Sächsische Zeitung
28.06.2007

Spurensuche am Neumarkt: Warum Arturo Prisco resigniert
Von Bettina Klemm

Mit großen Vorstellungen kam der Geschäftsmann Ende der 90er Jahre aus München nach Dresden. Doch seine Pläne sind nicht alle aufgegangen.

Der Name Arturo Prisco ist vielen Dresdnern ein Begriff. Der quirlige Italiener gilt als der bekannteste Neumarkt-Investor. Deshalb sind viele Dresdner überrascht, dass Prisco jetzt über seinen Rückzug nachdenkt. Nach dem gestrigen Beitrag in der Sächsischen Zeitung wurde er nicht nur in der Ladenpassage, sondern auch auf der Straße und in der Tankstelle daraufhin angesprochen.

Spur 1: Der Streit um den Neubau des Gewandhauses

Die Gründe sind vielschichtig. Aktueller Auslöser ist sicherlich die Diskussion um den Bau eines neuen, sehr modernen Gewandhauses. Prisco hat nicht mit so viel Gegenwind gerechnet. Die Mitglieder der Gesellschaft Historischer Neumarkt lehnen grundsätzlich ab, dass die Fläche wieder bebaut werden soll.

„Am schlimmsten ist die Unsachlichkeit. Warum dürfen die Fachleute in Dresden nicht mal ausreden? Warum wird nicht versucht, die Entwürfe zu verstehen?“, fragt er. Um den Neumarkt auch für junge Leute attraktiv zu machen, wirbt Prisco für eine Galerie mit moderner Kunst sowie für viele kleine Läden. Mit dem Architekten Kai von Döring und dem holländischen Unternehmer Dik Wessels würde er die Fläche am Neumarkt gern bebauen.

Spur 2: Fehlendes Leben am Neumarkt

Knapp 70 Millionen Euro haben die drei Investoren aufgewandt, um das Neumarkt-Areal QF zu bebauen. Neben Gebäuden mit historischer Fassade sind an der Töpferstraße moderne Häuser auf den alten Grundrissen entstanden. Den gesamten Komplex durchzieht im Inneren eine Passagenlandschaft.

Doch die moderne Architektur findet ein geteiltes Echo. Die Kritiker halten die neuen Fassaden für stil- und gesichtslos. Das steckt Sensibelchen Prisco schwer weg, er fühlt sich persönlich angegriffen. Der 63-Jährige ist enttäuscht, stellt sein Engagement infrage. „Vielleicht bin ich eine Generation zu früh?“ Von einer lebendigen Piazza hat er geträumt. Aber warum lebt der Neumarkt derzeit hauptsächlich von den Touristen, warum treffen sich hier nicht die Dresdner? Sie bezeichnen doch diesen Platz all zu gern als Herz der Stadt. Prisco hat das Gefühl, dass viele das Haar in der Suppe suchen, statt sich über das Geschaffene zu freuen. So grübelt er, was machen wir falsch?

Spur 3: Der schwere Start in der QF-Einkaufspassage

Weniger Kundschaft auf dem Neumarkt, bedeutet auch, dass die Läden in der Passage nicht so stark besucht werden, wie die Mieter anfangs erhofft hatten. Inzwischen sind die ersten Läden schon wieder verwaist. Auch Gabriele Häfner will ihre Modeboutique aufgeben.

Allerdings gibt es auch andere Stimmen. „Unser Geschäft läuft prima. Sogar große Modejournale berichten über uns“, sagt Dagmar Schreiber. Sie bietet so klangvolle Luxusmarken wie Prada, Dolce und Gabbana und Jil Sander an. Dass eine Passage eine Anlaufphase braucht, sei normal, Prisco habe so viel Kritik und Häme nicht verdient, sagt Schreiber. „Die Stadt wird schlecht geredet, das tut weh.“

Prisco hat klare Vorstellungen über seine Passage. Er will Qualität, nicht unbedingt Luxus. Nahezu akribisch hat er deshalb auch seine Mieter ausgewählt. Auch wenn es wirtschaftlich unsinnig scheint, lässt er lieber Läden leer stehen, als seine Ansprüche herunter zu schrauben.

Gut angelaufen ist hingegen das Hotel QF. Prisco hat es von dem italienischen Star-Architekten Lorenzo Bellini ausgestalten lassen. Und weil es mit den geplanten Arztpraxen im Nachbargebäude nicht geklappt hat, lässt er es jetzt um 29 Zimmer erweitern. Sehr zum Kummer der Büromieter nebenan, denn die müssen bis zum geplanten Bauende im Oktober wieder unter dem Lärm leiden. Das Hotel will Prisco auch in Zukunft weiter betreiben. Gemeinsam mit zehn Freunden im Hintergrund hat er dazu eine Gesellschaft gegründet.

Spur 4: Das Wallgässchen verliert seine Mieter

„Er ist ein brillanter Verkäufer“, sagt einer seiner früheren Ladenmieter. Aber er halte Versprochenes nicht immer ein, vertröste die Mieter schnell mit lauwarmen Sprüchen. Wohin das führt, zeige die Prisco-Passage im Wallgässchen. Vor sechs Jahren wurde die Ladengalerie unweit der Königstraße eingeweiht. Doch inzwischen stehen hier viele Geschäfte ungenutzt.

Zu den Flops gehört das Torhaus am Palaisplatz. Prisco hat es 2000 erworben und wollte darin einen gediegenen Nachtclub einrichten. Die Pläne scheiterten vorerst.

Spur 5: Das Pendeln und die Liebe zu seiner Helga

Es gibt auch ganz private Gründe. Prisco schwärmt gern öffentlich von seiner Helga. Mehr als 40 Jahre lebe er schon mit ihr zusammen. Sie war der Grund, warum er nach Deutschland ging. Um ihrer Familie zu gefallen, wurde er ein erfolgreicher Geschäftsmann – vom kleinen Buch- über den Tuchhändler zum Millionär in der Münchener Geschäftswelt. Doch um seine Aufgaben in Dresden erfüllen zu können, pendelt er monatlich rund 6000 Kilometer zwischen München, Mailand und Dresden. Seine Ehefrau leide unter der Trennung. Deshalb möchte sich Prisco auf ein neues Projekt in Dresden konzentrieren. Noch sei es zu früh, darüber zu sprechen, sagt er.

Und wie kann es nun weitergehen?

Gestern ist Arturo Prisco erst einmal wieder nach München gefahren. Er brauche etwas Zeit. „Ich werde zwar beim Gewandhaus nicht als Investor auftreten, aber an der Entwicklung des Projektes bleibe ich dabei.“, sagt er. Vielleicht wisse er in zehn Tagen mehr.




Zwei Fotos (Arturo Prisco und Ladenpassage)


Der Neumarkt und seine Bauten

Das Gewandhaus soll auf einer Fläche zwischen Johanneum und Kulturpalast entstehen. Den Architekturwettbewerb gewann das Stuttgarter Büro von Peter Cheret und Jelena Bozic. Der Stadtrat will nach der Sommerpause über das Vorhaben entscheiden.

Das Quartier I, auch QF genannt: Die Investoren Dik Wessels, Arturo Prisco und Kai von Döring bauten es für rund 67 Millionen Euro. Die Einkaufspassage mit 47 Läden wurde am 22. September 2006 eingeweiht, das Hotel mit 96 Zimmern im Frühjahr.

Das Engagement der Holländer ist eher zufällig, spricht aber dafür, dass Neumarkt-Immobilien eine gute Anlage sind. Die Tiefgarage gehört Q-Park, das QF zur Hälfte Kondor Wessels und Schild Holland Fonds hat das V.V.K.-Quartier erworben.

 


Webseiten:

http://www.q-f.info

http://www.qf-hotel.de/

http://www.restaurant-dresden.de (Kanadisches Restaurant Ontario im QF)

http://www.brockmannundknoedler.de (Luxus-Friseur unterm Dach, siehe z.B. Salon / Fotos)

 

 



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