Sächsische Zeitung
15. Mai 2007


FDP will Kunsthalle am Neumarkt verhindern
Von Petra-Alexandra Buhl

Der Siegerentwurf von Cheret & Bozic ist im Stadtrat umstritten. Kunstkenner kritisieren zudem das unausgegorene Ausstellungs-Konzept.

Die FDP geht in ihrer Kritik an den Plänen für das neue Gewandhaus am weitesten: Die Liberalen wollen den Gestaltungswettbewerb aufheben und die Fläche am Neumarkt lieber frei lassen, als das Stuttgarter Architektenbüro Cheret&Bozic dort bauen zu lassen. „Das war ein heilsamer Schock. Die vorgestellten Pläne sind eine Provokation und dürfen niemals Realität werden“, sagt FDP-Fraktionschef Jan Mücke.

Die übrigen Fraktionen vertreten keine einheitliche Meinung. „Das ist eine sehr sensible Stelle. Wir werden uns die Entwürfe genau ansehen und danach entscheiden, ob diese Stelle überhaupt bebaut werden soll“, sagt Aline Fiedler (CDU). Stephan Kühn von den Grünen gehört zu den drei Jury-Mitgliedern, die den Entwurf von Cheret&Bozic abgelehnt haben. „Es ist klar, dass wir das 1791 abgebrochene Gewandhaus nicht reproduzieren können. Aber wir müssen uns fragen, ob die Entwürfe der Qualität entsprechen, die wir am Neumarkt haben wollen“, sagt er. Der kulturpolitische Sprecher der SPD Wilm Heinrich findet „einen modernen Akzent erfrischend. Der Neumarkt würde lebensechter wirken und durch die entstehende Spannung nicht Gefahr laufen, zum langweiligen architektonisch-historischen Wachsfigurenkabinett zu werden.“

André Schollbach (Linksfraktion.PDS) fürchtet, dass die Atmosphäre auf dem Neumarkt und die Sichtachsen unter jeder Bebauung leiden. „Das Gewandhaus würde dort wie ein Fremdkörper wirken. Wir sollten vorsichtig sein, denn wir bauen für die Bürger und nicht für die Architekten, die den Siegerentwurf jetzt alle loben.“ Abseits der Gestaltungsdebatten freuen sich viele Kunstkenner darüber, dass nun eine Kunsthalle für zeitgenössische Kunst in Angriff genommen wird. Über den Weg dorthin diskutieren aber viele, zumal die Stadt ihrer städtischen Galerie damit selbst Konkurrenz macht. Laut Kai von Döring, der den Investor Kondor Wessels vertritt, sollen zwei Drittel der Ausstellungsfläche von einem privaten Sammler bestückt werden, ein Drittel bleibt für Wechselausstellungen reserviert. Wer das Budget und das Personal dafür zahlt, ist offen. Experten beziffern den Finanzbedarf für eine Wechselausstellung auf jährlich mindestens 350000 Euro, hinzu kämen oft eine halbe Million Euro Transport- und Versicherungskosten für die Kunstwerke. „An der Geld- und Konzeptfrage hängt alles, das muss genau durchdacht werden“, sagt Ralf Lehmann, der sich 1991 sehr für das gescheiterte Stella-Projekt einsetzte.

Heute ab 19 Uhr: Präsentation aller Gewandhaus-Entwürfe im Festsaal, Rathaus.





So soll sich der Entwurf der Stuttgarter Architekten Cheret&Bozic
in die übrige Neumarktbebauung einfügen. Grafik: Cheret&Bozic

 


Das neue Gewandhaus im Zusammenspiel mit dem Johanneum und der historisierenden Bebauung des Neumarktes: So stellen sich die Stuttgarter Architekten Cheret & Bozic ihr Projekt vor.
Es orientiert sich an der Dachhöhe des Verkehrsmuseums und öffnet sich zum Platz mit vier Restaurants. Grafik: Cheret & Bozic

 

Hier schreiben die SZ-Leser zum Gewandhaus

Abgrundtiefer Rückschlag

Ich bin energischer Vertreter eines historischen Neumarktes. Von daher empfinde ich die Entwürfe für das „Gewandhaus“ als abgrundtiefen Rückschlag für alle langwierigen Bemühungen und kann nicht verstehen, wie die Planungen von städtischer Seite als gelungen bewertet werden. In Stellungnahmen von Architekten wird der Siegerentwurf ins Höchste gelobt, als wohl gegliedert, harmonisierend mit dem Umfeld charakterisiert. All das ist selbst bei oberflächlicher Betrachtung Nonsens.
Alexander Schellenberg, E-Mail



Zeichen in die Zukunft dieser Stadt

Ich freue mich, dass an dieser Stelle Dresdens auch architektonische Formen der heutigen Zeit dem teilweise seltsam wirkenden Historismus der bisherigen Bebauung entgegengesetzt werden sollen. Grundsätzlich spreche ich mich für ein klares Zeichen moderner Architektur an diesem Platz aus. Mir ist bewusst, dass diese auf einen nicht unerheblichen Widerstand in der Bevölkerung stößt, aber ich finde, Dresden sollte dies aushalten wollen und ein Zeichen in die Zukunft dieser Stadt genau an dieser Stelle setzen.
Stephan Kunckel, E-Mail



Provokation gegen das Historisierende

Der Siegerentwurf ist der Entwurf für ein Museum der modernen Künste und benutzt den Namen Gewandhaus. Für Dresden wäre dieser Bau eine Bereicherung und sollte gebaut werden. Aber die Platzierung am Neumarkt gegenüber der Frauenkirche ist eine Provokation gegen das Wunschziel einer historisierenden Gestaltung dieses Platzes. Es gibt im Stadtzentrum noch viele Baulücken, auf denen ein solches Gebäude mit geeigneter Nachbarschaft gut in Szene gesetzt werden kann.
Siegmund Menzel, E-Mail



Der Entwurf ist austauschbar

Der favorisierte Entwurf ist in seiner ausgewiesenen Modernität an diesem Platz austauschbar. Man sollte aber nicht mehr auf den Neumarktverein hören, er ist inzwischen verkrustet und nicht mehr handlungsfähig, wenn es Überlegungen gibt, die von dem schmalen Denk-Pfad des Vereines abweichen. Es wäre wunderbar gewesen, wenn der Neumarkt mit einem herrlich kreativen Entwurf den Eindruck erweckt hätte, im 21. Jahrhundert lebendig angekommen zu sein.
Bernd Felgentreff, 01728 Bannewitz


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