Prof. Dr. Jürgen Paul

Anmerkungen zu den Entwürfen im Wettbewerb „Gewandhaus“
aus der persönlichen Sicht eines Kunst- und Architekturhistorikers

Vorbemerkung
In den bisherigen öffentlichen Veranstaltungen hat es sich in den Diskussionen gezeigt, dass man kaum geneigt ist, sich mit den Ergebnissen des Wettbewerbs, also den eingereichten Entwürfen, differenziert auseinanderzusetzen. Gewiss: vor allem steht erst einmal die städtebauliche Frage, ob das Grundstück des einstigen Gewandhauses überhaupt wieder bebaut werden soll oder nicht, ob der Platz dadurch gewinnt oder verliert. Diese Frage muss mit städtebaulichen Argumenten entschieden werden, nicht mit architektonischen. Wenn das Grundstück bebaut wird, dann kann es an dieser Stelle nur mit einer neuen, heutigen architektonischen Lösung geschehen. Dieses neue Gebäude wird in seiner städtebaulichen Lage ein Kopfbau sein, also eine prominente Stellung im Gesamtzusammenhang einnehmen. Der Wettbewerb sollte erweisen, ob sich dafür überzeugende architektonische Lösungen finden lassen. Und er hat eine ganze Anzahl überzeugender Lösungen geliefert. Die meisten der eingereichten Entwürfe haben ein hohes Niveau, nicht wenige auch Originalität. Es lohnt, sich mit ihnen eingehend zu beschäftigen, bevor man zu dem Schluss kommt, zu dem offensichtlich viele Dresdner kommen, dass im Bereich des Neumarktes überhaupt nicht modern gebaut werden dürfe. Die Mitglieder des Stadtrates können es sich jedenfalls nicht so einfach machen. Die folgenden Anmerkungen zu den Wettbewerbsergebnissen sollen einen Beitrag zur Diskussion liefern, ohne autoritativen Anspruch für sich zu stellen.
Prof. Dr. Jürgen Paul

Erster Preis
Der Entwurf des Büros Cheret/Bozic hat seinen Preis verdient. Er ist der schönste und überzeugendste unter den Entwürfen, die sich ohne motivische Historisierung konsequent moderner gestalterischer Mittel bedienen. Kein Palast, aber dennoch eine im modernen Sinne repräsentative Architektur. Der Baukörper ist horizontal gelagert, wie es das alte Gewandhaus war. Doch er ist nicht starr, sondern in seiner Hauptfront durch Schichtungen und Einsprünge plastisch bewegt. Die geöffneten Ecken leiten die Bewegung über zu den Seitenfassaden, wo die offene Treppe mit der Freitreppe des Johanneums korrespondiert.  Die gegeneinander schwingenden parallelen Flächen erinnern etwas an die späteren Bauten des Amerikaners Richard Meier. Der innere räumliche Aufbau und dessen Spiegelung im Äußeren nehmen die Bezüge zur Umgebung auf. In seiner zurückhaltenden, nicht auftrumpfenden Erscheinung würde das Gebäude so etwas wie einen ruhenden Pol in der kleinteiligen Umgebung des Neumarkts und ein respektvolles Gegenüber für die Frauenkirche sein.

Zweiter Preis
Der Entwurf des Büros Berger/Röcker ist originell, aber sehr problematisch. Der große Glaskasten den Überwurf aus messingfarbenem  Metallringgeflecht, für den vielleicht der Vorhang der neuen Synagoge Pate gestanden hat, würde sehr pathetisch, ja, theatralisch wirken. Die Anspielung an „Gewandhaus“ und „Gewand“ erscheint mir  in dieser Umsetzung eher als  Kalauer. Im alten Gewandhaus gab es schließlich auch die Fleischbänke. Sehr schön sind die auf- und abschwingenden Ebenen des Innern.

Dritter Preis
Der Entwurf des Architekten Sunder-Plassmann beruft sich auf typologische Vorbilder aus der Architekturgeschichte: auf den italienischen Typus der „säulengetragenen Markthalle“ (wie auch die mittelalterlichen oberitalienischen Rathäuser), auf den Dogenpalast in Venedig mit seinem geschlossenen, über einer offenen Arkatur schwebenden Baukörper und auf die Arkaden der Piazza San Marco als Vorbild für „sensiblen, doch selbstbewussten italienischen Städtebau“. Der Entwurf übernimmt davon die hohen, zwei Geschosse zusammenfassenden Pfeilerarkaden. Ansonsten würde man bei diesem eher steifen, kalten, eher monotonen Bau kaum Assoziationen an die beschworenen historischen Vorbilder haben. Es bleibt eine Frage, warum die Jury diesen Entwurf so hoch bewertet hat.

Vierter Preis
Der Entwurf von Andreas Meck ist gewiss der zweitbeste unter den Entwürfen, die sich konsequent moderner Ästhetik bedienen. Er erinnert in seiner wohlkomponierten, weißen, klaren Flächigkeit an die Bauten Le Corbusiers aus den zwanziger Jahren. Das Gebäude hat eine angenehm harmonische, ruhige, unprätentiöse Erscheinung. Auch wenn der Architekt, wohl um Dresdner Erwartungen entgegenzukommen, eine „Wesensverwandtschaft mit traditonellen Bauten“ postuliert, würde sich seine „Gebäudeskulptur“ ästhetisch von der Umgebung absetzen – was durchaus legitim ist – und niemand würde wohl die kubischen Aufsätze als eine Neuinterpretation der Giebel des Gewandhauses erkennen.

Fünfter Preis
Der Entwurf des Büros Knerer/Lang ist ebenfalls originell und ebenfalls problematisch. Über einem regelmäßig gegliederten gläsernen Baukörper, völlig ornamentiert in „klassischem Muster“ (es ist zu befürchten, dass das wie Stiltapete und eher etwas kitschig aussehen könnte), erhebt sich eine gefaltete, gläserne Dachlandschaft, die – in Erinnerung an das alte Gewandhaus – drei spitze Giebel bildet, zwischen denen flache Terrassen liegen. Auch diese sehr expressionistisch aufgeregte Bauform wäre an dieser Stelle wohl nicht passend.

Zweiter Rundgang
Auer/Weber
Das Gebäude zeigt sich nach außen mit einer streng gegliederten, noblen, fast feierlichen, modernen Palastfassade, die nicht wie irgendein Kaufhaus aussieht. Sie übernimmt die Traufhöhen des Johanneums, ordnet sich somit in den Zusammenhang ein, „setzt sich aber als Neubau eindeutig ab“. Das verdeckt ansetzende, flach geneigte Dach fügt den Baukörper im Blick von oben in die Dachlandschaft ein. Die hohen Stützen und die schmalen hohen Öffnungen, dazu die Natursteinverkleidung mit Elbsandstein können den Architekturhistoriker etwas an italienische Architektur der 1930er Jahre erinnern. Auch dieser Entwurf wäre an dieser Stelle passend und ein würdiges Gegenüber für die Frauenkirche.

Barkow/Leibinger
Dieser Entwurf des Büros Barkow/Leibinger, das gerade einen der renommiertesten internationalen Architektupreise erhalten hat, erscheint mir als der gelungenste unter denen, die versuchen, den Formencharakter und die Typologie des Barock aufzugreifen und in eine moderne Formulierung zu gießen. Die zweigeschossige Fassade (hinter der 4 Gebäudegeschosse stehen) mit der regelmäßigen Abfolge ihrer großen – unten bogigen, oben rechteckigen – Öffnungen und das flach gestufte Dach geben dem Bau einen hoheitlichen Charakter. Die Architekten wollen damit auf die Entwürfe des 18. Jahrhunderts für einen Ersatzbau des alten Gewandhauses rekurrieren. Sie wollen „aus dem (barocken) Erbgut eine neue Identität“ schaffen, „Barock, ohne zu imitieren“. Sie setzen sich typologisch vom barocken Palais ab, indem sie ihrer Fassade eine gerade Achsenzahl geben und damit keinen zentrierenden Mittelisalit. Jegliche Starrheit wird der Fassade genommen durch die bewegte Profilierung der Pfeiler, die an das ehemalige Kaufhaus Wertheim in Berlin von Alfred Messel erinnern kann, und durch den geschichteten Aufbau aus horizontal gelagerten Natursteinlamellen, die dem Baukörper etwas Flirrendes geben. Es handelt sich um einen von großer Einfühlung in die Situation getragenen Entwurf mit einer überzeugenden, faszinierenden Lösung, etwas Signifikantes und Würdiges an die Seite des Johanneums und als Antwort auf die Frauenkirche zu stellen. Ich verstehe nicht, warum dieser Entwurf keinen Preis erhalten hat.

Behles/Jochimsen
Die sehr streng und geometrisch-klar komponierte Fassade ist als dezidierter Kontrast zum bauplastischen Barock gemeint. Der mittige große Eingang mit seiner einladenden Treppe und die Putzverkleidung erinnern sie an barocke Fassaden. Ein durchaus angemessener Vorschlag.

Code Unique
Der Baukörper dieses Entwurfs, ganz in moderner Formensprache, horizontal aufgebaut, mit einem Knick die rigide Frontalität aufbrechend, erinnert, trotz der Muschelkalkverkleidung mit ihrer eingeätzten Ornamentik (die Architekten nennen sie selbst eine „Tapete“ und wollen sich damit auf den Fürstenzug beziehen) und den Bildern der Frauenkirche in den unregelmäßig verteilten, verschieden formatigen Fenstern stark an ein kommerzielles Kaufhaus.

Dudler
Ein über einem zurückgenommenen Erdgeschoss sich erhebender strenger, kubischer Block mit Natursteinfassade aus sehr großen Platten: Die wenigen Öffnungen können mit auffaltbaren Läden aus Steinglas in der Farbe der Fassade geschlossen werden, so dass an einem sehr sonnigen Tag das Ganze einen monolithischen Charakter bekommt. Eindrucksvoll in seiner wuchtigen Strenge, aber vielleicht doch etwas zu monumental-geschlossen im kleinteilig-bildhaften Zusammenhang der Umgebung.

Holzer/Kobler
Ein sich bäumender, bewegter Baukörper mit fließendem Übergang von Wand zu Dach, im unregelmäßigen Wechsel  von geschlossener Oberfläche und  frei geformten, verglasten  Öffnungen. Paraphrasiert eine historische Dachlandschaft und die Bewegtheit des Rokoko (die Architekten bilden eine Rocaille als Verweis ab). Eine vielleicht eher ironische gemeinte Geste an´die „Barockstadt Dresden“. Originell (Barbara Holzer hat mit Daniel Libeskind gearbeitet), doch für die Stelle wohl unpassend, weil zu laut, zu wild. Nur als freistehender Solitär möglich.

Kister/Scheithauser/Gross
Breit gelagerter Kubus aus sand- bis rotgefärbten Betonfertigteilen – unten schmal, oben breiter - mit mittiger, breiter, weit eingetiefter Eingangszone mit Treppe. Etwas wirr und unproportioniert in der Fassadengestaltung

Meili/Peter
Kubischer Baukörper in dreizonigem Aufbau. unten eine dichte Pfeilerstellung, darüber eine verglaste Zwischenzone, die durch eine Kolossalordnung stärkerer Pfeiler mit dem Boden verbunden ist, und schließlich ein geschlossener, mit Travertin verkleideter Oberteil mit eingekerbter Oberkante. Der Bau solle „sich herausheben, beansprucht eine gegenwärtige Architektursprache“ und „Heiterkeit und Leichtigkeit“ ausstrahlen. Ein schöner Entwurf, vielleicht ein wenig zu kopflastig.

OAL, Edouard Francois
Der Entwurf verwendet wörtliche historische Zitate. Vor einer Glasbox stehen aus Betonguss die Renaissancegiebel des alten Gewandhauses als historische Kulisse. In Form einiger moderner liegender Fenster dringt die Moderne durch das historische Zitat an die Oberfläche. Geschichte und Moderne durchdringen sich hier. Für manche Dresdner gut gemeint, vielleicht ein bisschen opportunistisch, aber wohl nicht das, was hier entstehen sollte.

Pfau
Großförmig geschichteter  kubischer Baukörper (eine „ruhige kraftvolle Gesamtform“, „aus der Bürgerhaustypologie herausgehoben“) nimmt die Linien des Johanneums auf, die breite, leicht aus der Mitte gerückte Öffnung in der oberen Zone erinnert an I. M. Pei, doch das Ganze wirkt sehr wie die Fassade eines anspruchsvollen Einkaufszentrums mit gläserner Passage.

PFP
Der Baukörper ist in einen Wechsel von dichter und weiterer Vergitterung (Natursteinverkleidung auf Stahlgerüst) aufgelöst, die eine geometrische Komposition formen, bei der man entfernt an abstrakte Bilder der Minimal Art denken kann. Er übernimmt das Grau des Johanneums mit „Intarsien verschieden farbiger Natursteine“, teilweise hinterleuchtete transluzide Platten (Achat?). In seiner Feingliedrigkeit ein schöner Entwurf.

Pussart/Kosch
Die Verfasser bemühen für ihren Entwurf viele musikalische Analogien, die aber schwer nachzuvollziehen sind. Die Fassade des kubischen Baukörpers (mit Satteldach), aufgeständert auf hohen Pfeilern, deren regelmäßige Oberfläche durch drei große Glasöffnungen – kompositorisch wenig logisch verteilt – aufgebrochen wird, soll zweischichtig mit grauem Sandstein und Thüringer Travertin so verkleidet werden, so dass sich das Bild einer geflochtenen Struktur ergibt. Das Ganze wirkt eher etwas betulich-kunstgewerblich.

Spengler/Wiescholek
Ein kubistischer Palast auf an italienische Architektur der 30er Jahren erinnernde, zweigeschossig hohe, dichte Pfeilerarkade, die Silhouette in kubische Aufsätzen aufgelöst, die vielleicht in moderner Form an Giebel erinnern sollen, doch eher die Geschlechtertürme San Gimignanos assoziieren lassen. Ein nobel-eleganter moderner Palast.

Translocal Architecture
Von großer Monumentalität, fast burgartigem Charakter: links ein mächtiger, oben abgeschrägter Festungsturm mit riesiger Öffnung, daneben ein gestreckter Baukörper, dessen tief eingeschrägte Fenster, tiefer Eingang und steinernes Dach den Eindruck von wuchtiger Massivität verstärken. Dieses Gebäude würde vielleicht einen fast etwas düsteren Akzent in die doch eher heiter und leicht gemeinte Umgebung setzen.

Erster Rundgang
Barozzi-Veiga
Ein breitrechteckiger Kubus unter flach geneigtem Dach mit einer Natursteinfassade, deren Oberflächenstruktur wie gewoben anmutet, bildet den  prunkvollen Rahmen für die weite verglaste Öffnung in einen riesigen Innenraum, der für Kunstausstellungen dient, von außen wie eine Theaterbühne, mit prismatisch gefalteten Kulissen, wirkt. Keine schlechte Idee – wenn denn das Versprechen einer (privaten) Kunsthalle Realität würde – für die Lage an einem großen Platz. Am Neumarkt jedoch bestimmt deplatziert, weil es alles dominieren und von allem anderen ablenken würde.

bof
Eine „Großskulptur“ wie ein senkrecht gefurchter Fels, durch dessen Mitte ein schräger Schlitz gehauen ist, ein zweiter quer hindurch, der ganze Block leicht nach links geneigt, soll sich gegen die „Kleinteiligkeit der Umgebung“ absetzen. Doch wohl etwas zu aufgeregt und unharmonisch für diesen Platz, die bauliche Umgebung und gegenüber der Frauenkirche.

Bussmann/Haberer
Streng rechtwinklig-stereometrischer Baukörper, von drei Kuben überragt, mit denen an die Giebel des Renaissance-Gewandhauses erinnert werden soll. Kein Palast, aber auch keine Kaufhauserscheinung. Doch die kubische Komposition wirkt hier gewalttätig. Man denkt an O. M. Ungers,  doch es fehlt dessen klare Proportionierung. Die Verteilung der Fenster wirkt recht willkürlich. Insgesamt nicht sehr überzeugend.

dd1
Die in regelmäßige Abschnitte unterteilte Box sieht ziemlich wie ein Kaufhaus aus. Daran ändert auch die in der Ausführung wohl etwas plüschig wirkende Ornamentierung, die an den sog. Ohrmuschelstil der Renaissance anknüpfen soll und die durch Einkerbungen des Flachdachs metallenen Spitzgiebel - die Abstraktion einer historischen Bauform, die eher an die abstrahierende Altstadtersatzarchitektur der frühen 1970er Jahre erinnert - nichts. Die Architekten berufen sich auf die Theorie der „architecture parlante“ des späten 18. Jahrhunderts, doch man hört nur: Kaufhaus.

Döhring
Der „dritte Solitär neben der Frauenkirche und dem Johanneum“ ist hier ein liegender Kubus, der ausgeprägten modernen Kaufhauscharakter hat, an dem auch die mit den Kupferpaneelen der zweischichtigen Fassade gegebene wertvolle Erscheinung nichts ändert. Die Metallbox würde sehr schwer wirken.

Feduchi/Arqto
Als, wie sie es nennen, „newcomer“ im Zusammenhang des Neumarkts bieten die Architekten einen schichtweise aufgebauten, sargförmigen Koloss, dessen (gläserne?) Fassade mit Kupferseilen behängt ist. Wenig überzeugend.
 
Hänel/Furkert
Eine über einem verglasten Erdgeschoss gehobene flache Box ist mit Aluminium verkleidet, das ornamentiert ist, um „sich aus der Umgebung herauszuheben“, was mit den im Entwurf vorgesehenen vegetabilischen Rankenmustern allerdings etwas wie eine Stiltapete aussieht. Drei helle, stumpf pyramidale Aufsätze sollen wohl an die Giebel des Gewandhauses erinnern, was auf dieser Höhe aber eher einen kuppelartigen Charakter gewinnt. Eine „decorated box“, kein geformter Baukörper.

Hößelbarth
Querrechteckiger Kubus, auf der rechten Seite mit einem rechtwinkligen Einschnitt, darüber ein niedriges Staffelgeschoss. Das Erdgeschoss ist in einer flachen Pfeilerarkade geöffnet. Die von einem kräftigen Gesims abgeschlossene Fassade, mit hellem Travertin verkleidet, ist – bis auf gereihte Punktöffnungen über der Arkade – geschlossen. Geeignet für ein beliebiges Nobelkaufhaus an beliebigem Ort.

Kühn/Malvezzi
Ein Palazzo mit dreiteiligem Fassadenaufbau, ganz mit Elbsandstein verkleidet, auch das steile Dachgeschoss, in das die schmalen „stehenden Öffnungen“ hinaufgezogen werden, was nicht logisch wirkt. Die „angenehme Ruhe und Einheitlichkeit“, die sich auf Frauenkirche und Johanneum beziehen soll, ist schwer nachzuvollziehen. Das Ganze wirkt eher labil.

Mäckler
Der Architekt möchte an den Typus des spätbarocken Palais anknüpfen, verweist auf das barocke Johanneum und das Kurländer Palais, und ihn modern neu formulieren. Zwei Flügel mit tonziegelgedecktem Satteldach, über einer Pfeilerarkatur  (die barocke Palais nicht hatten) mit gleichmäßig gereihten,  kleinen Öffnungen flankieren einen aufragenden Mittelrisalit. Die Fassade soll mit verfugtem, Quader suggerierenden Sandstein verkleidet werden. Die Seitenansichten lassen das Palais durch die deutliche Absetzung der Rückbauten als in sich geschlossene Bauform erscheinen. Allerdings: die Verglasungen des „markanten“ Daches konterkarieren die angestrebte aristokratische Noblesse wieder, und der flach geschlossene Mittelrisalit mit seinem breiten Eingang und der großen rechteckigen Öffnung erinnern eher an eine Bahnhofsfassade der 1920er oder 30er Jahre. Die typologische Modernisierung scheint doch nicht recht gelungen.

Müller/Reimann
Diesen Entwurf schon im ersten Durchgang auszuscheiden, scheint mir sehr ungerecht. Sein Anliegen ist es, nicht die individuelle Bauform, sondern die typologiehistorische Grundform des alten Gewandhauses aufzugreifen, nämlich die des mittelalterlichen Marktgebäudes: ein quergestreckter, zweigeschossiger Bau, mit geöffnetem Erdgeschoss und  geschlossenem Hauptgeschoss mit gleichmäßiger, achsialer Fensterfolge, kräftigen Gesimsen, darüber ein breitgezogenes abgewalmtes Dach. Es ist der Typus des zweigeschossigen Saalbaus, der seinen Ursprung in den Palasbauten der Pfalzen hatte. Die Architekten übernehmen ihn gewissermaßen als archetypische Grundform und geben ihm einen repräsentativen Charakter durch die Materialität: Verkleidung mit Werksteinplatten mit eingeätzten Bildern der Geschichte des Platzes, die – an die Geschichte der Fassadenmalereien anknüpfend - aus der Ferne als Ornament, aus der Nähe als konkrete Bilder wirken. Das Ganze ist wohl überlegt und in eine überzeugende Form gebracht. Die offensichtlich in der Jury entstandene Assoziation mit Naziarchitektur ist völlig abwegig.

Rapp & Rapp
Kiste aus schlanken Pfosten, zweiteilig, mit seitlich eingezogenem, ebenso gegliedertem Staffelgeschoss. So ziemlich der langweiligste unter den eingereichten Entwürfen.

Raupach (Franke/Rieger/Rössel)
Ein schlanker, aufgerichteter Baukörper auf dreigeschossig hohen Stützen, deren leicht verzogene Form vielleicht an Fachwerkständer erinnern soll, und mit durchgehendem, 50° steilen Dach. Alles golden strahlend.  Die Bauform lässt an Aldo Rossis nicht gebauten Entwurf für das Historische Museum in (West)Berlin denken. Die typologische Form scheint mir an dieser Stelle deplatziert.

Rietmann/Breuninger
Sieben Abschnitte, durch unterschiedlich verteilte schmale hochrechteckige Öffnungen gegliedert, die Erscheinung erinnert etwas an die abgeschlagenen Gründerzeitfassaden in Berlin. Hell getönter Beton mit Glasfasern. Ein Gebäude ohne signifikante Physiognomie und Proportionen.

Schulz & Schulz
Eine schlichte Box, gerastert in hochrechteckigen Feldern, mit goldener Baubronze verkleidet und „floraler Ornamentik“ verziert; der breite, mittige Einschnitt öffnet den Baukörper zum Platz und zum Himmel in einen großen Raum, zweistufig aufgebaut mit seitlichen Freitreppen (für die hoffnungsvoll erwarteten Kunstausstellungen)„Antwort auf die Frauenkirche“. Die Idee ähnlich der von Barozzi-Veiga. Die goldene Schachtel eher zu kunstgewerblich.

Staab
Kubischer Baukörper hoher Pfostenarkade und abgeschrägtem Dach; folgt dem klassischen Palazzoaufbau aus Sockel, Wand und Dach. Doch daraus entsteht ein Kaufhaus. Erstaunlich einfallslos.  

Wolf
Eigentlich ein eindrucksvoller Entwurf, doch in seiner an die Bauten von I. M. Pei erinnernden monolithischen Massivität (tragend vermauerter Travertin, erscheint als große Quader, dazu Messing), die an einen archaischen Kultbau erinnert, zu monumental, zu gewaltig an dieser Stelle.

Zanderarchitekten
Ein großer Block mit einer Oberfläche – auch des schrägen Daches - aus gefaltetem Leichtbeton mit Sandsteinzuschlag, soll auf die Frauenkirche und die historischen Leitbauten (Leitfassaden) Bezug nehmen, erinnert aber ein wenig an modellierte Strichcodes. Die Wirkung etwas zusammengestückelt und wirr.

Zinnober
Aufbau aus zwei massiven Schichten, schwebend über Glas. Der Knick der Front wirkt als kräftige, den gleitenden Blick auffangende Geste im städtebaulichen Rahmen. Eindrucksvoll, für die Umgebung wohl zu gewalttätig. Aus den Seitenfassaden ist nichts gemacht.

 

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