Dresdner
Neueste Nachrichten 15./16. September 2007
Die Furcht vor der Fassade
Im Blockhaus wurde über den Neumarkt diskutiert
Die
ewige Stadt ist eigentlich Rom. Was lang anhaltende - um nicht zu
sagen: ewige Diskussionen angeht, läuft Dresden, leicht übertrieben
vielleicht, aber noch jeder Stadt dieser Welt den Rang ab. Vor allem
auf dem Gebiet von Architektur und Städtebau haben die Elbestädter
selbstbewusst Maßstäbe gesetzt. Zu den hier geführten Disputen gehört
nicht nur reichlich Emotion und niveauvoller Austausch von Argumenten.
Nein, wir Dresdner haben es offenbar gern eine Nummer heftiger: Da
ist die Debatte über den Neubau des Gewandhauses am Neumarkt nur das
jüngste Beispiel.
Dieses heiklen
Themas - Bebauung ja oder nein, und wenn ja, muss das dann modern
sein? - widmeten sich gestern Fachleute und reichlich interessiertes
Publikum im Blockhaus. Die Klasse Baukunst der Sächsischen Akademie
der Künste richtete zusammen mit dem Stadtplanungsamt ein Kolloquium
über "Neues Bauen in der historischen Stadt - Perspektiven der Neumarktgestaltung"
aus. Wichtig war der Austausch von Argumenten, auch der Blick auf
andere Städte und deren Herangehensweise an bauliche Probleme. Der
Blick wurde gelenkt auf Ulm, Münster und Köln.
Im Anschluss an die Veranstaltung machte Baubürgermeister Herbert
Feßenmayr klar, wohin die städtebauliche Reise in Dresden beim Thema
Gewandhaus vorerst gehen soll. "Wir brauchen eine Diskussion in die
Breite", sagte er. Der Architekt und HfBK-Professor Olaf Lauströer
äußerte die Befürchtung, dass bisher eher ein akademisches Publikum
erreicht worden sei. "Das könnte ein Fehler sein." Die beiden Professoren
Carlo Weber und Jürgen Paul nahmen in dieser Hinsicht auch die Medien,
vor allem die Tageszeitungen in die Pflicht. Fundierte Architekturkritik
als Analyse einzelner wichtiger Bauten in der Stadt fehle dort, monierten
sie.
Das die Stelle am Neumarkt gegenüber der Frauenkirche bebaut werden
soll, war unter den Experten Konsens. "Das Gewandhaus würde den Platz
fassen, die Zugänge zum Neumarkt würden ihrerseits zu kleinen Plätzen",
begründete Weber. Vielleicht müsste in der Argumentation so vorgegangen
werden, dass erst der Sinn der Bebauung klar gemacht werde, fügte
Feßenmayr an. "Dann kommt die Planungsphase, in der noch Änderungen
möglich sind." Er sehe derzeit im Stadtrat keine eindeutige Positionierung,
dafür aber Verengung der Debatte auf Äußerliches. "Die Furcht vor
der Fassade verhindert vielleicht die Fertigstellung", sagte er.
Dresden hat schon einige architektonische Neuheiten bekommen, Debatten
inklusive. Ein gutes Beispiel mit Ergebnis: die Synagoge. Das Gewandhaus
wäre eine Chance, eventuell auch als Bindeglied zum Kulturpalast zu
wirken. Das Neue muss nicht per se gut sein. Aber es sollte auch in
Dresden eine Chance bekommen.
Torsten
Hans
SZ
vom 17.09.07
Ratlose Laien und überforderte Architekten
Von Martin Machowecz
Während einer Debatte zur Neumarkt-Gestaltung fordern Experten,
dass die Baupläne künftig besser erklärt werden müssen.
Einen einzigen Tipp gibt Anne Luise Müller vom Kölner Stadplanungsamt
den versammelten Architekten im Neustädter Blockhaus: Dass diese ihre
Lehren doch besser vermitteln möge. Architekten und Stadtbau-Experten
sind am Freitagabend auf Einladung der Akademie der Künste ins Blockhaus
gekommen. In erster Linie, um Vertretern aus Ulm, Münster und Köln
Gehör zu schenken – Städten, die bereits Großbauprojekte in historischem
Umfeld realisiert haben. Außerdem, um anschließend darüber zu diskutieren.
Wieder einmal. Neumarkt und Gewandhaus bringen den Dresdner noch immer
auf Temperaturen. Und machen ihn oft ratlos.
Auf dem Abschluss-Podium, das eigentlich über neues Bauen und Baukultur
reden sollte, geht es schnell nur noch ums Gewandhaus. Peter Cheret,
von dem der Siegerentwurf fürs neue Gewandhaus am Neumarkt stammt,
ist dabei, außerdem der Wiener Architekt Hubert Hermann und Architekturhistoriker
Oliver G. Hamm aus Berlin. Offenbar wird: Der Bürger versteht den
Neumarkt kaum, und das Gewandhaus schon gar nicht. Abgesehen von Studenten,
Architekten und Neumarkt-Experten hat sich kaum ein Durchschnittsdresdner
ins Blockhaus verirrt. Doch wer soll vermitteln? „Den Architekten
die Rolle des Moderators zuzuschieben, ist nicht fair“, sagt Hubert
Hermann. Dafür seien Politiker und Bauherren verantwortlich. Dass
Moderation, von wem auch immer, durchaus nötig wäre, beweisen die
Fragen aus dem Publikum. Ob das schöne Gewandhaus nicht woanders errichtet
werden könne, will einer wissen – warum am Neumarkt? Der nächste fragt,
wieso man Moden hinterherlaufe, die heute anders als morgen seien.
Peter Cheret dürften diese Fragen sch merzen, ist sein Entwurf doch
auf den Neumarkt maßgeschneidert. Das neue Gewandhaus soll mit der
Frauenkirche in Dialog treten.
Sich das anhand eines Modells vorzustellen, ist keine leichte Aufgabe.
Die geplante begehbare 1:1-Gewandhaus-Attrappe auf dem Neumarkt könnte
dabei helfen. Ob sie gebaut wird, diskutiert der Stadtrat am Donnerstag.
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