Sächsische
Zeitung
24. Februar 2005
Blick
in den großen Schlosshof.
Zur Audienz bei August dem Starken
Von Claudia Schade
Restaurierung. Das Schloss soll zum Stadtjubiläum mit einem neuen
Ostflügel glänzen. Mehr als 60 Jahre nach seiner Zerstörung bekommt
das Dresdner Schloss seine Form zurück. Schon seit Jahrzehnten schauen
Spaziergänger an der Schloßstraße auf ein Skelett: angesengte Ziegel,
leere Fensterhöhlen, dürftige Mauerüberreste. Der Ostflügel des Schlosses
ist eine Ruine – aber nicht mehr lange. Denn jetzt wird der Flügel
wieder aufgebaut. Die letzte Lücke in der Schlossfassade schließt
sich. Für die Wiederherstellung der Ostseite hat der Freistaat insgesamt
28,4 Millionen Euro eingeplant.
Der
kleine Schlosshof:
Hier soll der Empfangsraum des neuen Museumszentrums Schloss entstehen.
Besucher für alle Ausstellungen kommen durch drei Eingänge hierher,
um ihre Karten zu kaufen. Damit die bis zu 10 000 Gäste pro Tag dabei
nicht im Regen stehen, soll sich eine 1 500 Quadratmeter große Membran
über den Hof spannen. Sie ist eine durchsichtige Haube in bis zu 33
Metern Höhe, die aus luftigen Polstern besteht und sich sogar noch
selbst reinigen kann. „Das Dach ist aber so hoch, dass die Renaissance-Giebel
frei sichtbar bleiben“, schwärmt Renate Richter von der Sächsischen
Immobilien und Baumanagement GmbH (SIB), die für die Arbeiten im Schloss
verantwortlich ist.
So soll das Dach des kleinen Schlosshofs im Stadtbild aussehen.
Montage in eine Vorkriegsaufnahme: SMF
Die englische Treppe: Was jetzt noch aussieht wie ein eingebrochener
und notdürftig abgestützter Keller, soll bald wieder in barocker Pracht
erstrahlen. Über den Treppenaufgang von 1694 sind Gäste zu Zeiten
Augusts des Starken in den ersten Stock, die so genannte Beletage,
gelangt. Von dort konnten sie an Pracht räumen entlang bis zum Audienzraum
des Kurfürsten flanieren. Diese Strecke soll sich den Besuchern auch
wieder öffnen.
Der Ostflügel: „Keiner weiß, wie alt die ältesten Teile des Schlosses
sind“, sagt Jens Beutmann vom Sächsischen Landesamt für Archäologie.
Ständig wurde im Schloss umgebaut und verändert. Mit seinen Kollegen
gräbt Beutmann vor dem Ostflügel ein mittelalterliches Fundament aus.
„Die Mauer könnte aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammen“,
vermutet er.
Im Innern des Flügels hat die Bombardierung des Schlosses im Februar
1945 nicht nur einen Großteil der Bausubstanz zerstört. Sie hat auch
ein überdecktes kursächsisches Wappen freigelegt. Die gekreuzten Schwerter
sind zwischen 1464 und1485 angebracht worden. Der Rohbau des Ostflügels
mit Torhaus und englischer Treppe soll rechtzeitig zum Stadtjubiläum
im August 2006 fertig werden. Arbeiter haben schon erste Löcher in
die alte Bausubstanz getrieben. Durch sie wird Beton in das Gemäuer
gepresst. Bis der große Schlosshof rundum mit Sgrafitti, den Kratzkunstwerken
auf Putz, verziert ist, wird aber noch einige Zeit vergehen.
Seit 1986 wird auf der größten Baustelle für den Freistaat gewerkelt.
In den vergangenen 14 Jahren hat das bereits 170 Millionen Euro gekostet.
Das Dresdner Schloss ist ein Märchenschloss – nicht zuletzt deshalb,
weil die Wiedererbauer Fantasie beim Planen zeigen mussten. „Wir bauen
in eine Zeit zurück, die es so nie gegeben hat“, sagt Renate Richter
von der SIB. „Wir nehmen einen Zustand, von dem wir glauben, dass
er harmonisch aussieht. Aber so ist das Schloss nie gewesen.“ Denn
ständig wurde an ihm herumgebaut. So wie heute auch noch.
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