Sächsische Zeitung vom 20.09.2007

SPD plant Bürgerentscheid zum neuen Gewandhaus
Von Thilo Alexe

Der geplante moderne Bau am Neumarkt ist heute Thema im Stadtrat. Er soll Geld für eine Attrappe bewilligen und über ein Referendum entscheiden.

Mit ihrem überraschenden Vorstoß für einen Bürgerentscheid zum Neumarkt hat die SPD die Debatte um die Bebauung des Areals angeheizt. Fraktionschef Peter Lames sprach sich am Mittwoch dafür aus, dass die Dresdner über die Zukunft des Gewandhaus-Grundstücks gegenüber der Frauenkirche entscheiden.

„Sind Sie für eine zeitgenössische Bebauung des Gewandhausareals am Neumarkt in Dresden?“, lautet die Frage, die die SPD für einen Bürgerentscheid vorschlägt. Bei anderen Stadtratsfraktionen stieß der Vorschlag auf teils heftige Kritik. Lames will bei der heutigen Stadtratssitzung einen Antrag für den Bürgerentscheid vorlegen. Ursprünglich sollte es lediglich um die Frage gehen, ob die Stadt voraussichtlich ab November für mehrere Wochen eine Attrappe des Siegerentwurfs aufstellen soll. Die Ratsmehrheit befürwortet den 165000 Euro teuren Plan der Verwaltung und erhofft sich damit eine Versachlichung des Neumarkt-Streits.

Wichtige und bewegende Frage

Die SPD will die Tagesordnung erweitern. „Die Frage der Gewandhausbebauung ist so wichtig und bewegt die Menschen so sehr, dass dies einen Bürgerentscheid rechtfertigt“, sagte Lames. Auch könne das Bürgervotum „zur Befriedung des Streits um städtebauliche Fragen am Neumarkt beitragen“.

Der Entscheid – er soll nach SPD-Vorstellung zusammen mit der OB-Wahl am 8. Juni 2008 stattfinden – kann vom Stadtrat mit einfacher Mehrheit beschlossen werden. Für die Fragestellung benötigt er allerdings eine Zweidrittelmehrheit. Die ist nicht in Sicht.

„Wir halten das momentan für die falsche Idee. Erst muss der Stadtrat eine Lösung finden“, sagte der Grünen-Rat Karl-Heinz Gerstenberg. CDU-Fraktionschefin Christa Müller äußerte sich ähnlich und kritisierte: „Wir sehen ja, wie die SPD mit dem Bürgerentscheid zur Waldschlößchenbrücke umgeht. Wenn ihr das Ergebnis nicht passt, wird sie wohl klagen.“

Linksfraktionschef Ralf Lunau, der offenbar Sympathien für einen Entscheid hegt, bezeichnete den SPD-Plan dennoch als überhastet. „Wenn der morgen keine Zustimmung findet, können wir im Stadtrat ein halbes Jahr lang das Thema Bürgerentscheid nicht mehr behandeln.“

Lunau will sich im Rat für die Einberufung einer Einwohnerversammlung zum Neumarkt einsetzen. Beobachter erwarten eine turbulente wie langwierige Debatte. Bereits nachdem eine städtische Jury im Mai den Entwurf der Stuttgarter Architekten Cheret & Bozic zum Sieger eines Wettbewerbs erkoren hatte, schlugen die Emotionen in der Stadt hoch. Etliche Dresdner lehnten eine moderne Bebauung ab. Auch der Verzicht auf ein neues Gewandhaus – der Vorgängerbau wurde 1791 abgerissen – wurde in die Debatte gebracht. Der Bund der Architekten verteidigte jedoch den Entwurf für das 65-Millionen-Euro-Projekt.

Kritische Gesellschaft

Torsten Kulke von der Gesellschaft Historischer Neumarkt, der eifrigsten Verfechterin barocker Architektur an dem Areal, hält vom neuen Gewandhaus nicht viel, von der Gerüstattrappe noch weniger. „Man kann sich kein Bild machen, solange die Gebäude um das Gewandhaus herum nicht wiederaufgebaut sind“, sagte er. Die Dresdner würden getäuscht.

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Die Dresdner sollen entscheiden, ob der Neumarkt eine moderne Bebauung verträgt. Das möchten die Dresdner Sozialdemokraten. Und auf den ersten Blick erscheint dieses Ansinnen durchaus sinnvoll.

Allerdings sollten vor so einer Entscheidung sämtliche Unklarheiten beseitigt sein. Denn noch immer ist unklar, ob das Gelände neben dem Johanneum tatsächlich bebaut werden soll? Der Streit zwischen der Stadt und dem Verein Historischer Neumarkt ist nicht ausgestanden. Ist hier Klarheit vorhanden, kann tatsächlich die Frage gestellt werden, ob dieser freie Platz nach historischem Vorbild oder modern bebaut werden soll.

Ein Architekturwettbewerb dazu ist allerdings längst gelaufen. Deshalb sollte der Stadtrat heute das Geld bewilligen, um den 60 Meter langen, 23 Meter tiefen und 18 Meter hohen Entwurf als Attrappe zu zeigen. Dann hat jeder eine Vorstellung und kann wählen.

 

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