Sächsische Zeitung, 28. Juni 2013


Archäologen legen Dinglingers Keller frei

Am Neumarkt wird die Fläche nördlich des Kulturpalastes untersucht. Die Spuren führen ins 12. Jahrhundert.

Bevor am Neumarkt weitergebaut wird, sind zwölf Mitarbeiter vom Landesamt Archäologische Denkmalpflege am Werk. Im Mai haben sie nördlich des Kulturpalastes begonnen, im September sollen die Grabungen abgeschlossen sein.
Am Jüdenhof Ecke Sporergasse haben sie bereits einen Großteil des Kellers vom einstigen Dinglingerhaus freigelegt. Hausherr Georg Christoph Dinglinger war Bruder und Mitarbeiter von Hofjuwelier Johann Melchior Dinglinger. Das um 1711 von Zwingerbaumeister Daniel Pöppelmann entworfene Haus galt als ein Höhepunkt Dresdner Barockarchitektur.

Nun will es Michael Kimmerle, Chef des gleichnamigen Unternehmens, nach historischem Vorbild wieder errichten. Er finanziert auch die Grabungen. "Wir haben bisher zwei Drittel der Fläche freigelegt", schildert Susanne Schöne. Die Historikerin ist Grabungsleiterin am Neumarkt. Das Gebiet zählt zu Dresdens mittelalterlichem Stadtkern. Die Straßenzüge waren rasterförmig gegliedert. Seit dem 12./13. Jahrhundert haben sich die Bauherren immer an diesen Strukturen orientiert. Was an Kellern brauchbar war, wurde bei neuen Bauten verwendet. So stammen Teile des Kellers unter dem Dinglingerhaus bereits aus der Zeit um 1500.

An der anderen Ecke des Grundstücks befand sich das Triersche Haus. Die große Vierflügelanlage mit markantem Erker wurde um 1695 für den Hofrat und kurfürstlichen Bibliothekar Johann Friedrich Trier errichtet. Doch auch hier passen die Kellerstrukturen nicht zum Gebäude. Auch sie sind vermutlich deutlich älter. Sandsteinbänke zeugen davon, dass dort die früheren Besitzer Bier- und Weinfässer gelagert hatten.

Zwischen beiden Häusern ist der Sandstein rot gefärbt. "Das sind Zeichen für die ausgebrannten Keller 1945", erklärt Thomas Westphalen, Abteilungsleiter Archäologische Denkmalpflege. Zwischen den Kellern gibt es Durchbrüche, sie wurden im Krieg als Fluchtwege angelegt. Besonders heiß sei es in jenen Kellerarealen geworden, wo einst die Kohlen lagerten. Thomas Westphalen zeigt eine grüne Glasflasche, an der sogar noch Reste des Etiketts erkennbar sind. Offenbar war die Hitze nicht überall gleich groß.

Deutlich erkennbar ist ein Backofen. Das sei ein bisher in dieser Form noch nicht dokumentierter Fund, sagt Susanne Schöne. Aus den Dokumenten gehe hervor, dass das einst schmale Haus darüber seit dem 18. Jahrhundert immer wieder im Besitz von Bäckerfamilien war. Ein paar Schritte weiter fällt eine Fläche aus Kieselsteinen auf. Darüber wurden später eine Stein- und dann eine Betonschicht aufgetragen. "Für uns sind auch die archäologischen Schichten unterhalb der Keller und der nicht unterkellerten Innenhofbereiche von großer Bedeutung", erklärt Westphalen. Die Funde werden, bevor sie fotografiert, ausgemessen und dokumentiert werden, gründlich geputzt. Wichtige Stücke gelangen nach der Bergung in die Zentrale des Landesamtes in Dresden-Klotzsche. Zusätzlich kommt an diesem Neumarkt-Quartier eine Drohne zum Einsatz. "Archaeocopter" heißt sie und ermöglicht dreidimensionale Abbildungen der Mauerbefunde, erklärt Westphalen. Der "Archaeocopter" wurde von den Projektpartnern Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden und der Freien Universität Berlin entwickelt.

Mit Interesse verfolgt Bauherr Kimmerle das Geschehen. Am Ende besprechen die Archäologen mit ihm, was von der unterirdischen Welt erhalten bleiben muss.

Am 2. Juli lädt das Landesamt für Archäologie von

16 bis 18 Uhr zur Führung auf der 1900 Quadratmeter großen Grabungsfläche am Neumarkt ein.

vier Fotos



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