Städtebaulich-gestalterisches Konzept für den Neumarkt
Am 17.01.2002 hat der Stadtrat mit Beschluss-Nr. 1272-28-2001 das
Städtebaulich-gestalterische Konzept für den Neumarkt vom 01.12.2001
in einer modifizierten Fassung des Satzungstextes aus dem Beschluss
vom 28.06.1996 erneut beschlossen. Dieses Konzept bildet die Grundlage
des Entwurfes des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes und sagt aus:
Präambel
Der mittelalterliche
Stadtgrundriss des Bereiches Neumarkt ist bis auf nach 1945 überbaute
Einzelflächen in dem unter § 1 angegebenen Geltungsbereich in seiner
Struktur erhalten.
Das überlieferte
Straßennetz, in vielen noch unbebauten Flächen die Struktur der Flurstücke,
die Proportionen der im Aufbau befindlichen Frauenkirche und die erhaltenen
staatlichen und städtischen öffentlichen Bauten, prägen entscheidend
die Maßstäblichkeit dieses Bereichs des Stadtkerns.
Der Wiederaufbau
steht deshalb im Blickpunkt eines europaweiten Interesses, weil er
als Synonym für die städtebaulich-architektonische Gestaltung historisch
bedeutender Stadtensembles angesehen wird.
Gleichzeitig
wächst die Erwartung der Grundstückseigentümer im Gebiet, die Voraussetzungen
für die Bebauung ihrer Areale geschaffen zu sehen. Und nicht zuletzt
wünschen die Dresdner, dass die Bebauung im Umfeld der Frauenkirche
Zug um Zug in den nächsten Jahren erfolgen kann.
Das vorliegende Material soll als Grundlage für die gestalterischen
Vorgaben und als Richtschnur für Bauherren und planende Architekten
dienen.
Örtlicher Geltungsbereich
Das städtebaulich-gestalterische
Konzept gilt für den Bereich Neumarkt des Altstadtkerns Dresden gemäß
Plandarstellung. Es bildet auch die Grundlage der Aufstellung der
Festsetzungen des künftigen Bebauungsplanes.
Sachlicher
Geltungsbereich
- Aufgrund des
städtebaulich-gestalterischen Konzeptes, das die Grundlage des aufzustellenden
Bebauungsplanes bildet, sind alle laut SächsBO genehmigungspflichtigen
Vorhaben im Bereich des Neumarktes zu erarbeiten und zu prüfen.
- Die festzulegenden
Verfahrenswege, wie die Erarbeitung von Vorhaben- und Erschließungsplänen
für große Investitionsvorhaben oder Anträge auf Einzelbauvorhaben
gemäß § 34 BauGB und Teilbebauungspläne, sowie die Ausschreibung
von Realisierungswettbewerben müssen auf den Bestimmungen des städtebaulich-gestalterischen
Konzeptes aufbauen.
Textliche Festlegungen
im Geltungsbereich
- Die historische
städtebauliche Raumstruktur ist Grundlage für alle Gestaltungsmaßnahmen.
Die heute noch im Bereich ablesbare oder dokumentierte Quartiersstruktur
mit den erhaltenen historischen Bauten ist aufzunehmen und wiederherzustellen.
Die räumliche Dimensionen der Plätze, Straßen und Gassen sind wieder
sichtbar zu machen. Das bedingt die Aufnahme des Stadtgrundrisses
vor der Zerstörung 1945 mit:
- der Übernahme der Baufluchten, soweit das noch
möglich ist,
und der Wiederherstellung der Bauflucht
des alten Gewandhauses,
- die weitgehende Aufnahme der alten Parzellenstruktur,
soweit dazu rechtliche
Voraussetzungen bestehen,
- die Wiederaufnahme von gut dokumentierten -
im Plan Maßstab 1 : 1000
gekennzeichneten Gebäude - als Leitbauten
sowie der dokumentierten Fassaden,
- die Wiederaufnahme der Moritzstraße bis zur
Wilsdruffer Straße zur Vorbereitung
eines späteren Bauabschnittes
- Die in den
Neubauten einzuordnenden Funktionen sind dem Charakter des Stadtkernbereichs
entsprechend anzupassen
Der Charakter des Neumarktbereiches soll als wichtiger Teil des
historischen Stadtkerns durch folgende Hauptnutzungen geprägt werden:
- Konzentration historischer Bauten mit vorwiegend
musealer Nutzung (Schloss,
Stallhof, Verkehrsmuseum, Ausstellungsgebäude
auf der Brühlschen Terrasse,
Albertinum, Kurländer Palais, Museum für
Stadtgeschichte),
- Konzentration von Kultur- und Versammlungsstätten,
Galerien und Sammlungen,
das betrifft zum Beispiel: Den Umbau des
Kulturpalastes als Spielstätte der
Dresdner Philharmonie, den Wiederaufbau
des Ausstellungsgebäudes auf der
Brühlschen Terrasse als Ausstellungs- und
Begegnungsstätte, den Neubau eines
Kammermusiksaales und weiterer Säle unterschiedlicher
Nutzungen (Tagungen,
repräsentative Empfänge, spezielle Ausstellungen
etc.) am Standort Altes
Gewandhaus
- Konzentration gewerblicher Einrichtungen,
wie kleinteiliger Geschäfte des
gehobenen Standards, Gaststätten mit spezifischem
Flair, Kunsthandwerk,
sächsischem Handwerk, - Kleine Hotels der
vorwiegend mittleren Preisklasse,
- Einbeziehung von Büroflächen für Kanzleien,
Praxen, Institute etc.
Die geschlossenen Büroeinheiten sollen
300 qm in der Regel nicht überschreiten.
Die Einrichtung größerer Büroflächen bedarf
spezieller Abwägung,
- Einbeziehung von mindestens 20 bis 25 % der
zur Verfügung stehenden
Geschossfläche ohne EG für Wohnungen. Der
Wohnanteil (vorwiegend in den OG)
ist unabdingbarer Bestandteil des Bereichs.
Dazu zählen auch Appartements,
kleine Hotels.
- Die Mischnutzung der Gebäude ist unter Beachtung
des Gebäudemaßstabes und
der Geschosshöhen zu gewährleisten.
- Maßstab
für die städtebauliche und architektonische Gestaltung sind die
Frauenkirche, dass Residenzschloss und weitere Bauten des historischen
Umfelds
Die Neumarktbebauung ist entsprechend dem Vorkriegszustand überwiegend
kleinmaßstäblich wieder zu errichten, um für die vorhandenen Repräsentationsbauten
einen Bedeutungsmaßstab zu schaffen.
Die stadträumlich und zeitliche Verknüpfung mit den Baumaßnahmen
an der Frauenkirche und weiteren Repräsentationsbauten sind für
die Wiederherstellung der Neumarktbebauung wichtige Anliegen.
- Innerhalb
der Quartiere des Neumarktbereichs sind einige historisch und architektonisch
wertvolle Bauten wieder zu errichten.
Der Grad der Rekonstruktion ist abzuleiten aus der Vollständigkeit
vorhandener Dokumentationen. Zwei Kategorien der denkmalpflegerischen
Rekonstruktion sind zugrunde zu legen:
- vollständige Wiederherstellung der Fassade und
der Hauptgrundrissstruktur,
- Wiederherstellung der gut dokumentierten Fassade
bei neu zu gliederndem
Grundriss,
- ein beispielhafter Durchhausgrundriss.
Innerhalb dieser Kategorien werden die im Plan dargestellten Leitbauten
vorgesehen.
- Alle Neubauten
im Planungsbereich ordnen sich dem Hauptbau Frauenkirche unter und
beziehen sich in ihrer Maßstäblichkeit auf die Leitbauten
- Für den neu zu gestaltenden Bereich gilt der
Grundsatz, dass alle Neubauten
sich an der historischen Bebauung orientieren
müssen. Die Vielgestaltigkeit und
Kleinteiligkeit der Bürgerhausquartiere
ist auf der Grundlage der Hausparzelle, des
Straßenverlaufs, der Dachausbildung, der
Fassadengliederung der Fensterform, der
Sockel- und Erdgeschossausbildung, der
Betonung durch bauliche Akzente, wie
Erker oder anderer Akzente, Verhältnis
Wand zu Fensteröffnung oder auch auf der
Basis eines Hofhauses anzustreben.
- Archäologische
Grabungen auf dem stadtgeschichtlichen, hoch bedeutsamen Gebiet
sind frühzeitig zu sichern und festzulegen
- Die zu überplanenden Quartiere liegen in einem
für die Geschichte der Stadt hoch
bedeutsamen Gebiet. Es ist daher bei einer
Neubebauung auf eine möglichst
archäologieschonende Bebauung zu achten.
Sollten Bodeneingriffe in bislang in
ihrer Substanz erhaltenen Zonen unabweisbar
sein, sind rechtzeitig vor Baubeginn
archäologische Untersuchungen durchzuführen.
Darüber hinaus ist zu prüfen,
inwieweit archäologische Befunde, wie beispielsweise
bauliche Reste in die
Neubauvorhaben, zu integrieren sind. Das
gilt besonders für erhaltene alte Keller
(Brandkataster), Reste der Stadtmauer,
des Frauentores, der Grüfte unter der
Hauptwache etc.
- Neu zu errichtende
Gebäude sind nach Art und Maß in das Quartier mit den historischen
Dimensionen einzufügen
- Um funktionell gute Grundrisse zu erreichen,
ist unter Umständen eine
Zusammenlegung bis zu 3 Parzellen möglich.
Die Konsequenzen zu den bisherigen
Fassaden sind je Quartier zu prüfen. Die
in den Zielstellungen der Quartiere
getroffenen Festlegungen zu Achsmaßen,
Geschosshöhen, Gesims-
und Firsthöhen sind Grundlage für eine
detaillierte Gestaltung, die auch die
Möglichkeit des gestalterischen Kontrastes
nicht ausschließt.
- Heimische Baustoffe sind bevorzugt einzusetzen,
der gestalterische Grundsatz der
Neubauten sollte bedeutsames, selbstbewusstes
Einfügen sein.
- Integration
oder Rückbau der nach dem 2. Weltkrieg errichteten Neubauten ist
in den jeweiligen Bauabschnitt der Quartiere festzulegen
- Entscheidungen dafür sind zu treffen unter Beachtung
der realen Situation in den
Quartieren. Eine etappenweise Lösung ist
zu bevorzugen. Das betrifft:
- Quartier 3, Landhausstraße mit dem teilweisen
oder vollständigen Abriss des
Abschnittes 3/2, Erweiterungsbau von 1976
und dem Neubau eines differenzierten
Gebäudeensembles unter beratender Einbeziehung
der Projektgruppe
Stadtentwicklung des Landes Sachsen,
- Quartiere 4 und 5, Wilsdruffer Straße mit der
Einbindung der Wohn- und
Geschäftsbauten bis zur Neugestaltung der
Wilsdruffer Straße,
- Quartier 7, Schlossstraße mit der Einbindung
des Kulturpalastes und seinen
Ergänzungsbauten.
- Die Gestaltung
der Straßen und Plätze nimmt historisch gewachsene Strukturen, Blickbeziehungen
und Gestaltungselemente auf
Das betrifft:
- die Beibehaltung, Ergänzung und Wiederherstellung
der alten Fußsteige und
des Pflasters,
- die Übernahme bzw. Ergänzung des Maßstabes der
alten Stadtbeleuchtung,
- das Vermeiden störender technischer Einrichtungen
im öffentlichen Raum,
- den Einsatz von Bäumen und Pflanzgruppen am
Georg-Treu-Platz.
- Das Planungs-
und Baurecht ist auf der Grundlage des städtebaulich-gestalterischen
Konzeptes und dessen erläuternden Empfehlungen sofern erforderlich
herbeizuführen.
- Das Genehmigungsverfahren wird durch einen Beirat
zum Bereich Neumarkt unter
Bezugnahme auf das jeweilige Quartier begleitet.
- Für die dem städtebaulich-gestalterischen Konzept
entsprechende Beantragung
sind Pilotprojekte als beispielgebend anzustreben.
- Der individuelle
Fahrverkehr ordnet sich dem verkehrsberuhigten Erschließungsprinzip
des Bereichs unter:
- Parken ist vorzugsweise für die im Bereich wohnenden
oder beschäftigten Bürger
in Tiefgaragen, vorwiegend der Quartiere
1/3/4 zu gestatten. Entsprechende
Regelungen sind zu treffen.
- Für die
einzelnen Häuser in den Quartieren sind folgende Festsetzungen erforderlich:
- Die neu zu gestaltenden Häuser müssen sich entsprechend
den Forderungen der
Quartiersstudien (z. B. Hofhaus), in der
Proportion und in der Gliederung in das
Straßenbild einfügen. Mit den Neubauten
darf keine Vereinheitlichung des
Straßenbildes eintreten.
- Gebäude, die in der Breite erheblich über die
historische Parzellenbreite
hinausgehen, sind durch Auflösung in Bauteile
entsprechend den Proportionen der
umgebenden Bebauung zu gliedern
- Die für den Neumarktbereich typischen Fassadengliederungselemente
und
Materialien sind bei Neubauten in den Grundsatz
des Entwurfes einzubeziehen.
Eine Orientierung an den Leitbauten ist
dabei erforderlich. Die in den Erläuterungen
zu den einzelnen Quartieren 1996 festgelegten
städtebaulichen Betonungen durch
Erker, französische Fenster oder Austritte
etc. sind zu beachten. Balkone und
Loggien an den Straßenfronten sind nicht
zulässig. Arkaden, massive Vordächer
und Passagen sind nur im Einzelfall einzusetzen.
- Zu bevorzugen sind regionaltypische Materialien
für die Oberflächengestaltung.
Gemusterte, dekorative, modische Putze
und Farben und Verkleidungen mit
ortsuntypischen Natursteinplatten sind
auszuschließen. Für Putzfassaden ist ein
Glattputz anzuwenden.
- Für die Farbpalette des Neumarktes sind gebrochene
Weiß- und Ockertöne in
Annäherung an den historischen Kalkputz
zu bevorzugen. Für alle Straßenzüge und
Platzräume sind der Dringlichkeit entsprechend
Farbleitpläne auszuarbeiten. Den
Quartieren 1/2/3/4 ist dabei der Vorrang
zu geben.
- Anzahl und Größe der Fensteröffnungen sollen
sich an den überlieferten
Fassadenstrukturen der Quartiere orientieren.
- Die Ladenzonen müssen sich in der Außengestaltung
der Fassadengliederung
unterordnen. Großflächige Abfangungen sind
zu vermeiden.
- Als Wetter- und Sonnenschutz sind nur bewegliche
Markisen zulässig. Sie sind auf die Fenstergröße
zu bemessen und dürfen in geschlossenem Zustand nicht vor der
Fassade stehen. Markisen sind farbig auf
die Farbgestaltung der Fassade
abzustimmen.
- Alle den Neumarkt und die Schlossstrasse umgrenzenden
Bauten erhalten Sattel-
oder Mansarddächer gedeckt mit roten Tonziegeln.
Dachaufbauten sind ortstypisch
auszuführen und müssen mit der Dachdeckung
im Material harmonieren,
Abweichungen bedürfen der Zustimmung des
Gestaltungsbeirates. Antennen sind
als Sammelantennen möglichst im Dachbereich
auf der straßenabgewandten Seite
zu installieren.
Werbungen
sind nur in Erdgeschosszonen zulässig; sie sind den Proportionen
der Fassade anzupassen und bedürfen einer grundsätzlichen Zustimmung
in der Phase der Bauvorbereitung. Lichtwerbeanlagen sind nur in
den Farben weiß und gelb gestattet. Werbeanlagen mit wechselndem
Licht sind nicht erlaubt.
Anmerkung der
GHND:
Die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e.V. hat bereits frühzeitig
darauf hingewiesen, dass am bestehenden städtebaulich-gestalterischen
Konzept Änderungen vorgenommen werden müssen und dieses Konzept zur
Gestaltungssatzung erhoben werden soll. Sie tritt dafür ein, dass
noch folgende Änderungen umgesetzt werden:
1. zu den vorhandenen
Leitbauten/Leitfassaden sollen folgende Rekonstruktionen hinzugefügt
werden:
Landhausstraße 3, 5,13 (einschließlich Gartenfassade), Landhausstraße
15, Rampische Straße 4, 6, beim Palais Hoym die Wiederherstellung
des Verbindungsflügels, des Gartensaales und des Rückgebäudes an der
Rampischen Straße 16/18, Neumarkt 10 (Hotel Stadt Rom), Moritzstraße
2, 4, 6, Kleine Kirchgasse 5, Galeriestraße 12,14, 17, Neumarkt 13,
14, 17, Schössergasse 14, Schloßstraße 24
2. Gewandhaus
Die Bebauung des Gewandhausgrundstückes wird aus städtebaulichen Gründen
abgelehnt. Der Neumarkt soll im Zustand vor seiner Zerstörung am 13.
Februar 1945 wiederhergestellt werden.
3. Kulturpalast
Der Kulturpalast und die Quartiere VI, VII-1 und VII-2 müssen im Zusammenhang
mit dem Neumarkt gesehen werden. Die GHND schlägt eine verträgliche
Einbindung durch den teilweisen Abbruch des rechten Flügels des Kulturpalast
vor, um den alten Straßenverlauf der Galeriestraße wieder herstellen
zu können.
4. Wiederherstellung
der stadträumlichen Situation
Neben der Wiederherstellung des Verlaufes der Galeriestraße, ist mittel
und langfristig auch der Durchbruch der Moritzstraße, Schuhmachergasse
und kleinen Kirchgasse zur Wilsdruffer Straße vorzusehen.
5. Keller
Erhalt und Integration sämtlicher nutzbarer Keller oder Kellersubstanz
des 15. bis 18. Jahrhunderts
6. Qualitätssicherung
Für die Ausführungsphase der einzelnen Bauprojekte soll ein Gremium
aus ausgewiesenen Experten gebildet werden, welches gegenüber den
Bauherren beratende Funktionen wahrnimmt. Dies hat sich besonders
bei schwierigen Bauvorhaben im staatlichen oder halbstaatlichen Sektor
bewährt. Dem Stadtrat kommt dabei die Bildung dieses Gremiums zu.
Die bisherigen Aufgaben der Gestaltungskommission sind auf das Genehmigungsverfahren
beschränkt (siehe textliche Festlegungen, Absatz 10)
Stadtplan Historischer
Palais und Bürgerhäuser um
den Dresdner Neumarkt. Dresden 2001,
Hersg. Gesellschaft Histor. Neumarkt Dresden
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