Dresdner Neueste Nachrichten vom 20.09.2007

Mehrheit für barockes Gewandhaus

Neumarkt: Attrappe zur falschen Zeit, SPD will Bürgerentscheid

Von Ralf Redemund und Heiko Weckbrodt

Eine Mehrheit der Dresdner ist für den Bau eines barocken Gewandhauses auf dem Neumarkt. Das ist das Zwischenergebnis einer Umfrage des TU-Instituts für Kommunikationswissenschaft für die DNN. Demnach sind 52 Prozent der 269 Befragten grundsätzlich für den Bau des Gewandhauses und 22 Prozent dagegen. Da es sich um eine Vorauswertung handelt, hat das Ergebnis eine Fehlerquote von bis zu sechs Prozentpunkten. Jedoch sprachen sich die Befragten nicht für den modernen Siegerentwurf des Gewandhaus-Wettbewerbs aus: 51 Prozent plädierten für einen barocken Bau, nur ein Viertel für einen modernen.

Heute soll der Stadtrat entscheiden, ob an der vorgesehenen Baustelle auf dem Neumarkt für 165 000 Euro ein temporäres Modell des Siegerentwurfs von Cheret & Bozic in Originalgröße errichtet wird. Befürworter Klaus-Dieter Rentsch (CDU) rechnet damit, dass das Modell ab November oder Dezember für etwa zwei, drei Wochen dort stehen könne. Für die CDU-Fraktion fordert er darüber hinaus, auch den zweit- und drittplatzierten Entwurf im Computer und als "lebensgroße" Attrappe zu modellieren. Dies würde bis zu 45 000 Euro zusätzlich kosten.

All dies ist rausgeworfenes Geld, wenn sich daran keine Bürgerbefragung über den Gewandhaus-Bau anschließe, meint SPD-Fraktionschef Peter Lames. Er will das Plebiszit mit der OB-Wahl am 08. Juni verbinden, um Kosten zu sparen, und den Dresdnern die Frage vorlegen: "Sind Sie für eine zeitgenössische Bebauung am Neumarkt?".
Große Chancen hat die Bürgerbefragung aber wohl nicht: CDU und PDS haben schon ein Nein für den SPD-Vorstoß signalisiert. Der komme ihm zu kurzfristig, meinte Ralf Lunau (Linksfraktion). Immerhin benötige ein Bürgerentscheid eine einfache, die Frage selbst eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Rat - über beides binnen eines Tages zu entscheiden, halte er nicht für sinnvoll. Erst solle das Modell auf dem Neumarkt stehen, dann könne man über die Bürgerbefragung nachdenken, sagte auch CDU-Stadträtin Christa Müller.

Torsten Kulke, der Vize-Vorsitzende der "Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e.V." (GHND), erklärte unterdessen, das Neumarkt-Gerüst komme zur falschen Zeit, weil es keine geschlossene Platzfront gebe. "Ringsherum steht noch nichts. Das wäre wie ein Gerüst in der Prärie. Die Wirkung des Baus lässt sich so überhaupt nicht abschätzen", findet er. Es sei denn, die Stadt würde für das Hotel Stadt Rom, das Schützhaus und die Bebauung am Jüdenhof ebenfalls Fassaden-Attrappen aufstellen.
Ohnehin ist Kulke gegen einen Gewandhaus-Neubau. "Das entspricht dem Grundverständnis unserer weltweit 750 Mitglieder." Die Wiederherstellung der Platzanlage im Zustand vor der Zerstörung am 13. Februar 1945 "ist eine existentielle Frage für uns", erläutert Kulke das GHND-Selbstverständnis. Er sieht eine schleichenden Kurswechsel bei Stadtplanern und Architekten. Es habe eine Übereinkunft für den historischen Wiederaufbau gegeben. Die Kür des Siegermodells von Cheret & Bozic (Stuttgart) sei ein Bruch gewesen. Doch diesen Bruch wolle der Dresdner im Angesicht der Frauenkirche nicht. Auf dem Neumarkt müsse kein Kontrast, keine Spannung geschaffen werden. Die Frauenkirche dominiere. Alles andere habe sich unterzuordnen. "Ein Gegenentwurf, der in ein Wechselspiel zur Frauenkirche treten soll, hat hier keinen Platz."
Doch Kulke's Bedenken gegen den klotzartigen Siegerentwurf für den Neumarkt sind auch grundsätzlicher Natur. "Moderne Architektur müssen sie erklären. Die spricht nicht für sich, erreicht die Bevölkerung emotional nicht." Die Moderne habe es nicht geschafft, urbane Situationen zu erzeugen, in den sich der Mensch wirklich wohlfühlt. In Zeiten der Globalisierung gebe es ein großes Bedürfnis nach Identität. Und die werde in Dresden auch durch den historischen Wiederaufbau des Neumarkts realisiert.
Zudem gebe es am Neumarkt keine Qualitätskontrolle, keine Hilfe für die Bauherren. Bislang könne nicht ein Wiederaufbau überzeugen. Kulke schlägt daher eine Kommission zur Qualitätssicherung vor, die den Bauherren zur Seite steht und sie bei konkreten Problemen unterstützt. Die bisherige Gestaltungskommission sei damit nicht in Frage gestellt.

 

DNN Barometer
vom 20.September 2007

durchgeführt durch das Institut für Kommunikationswissenschaft der TU Dresden
269 Befragte

Frage: Würden Sie lieber einen modernen Bau für das neue Gewandhaus haben wollen, eher einen barocken Bau oder ist Ihnen das egal?

25 % modern
51 % barock
12 % egal
  8 % unentschieden
  4 % weiß nicht

Frage: Unabhängig davon, wie das neue Gewandhaus aussehen wird, sind Sie grundsätzlich dafür, dass an dieser Stelle am Neumarkt ein Gewandhaus errichtet wird oder sind Sie grundsätzlich dagegen?

52 % grundsätzlich dafür
22 % grundsätzlich dagegen
14 % egal
  8 % unentschieden
  4 % weiß nicht

 

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