, Dr.-Ing. Andreas Pirr, Markus Weber, Jan Jaenecke, Torsten
Heinze, Astrid Wölk, Dietmar Eichelmann, Michael Simonsen, Markus
Kremtz, Norbert Zimmermann, Dr.- Ing. Karl Unger, Iris Gleichmann,
Ines Sommer, Siegfried Schwarz, Dr. Annelies Blätterlein, Lars-Olaf
Schmidt, Eckehardt Schmidt, Julia Kretzschmar, Günter Kretzschmar,
Frauke Craco, Tobias Sachse, E.Michael Bodechtel, Andreas Ammon, Ferdinand
Eichler, Doreen Schenker, Marianne Steinhagen, Tobias Müller, Jenny
Clasen, Dorothea Becker, Thomas Strauch-Stoll, Steffen Lukannek, Helgrid
Bretschneider-Lange, Mischa Seidel, Christian Herold, Thomas Lindner,
Uta Schneider, Bernd Horn, Anja Klett, Torsten König, Benjamin Grill,
Hendrik Neumann, Pamela Jäger, Claudia Muntschik, Cathrin Seehars,
Lutz Erichsen, Matthias Horst, Roland Lehnen, Holger Pitz-Korbjuhn,
Michael Barth, Prof. Carlo Weber, Peter Schulze, Steffen Thombansen,
Jens Lehmann, Jens Heinrich Zander, Walter Miller, Alexander Pötzsch,
Inga-Maria Rohde, Alexander Beck, Heiner Göpfert, Claudia und Wolfram
Richter, Ruth Paul, Olaf Langenbrunner, Christoph Hahn, Christiane
Lang, Steffen Tietze, Gisela Krämer, Eva-Maria Lang, Prof. Thomas
Knerer, Prof. Dr. Gerd Bürger, Matthias Kretzschmar, Markus Schaich,
Sieglinde Popp, Alexander Krippstädt, Oliver Stolzenberg, Joachim
Dirr, Stefan Mutscher, Peter Kostka, Prof. Dr.-Ing. Kurt Brey, Volker
von Gagern, Andreas Niesel, Thomas Münch, Sonja Rossa-Banthien, Jens
Rossa, Carsten Reupke, Janette Uhlig, Klaus-Jürgen Schnell, Hermann
Sträb, Bettina Spillecke, Jana Windelband, Matthias Rietmann, Reiner
Petri, Gerald Mikoleit, Christian Müller, Christian Strauss, Kai v.
Döring, Ronny Kockot, Fabian Zens, Philipp Herrich, Kai Mundel, Martin
Laasch, Andreas Hirt, Clemens Galonska, Andreas Blume, Anke Brandt,
Christoph Mann, Peter Valentin Sack, S. Fischer, Jörg Vorwerk, Anja
Seidler, Alexander J. Zemp, Thomas Kahre, Anett Schirduan, Dr.- Ing.
Peter Tzschacks
Dresden, den 27.08.2007
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