Denk-
mal!
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Denkmalwürdigkeit
von Rekonstruktionen?
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Denk Mal! Die aktuell noch
bis 13. November 2005 im Dresdner Schloss laufende Ausstellung "ZeitSchichten"
zu 100 Jahre Denkmalpflege in Deutschland seit der Herausgabe des
ersten Handbuches der Deutschen Kunstdenkmäler durch Georg Dehio 1905
macht tatsächlich auf eine Problematik aufmerksam, über die man nicht
so einfach hinweggehen sollte. Die neu errichteten Leitbauten und
-fassaden am Neumarkt, Kopien von kriegszerstörten barocken Gebäuden,
werden - selbst wenn sie auch im Grundriss völlig authentisch dem
damaligen Original entsprechen, eben nicht mehr das verloren gegangene
Original ersetzen können. Die letzten originalen Reste der Neumarkt-Bürgerhäuser
sind durch den Abriss der Kellerfundamente mit Segen des sächsischen
Landesamtes für Archäologie verschwunden. Wenn überhaupt, existieren
nur noch einige Fragmente aus dem Schutt geretteter plastischer Bauteile.
Bei der Beantwortung
der Frage hilfreich ist vielleicht ein Schwenk gerade auf die Anfänge
der in der Dresdner Denkmalpflege- Ausstellung vorbildlich aufgefächerten
Entwicklung des Deutschen Denkmalschutzes seit 1900. Damals wurde
zum ersten Mal, aufbauend auf die Arbeit Schinkels und anderer, von
Dehio ein Bewusstsein um den Wert eines Baudenk-mals wissenschaftlich
dargelegt und daraus folgend die Notwendigkeit anvisiert, dieses Einzelbauwerk
oder eben ein ganzes städtebauliches Ensemble vor rabiater Veränderung
oder gar Abriss zu bewahren.
Auch am Neumarkt riss man kurzerhand das noble, sicher auch sanierungsbedürftige Hotel de Saxe 1888 mit dem eleganten Festsaal ohne viel Skrupel ab, um ein prunkendes, eklektizistisches Postgebäude zu errichten, ganz im Sinne des nach Weltgeltung strebenden wilhelminischen Kaiserreichs. Abgebrochen wurden die Rokkoko-Kleinbauten auf der Brühl'schen Terrasse zugunsten der neuen Kunstakademie. Ebenso fielen im Neumarktumfeld jede Menge originaler barocker Adels- und Bürgerpalais neuen Nutzungen zum Opfer, wie z.B. auf der Schiessgasse für den Monumentalbau des einschüchternden Polizeigebäudes 1894-98 eine ganze Fassadenreihe schönster Bürger- und Adelshäuser des Dresdner Barocks.
So blieb der Neumarkt und dessen Umfeld als Flächendenkmal, wie die europäischen Innenstadtplätze von Riga, Stockholm oder Salzburg und viele andere auch, im wesentlichen in seinem äußeren Erscheinungsbild - auch durch das Bemühen vieler Denkmalschützer erhalten - in Dresden bis 1945. Man sollte diese damaligen Bemühungen der deutschen Denkmalpflege in heutige Überlegungen zum Verhältnis zwischen der zu schützenden authentischen Originalsubtanz und möglichen Rekonstruktionen kriegszerstörter Bauten mit einbeziehen. Diese dem damaligen entfremdeten Industrieproletariat wie dem jetzigen modernen Bürocomputer-arbeiter ebenso wichtigen Geschichtskerne (als Zeichen ihrer Zugehörigkeit zu einem verbindenden Gemeinwesen) sollten als Teil einer lebendigen Erinnerungskultur in einem vernünftigen Verhältnis von Zeitgenössischem und Traditionsbildern erlebbar gemacht werden. Gerade im Prozess einer beschleunigten Auflösung des herkömmlichen Stadtbegriffs durch globalisierte, perforierte oder virtuelle Städte verstärkt sich eben eine Sehnsucht, solche, wenn auch ein Stück weit künstlich erzeugten "Geschichtsinseln" selbst materiell zu erfahren. Das schmälert nicht den herausgehobenen und den nicht zu relativierenden Wert des Originals. Aber die Originale einer Bürgerkultur sind halt in einer so schwer durch Krieg und Ruinenberäumung radikal enthistorisierten Stadt wie Dresden nicht mehr vorhanden. Sie wandern eh, falls noch im Stadtraum vorhanden, ins Museum und werden allerorten durch Kopien ersetzt, wie viele barocke oder Renaissance Skulpturen, so auch in Dresden beim Moritz-Denkmal, bei den Zwingerfiguren und vielen anderen originalen Kunstwerken.
Was wir dennoch am authentischen originalen Ort sehen sind Ideen, seit Jahrzehnten des frühen 20. Jahrhunderts immer wieder reproduzierte Abbilder einer künstlerischen Idee, wie es uns z.B. eben auch die unablässig währende Pflege und Wiederherstellung des Dresdner Zwingers vor Augen führt. Von ihm ist, das ahnen die wenigsten, heute kaum noch 10% originaler Bausubstanz vorhanden und dennoch wissen wir die Dublikate fröhlicher Heiterkeit einer privilegierten Hofkultur ganz entspannt und demokratisch zu genießen - ohne zu unterscheiden, was nun noch original Pöppelmann, was 19., 20. oder 21. Jahrhundert ist. Ein heutiger zeitgemäßer Denkmalpflegebegriff integriert diesen ideengeschichtlichen Hintergrund im Verständnis des Gesamtwertes eine Denkmales und macht so auch dessen vergangene philosophische, soziale und politische Vorstellungen von Zeitgeist und Baukultur anschaulich. Ob man da eher das Zeitschichtenhafte betont oder mehr die Wirkung des Gesamtensembles als das Einzelteil im Auge hat, hängt natürlich auch von unserem jetzigen Gesellschaftsbegriff zusammen. Deutschland 2005. Unsere deutsche Ost-West-Gesellschaft tut sich mit einer neuen gemeinsamen Identitätsbildung im Zuge eines schmerzhaften deutschen (und europäischen) Einigungsprozesses eben doch sehr schwer. All das kann in 10 oder 20 Jahren schon wieder ganz anders aussehen.
Und vielleicht - um zum Ausgangspunkt der Denkmalwürdigkeit von Reproduktionen zurück zu kehren, wird man dann drei oder fünf Generationen später - jenen heute gebauten ausgleichenden Kompromiss am Neumarkt als das Typische und Erhaltenswerte eines dann als Denkmal erkannten Wertes schätzen, bewahren und wiederum verteidigen wollen vor den Veränderungswünschen des nächsten 22. Jahrhunderts. Heute jedoch - zur Erbauungszeit 2005 sind die Repliken von Leitfassaden oder Leitbauten am Neumarkt keine Konkurrenz zum originalen Denkmal.
Thomas Kantschew (August 2005)
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