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ORNAMENT
UND ABSTRAKTION
KUNST DER KULTUREN, DER MODERNE UND GEGENWART IM DIALOG
Islam - Runge - Kandinsky - Picasso - Matisse - Stella u.a.
10. Juni - 23. September 2001
Das Ausstellungsprojekt "Ornament und Abstraktion" behandelt
ein grosses Thema der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts, das bislang
noch nicht in diesem Umfang dargestellt wurde: durch Gegenüberstellungen
von Werken unterschiedlicher Kulturen und Zeiten werden in der Fondation
Beyeler neue Zusammenhänge erschlossen und in anschaulicher Weise
präsentiert.
Die Bedeutung des Ornaments für die Grundlegung und Entfaltung der
abstrakten Kunst wurde lange Zeit unterschätzt: Für Pioniere
wie Kandinsky und Mondrian galt das Ornament lange Zeit als "Sündenfall"
für die Abstraktion. Bis zu seiner Verdammung durch Adolf Loos ("Ornament
und Verbrechen", 1908) war das Ornament in allen Kulturen in einer
jeweils eigenen, jahrtausendealten Geschichte präsent. Im 19. Jahrhundert
hat es sich dann gleichsam als "blinder Passagier" in die Konzeption
des modernen Tafelbildes eingenistet und begann so die Entwicklung der
abstrakten Kunst als formales und methodisches Element zu beeinflussen.
Die prinzipielle Affinität von Ornament und abstrakter Malerei erklärt
auch das periodische Auftauchen des Ornamentalen in der Kunst des 20.
Jahrhunderts. So ist beispielsweise der "Hang zum Ornamentalen"
in der Kunst der Nachkriegszeit ein augen- und sinnfälliges Charakteristikum.
Das Ornament ist formal, aber auch inhaltlich als ein Schlüsselbegriff
für das Verständnis der Abstraktion der achtziger und neunziger
Jahre zu verstehen.
Als "Leuchttürme" führen vier wichtige Künstler
der Moderne durch das komplexe Thema der Ausstellung: Wassily Kandinsky,
Piet Mondrian, Henri Matisse und Frank Stella. Diesen Künstlern wird
im Rahmen von "Ornament und Abstraktion" eine ausführlichere
Präsentation gewidmet.
Den Auftakt der Ausstellung bildet die neuartige Bildkonzeption von Philipp
Otto Runge: hier findet die letzte genuine Form der Ornamentgeschichte,
die Arabeske, am Anfang des 20. Jahrhunderts Eingang in die Tafelmalerei.
Von dort wirkt die Arabeske über den Symbolismus (Gauguin) und den
Jugendstil (van de Velde, Klimt, Hoffmann) auf das "Abstraktwerden"
des Tafelbildes ein (Kandinsky, Kupka, Hölzel) und konkretisiert
sich einerseits als gegenstandsfreie, geometrische Linienstruktur (Mondrian)
oder als kurvilineare Formation in den Bildern von Matisse und Pollock.
Damit eröffnet die arabeske Abstraktion neben dem "Königsweg
Kubismus" einen zweiten Zugang zur Welt des Ungegenständlichen.
Die Ausstellung möchte aber nicht nur eine Ansammlung von Werken
mit ornamentalen Gestaltungsweisen vorführen, sondern tatsächliche
form- und kulturgeschichtliche Zusammenhänge aufzeigen. Sie geht
der interessanten Frage nach, inwiefern gewisse Tendenzen der abstrakten
Malerei nicht auch als Fortsetzung formaler Entwicklungen der Ornamentgeschichte
zu
verstehen sind. Die theoretischen Erkenntnisse zum Thema "Ornament"
leisten überdies einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des
Verhältnisses zwischen Abstraktion und Figuration, ungegenständlicher
und gegenständlicher Kunst (Kandinsky, Klee).
Wesentliche Einflüsse ergeben sich auch aus dem Dialog moderner Künstler
mit der Ornamentik ferner Kulturen, wie etwa Henri Matisse mit dem Orient
und Ozeanien, Ad Reinhardt mit der Kultur des Fernen Ostens oder die amerikanische
Malerei mit dem präkolumbischen Ornament (Josef und Anni Albers).
Durch die Abstraktion schuf sich das moderne Tafelbild die Möglichkeit,
auf neuartige Weise mit dem Umraum und der Architektur Verbindungen einzugehen
(van Doesburg, Léger). Die wand- und raumgreifende Malerei von
Henri Matisse sowie die Malerei der De-Stijl-Bewegung und des Bauhauses
lassen sich auch als "Fortsetzung des Dekors mit abstrakten Mitteln"
lesen. Diese Grundtendenz erweiterter Malerei führte bis in die Gegenwart
und zu den vielfältigsten Formulierungen (LeWitt, Buren).
Ein zentrales Bindeglied zwischen der klassischen Moderne und der Gegenwart
bildet die amerikanische Malerei der 50er und 60er Jahre (Pollock, Johns,
Kelly, Stella usw.), die über Henri Matisse wesentliche Impulse in
Hinblick auf ihre ornamentalen Gestaltungs- und Entwicklungsprinzipien
bezog. Für Frank Stella ist eine kleine Werkübersicht geplant,
die zeigen soll, dass seine vielfältig kritisierte Wandlung vom geometrischen
Minimalisimus der 60er Jahre zu den opulenten Metallreliefs der 80er und
90er Jahre der Logik der Avantgarde widerspricht, wohl aber überraschende
Parallelen zur Strukturgeschichte des Ornaments von der Renaissance zum
Rokoko aufweist. Ein Kabinett mit Ornamentstichen aus dem 15. bis 18.
Jahrhundert und die fototechnische Rekonstruktion von François
de Cuvilliés Spiegelsaal in der Amalienburg in München sollen
dies anschaulich machen.
Spektakulär sind ebenfalls der Nachbau des Mondrian-Zimmers nach
Originalplänen (1926) und die Installation einer Rekonstruktion des
Beethoven-Frieses von Klimt (1907/8). Vor Ort werden die Künstler
Sol LeWitt, Daniel Buren und Kara Walker raumbezogene Installationen realisieren.
Ein Ausstellungsbereich mit ausgesuchten Werken der Gegenwart (Taaffe,
Armleder, Federle, Merz, Reed u.a.) will zeigen, dass die Diskussion um
die gegenstandslose Malerei der achtziger und neunziger Jahre nur mit
Bezug auf das Ornament sinnvoll geführt werden kann. Eine augenfällige
Wiederkehr feiert das Ornamentale in den neuen Medien, deren innere digitale
Logik viel mit den Bildungsgesetzen des Ornaments gemeinsam hat (Peter
Kogler, Shirin Neshat, Knowbotic Research): Die Zukunft der vernetzten
Kommunikation des 21. Jahrhunderts wird eine ornamentale sein.
An der Schwelle zum 21. Jahrhundert wird mit dieser Ausstellung also der
Blick auf die wichtigste Errungenschaft der bildenden Kunst des vergangenen
Jahrhunderts, die Abstraktion, und die Rolle des Ornaments gerichtet.
(Dr. Markus Brüderlin, Kurator)
Eine als Katalogbuch angelegte Publikation im DuMontVerlag dokumentiert
die ausgestellten Werke in repräsentativer Weise und vertieft das
Thema anhand von Aufsätzen namhafter Autoren.
Kontakt:
Dr. Bettina Mette, presse@beyeler.com, Tel.: +41(0)61 645 97 21, Fax +41(0)61
645 97 39
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