Seit Jahresanfang ist das Stadtmuseum an der Wilsdruffer Straße geschlossen.
In neuem Glanz soll es zur 800-Jahr-Feier Dresdens 2006 zentraler
Veranstaltungsort der Dresdner Stadtgeschichte sein. Drei Millionen
Euro, je zur Hälfte von der Stadt und vom Bund aus dem Programm "Kultur
in den neuen Ländern" bestritten, stehen zur Verfügung. Wie sich jetzt
herausstellt, reicht diese Summe zur Top-Sanierung aber nicht aus.
Der Weihnachtsmann - abgestellt in einem leeren Raum mit herausgerissenem
Fußboden - hat sich den Mund und ein Auge verbunden. Will er zu dem
Chaos ringsum schweigen und am liebsten nichts sehen? Der Bärtige
im Piratenlook ist das Überbleibsel der Weihnachtsausstellung im Landhaus.
Mit ihrem Ende begann im Januar das große Ausräumen. Schauflächen
und das vollgestopfte Depot sind inzwischen beräumt. Rund 50.000 Objekte
wurden ausgelagert. Denn im Stadtmuseum hat die überfällige Sanierung
begonnen. Bis zum Januar 2006 muss sie beendet sein, wenn Dresden
ins Jubiläumsjahr startet. Spätestens dann soll das Haus die "museale
Biographie der Dresdner" widerspiegeln. So poetisch umschreibt Abteilungsleiter
Friedrich Reichert den Kraftakt.
Was während der Schließphase alles zu tun ist, umreißt Stadtmuseumsdirektor
Werner Barlmeyer: "Wir müssen alles gleichzeitig in Angriff nehmen,
den Umbau des Hauses einschließlich völlig neuer Technik, die neue
Dauerausstellung, die Galerie Dresdner Kunst, die Digitalisierung
der Bestände, die Sonderausstellungen." Manches Konzeptionelle ist
noch im Diskussionsstadium, wie die künftige Nutzung des prachtvollen
Treppenhauses oder des Festsaales. Vielleicht könnte es ja neben
Tanz- und Musikdarbietungen auch "Treppenreden" im Landhaus geben,
überlegt Barlmeyer. Keinesfalls werde es mit Bildern bestückt. "Dieses
Treppenhaus inszeniert sich selbst." Im Festsaal, der nicht grundsaniert
wird, sollen Diskussionsforen und mediale Präsentationen stattfinden.
Die zwei wichtigsten, eng miteinander verbundenen Entscheidungen
stehen noch aus: Schnell geklärt werden muss der Platz für den notwendigen
Fluchtweg aus dem östlichen Teil der Galerie. Einen längeren Atem
braucht die geplante Wiedererrichtung des zerstörten Ostflügels.
Im Bebauungsplan ist er bereits enthalten. Für die Fluchttreppe
existieren eine Innen- und eine Außenvariante, erläutert Barlmeyer.
Sie sollen jetzt von der Verwaltung gegeneinander abgewogen werden.
Komme die Innentreppe, wie sie der Bauausschuss will, würde der
Galerieraum um rund 15 Prozent verkleinert und in seiner Wirkung
beschädigt. Barlmeyers Vorschlag ist der Anbau außen am Gebäude,
als eine temporäre Lösung, bis der Ostflügel wieder steht. "Im anderen
Fall versperrt man eine ganz wichtige Zukunftsoption."
Das neue Stadtmuseum erhält seinen Zugang entsprechend der Historie
wieder von der Landhausstraße aus. Hier nimmt man die Symmetrie
des Komplexes viel deutlicher wahr. Dorische Säulen und ein Dreiecksgiebel
weisen auf die erste klassizistische Fassade in Dresden hin. Der
Fußweg soll breiter werden, damit die Besucher an der ursprünglichen
Schauseite ordentliche Empfangsbedingungen vorfinden. Für das Dresdner
Architekturbüro Klinkenbusch + Kunze ist es keine leichte Planungsaufgabe,
in die verschiedenen Stilelemente vom Spätbarock, über den Klassizismus
bis zu den 60ern des vergangenen Jahrhunderts ein Museum mit heutigen
Ansprüchen hineinzuzaubern.
Betritt man künftig das Haus, wird es im Erdgeschoss rechts den
Kassenbereich, einen Museumsshop und ein Café mit 60 Innen- und
50 Außenplätzen geben, erläutert Daniel Kunze. In der ersten Etage
breiten sich links und rechts je 350 Quadratmeter Fläche für die
Galerie Dresdner Kunst aus. Dazu kommen noch 90 Quadratmeter einer
Lounge für spezielle Veranstaltungen. Da es kaum fensterlose Wände
gibt, wird für die Kunstpräsentation mit mobilen Stellwänden gearbeitet.
Die Galerie soll als erster Abschnitt im Sommer 2004 eröffnet werden.
Geplant war der Jahresbeginn. Die knapp halbjährige Verzögerung
erklärt Barlmeyer mit der Flut (im Keller stand das Wasser 1,70
Meter hoch) und ideeller Vorarbeit. In den beiden oberen Etagen
wird sich über reichlich 1000 Quadratmeter die Dauerausstellung
erstrecken, während weitere 700 Quadratmeter Sonderausstellungen
zur Stadtgeschichte vorbehalten sind.
Über die erste Sonderschau wird gerade verhandelt. Danach könnte
die Hälfte der Fläche gleich für mehrere Jahre der Stiftung Frauenkirche
vorbehalten bleiben. Wenn das Konzept aufgeht, steht damit auch
der zweite Eröffnungstermin fest: Bis zur Weihe der Frauenkirche
am 30. Oktober 2005 müsste die Ausstellung stehen. Zuletzt folgt
die Übergabe des eigentlichen Stadtmuseums sowie der Gartenanlage
im ehemaligen Ehrenhof an der Wilsdruffer Straße.
Die Mittel zu einer Top-Sanierung, wie sich herausstellte, reichen
nicht aus. Drei Millionen Euro, je zur Hälfte von der Stadt und
vom Bund aus dem Programm "Kultur in den neuen Ländern", sind zu
wenig, um auch den Garten und die Fassade zu gestalten. Das Geld
dafür soll nun aus Strukturfördermitteln im Rahmen des Sanierungsgebietes
Neumarkt kommen, so Barlmeyer. Der Bescheid werde für September
erwartet. Auch an Lüftungs- und Klimatisierungstechnik müssen Abstriche
gemacht werden. So soll nur die Galerie komplett ausgerüstet werden.
Die anderen Bereiche erhalten laut Kunze eine abgespeckte Variante.
Der Westflügel, in dem sich die Verwaltung befindet, ist auf Eigenleistungen
angewiesen. Gemeinsam mit den Handwerkern des Technischen Museums
soll er auf Vordermann gebracht werden.
Genia Bleier