Sächsische Zeitung
Montag, 31. Mai 2007


Das Gewandhaus muss verhindert werden

Zum Gewandhaus-Projekt direkt am Neumarkt schreibt Christian Mödebeck aus Dresden.

So langsam beginne ich mich ernsthaft zu fragen, was falsch in dieser Stadt läuft. Da wird seit Jahren um den Neumarkt gerungen, gestritten und auch gebaut, mit teils zwiespältigen, aber insgesamt doch gelungenem Ergebnis.

Es wird jahrelang dafür gekämpft, im unmittelbaren Umfeld unserer Frauenkirche ein kleines Altstadtviertel wiederzuerrichten, um ihr ein würdiges Umfeld zu geben und einen Teil der kunsthistorisch ehemals bedeutenden Altstadt wieder erfahrbar zu machen. Vielen Menschen liegt dieser Platz am Herzen, sie müssen für ihn kämpfen und für die historische Rekonstruktion dieser kleinen Insel eintreten. Wozu frage ich? Warum für etwas kämpfen müssen, was eigentlich selbstverständlich sein sollte? Kämpfen gegen wen? Gegen die Stadtverwaltung, gegen die Architekten, gegen die Investoren! Wieso geht es nicht miteinander? Wieso sind alle vorgelegten Entwürfe ausnahmslos hässlich? Und wieso steht nichts davon in den Begründungen der Jury, die den Siegerentwurf auswählte und vor allem seine geschickte Einbettung in die Umgebungsbebauung hervorhebt?

Fest steht nur, dass dieser Entwurf keineswegs realisiert werden darf. Dresden würde sich vollends vor seinen Besuchern aus aller Welt blamieren. Das Neumarkt-Projekt wäre gescheitert und vollends der Lächerlichkeit preisgegeben.

Um es klar zu sagen: Mit diesem Projekt steht und fällt der gesamte Wiederaufbau der Dresdner Altstadt. Das Gewandhaus muss verhindert werden.


Möglichkeit, dem Zeitgeist Ausdruck zu verleihen

Der bisherigen Bebauung des Neumarktes stehen zeitgenössische Bauten gut zu Gesicht, meint Barbara Uhlig.

Nachdem ich mir in der Städtischen Galerie die Entwürfe für den Bau des Gewandhauses angesehen habe, komme ich für mich zu dem Schluss, dass der mit dem 1.Preis ausgezeichnete Entwurf geradezu genial konzeptionell – innen und außen – und materialmäßig dorthin passt.

Mit einem zeitgenössischen Gebäude dieser Qualität könnte der Platz um die Frauenkirche förmlich, was die Qualität anbetrifft, gerettet werden! Die inzwischen neugebauten Geschäftshäuser mit ihren vorgehängten (vorgetäuschten) Fassaden sind in meinen Augen Disneyland in höchster Potenz! Es steht Dresden nicht besonders gut, sich damit zufrieden zu geben, und diese Bauten als Maßstab für weiter folgende zu nehmen. Dresden hat mal wieder die einmalige Chance, dem Zeitgeist Ausdruck zu verleihen und sich vom Mittelmaß zu trennen!

Auch rund um den Theaterplatz stehen zeitgenössische Bauwerke neben einander und keiner stört sich daran; im Gegenteil, wir zeigen dieses „Ensemblegemisch“ stolz unseren Besuchern, und bei einigermaßen Kenntnis der damaligen Bauherren wissen wir hinzuweisen, dass diese allesamt fortschrittliche Baumeister waren, Neues in Angriff genommen haben und heute eben dieses Ensemble aus vielen Epochen doch irgendwie zusammenpasst.

Genauso sehe ich die Situation am Neumarkt: Ich lebe heute und möchte das auch an den Bauwerken meiner Stadt sehen. Ich hoffe und wünsche, dass diese einmalige Chance nicht von Schreiern und „verkrusteten“ Verfechtern der alten Zeit erwürgt wird!

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