DNN
31. Oktober 2003

"Eine kulturelle Schande"

"Die Philharmonie im Hinterzimmer eines gigantischen Warenhauses", "Architektur, die an die Stalinzeit erinnert", "feindliche Übernahme", "Monstereingriff", "städtebaulich völlig falsch", "katastrophale Planung", "kulturelle Schande". Dass bei Diskussionen um neue Architektur in Dresden starke Worte üblich sind, weiß man. So einhellig aber wie am Mittwoch und Donnerstag im Blockhaus geht es trotzdem selten zu. Und da diskutierten über die Kollhoff-Sachsenbau-Planung für die Umbauung des Kulturpalastes nicht etwa Bürger aus ihrer Mitte heraus, wo der Bauch liegt, sondern Mitglieder der Klasse Baukunst der Sächsischen Akademie der Künste.

Wohl ein erstes Mal in dem zehn Jahre währenden Streit wurde das Thema so komplex behandelt wie in einer Drei-Stunden-Veranstaltung am Mittwochabend. Und auch eher selten: der Abend hatte sogar ein Ergebnis. Wolfgang Hänsch, Architekt beim Wiederaufbau der Semperoper und als junger Mann auch schon bei den Planungen des Kulturpalastes dabei, stellte eine eigene, eine ganz neue Umbau-Variante vor (siehe Abbildung). Die sieht auch Umbauten an drei Seiten vor, allerdings ohne die so heftig von den Architekten kritisierte schräge Passage, und auch ohne Glaskuppel, die in ihrer ersten Form sogar die Maße der Frauenkirchenkuppel erreichte. Vorn zum Altmarkt hin lässt Hänsch die gläserne Fassade offen und zieht ein großes von Säulen getragenes Dach über den Gehweg, wodurch ein großzügiges Entre entstünde.

Um die Aufgeregtheit zu verstehen, mit der die Architekten den Entwurf des Berliner Hans Kollhoff ablehnen, muss man weit zurück gehen. Dieter Schölzel - seit fast acht Jahren mit dem Thema Kulturpalast befasst, sein Büro hat den Konzertsaal nach dem Vorbild des Scharoun-Saales in der Berliner Philharmonie entworfen, und verschiedene Varianten der Umbauung des Kulti geprüft - bot den historischen Rückblick. Er zeigte die monströsen, an Türme wie den der Moskauer Lomonossow-Universität erinnernden Gegenentwurf aus den Fünziger Jahren für den Kulturpalast. Er berichtete auch, wie schwer es war, den schlichten gegen den bombastischen zunächst von der Partei gewollten Entwurf durchzusetzen. Und man will sich nicht heute einer neuen Monströsität an diesem Platz ergeben müssen.

Stephan Braunfels, Architekt der gerade ausgezeichneten neuen Pinakothek in München, erzählt, er sei ganz erschüttert gewesen, als er die Pläne kennen gelernt hat. Er sieht die Gefahr, dass die Stadt durch dieses spezielle Finanzierungsmodell des Kulturpalastes erpressbar wird durch einen Investor, der so auch seine architektonischen Wünsche durchsetzt. Die Stadt braucht das Geld, das Sachsenbau für die Grundstücke um den Kulturpalast bezahlt, um den Konzertsaal wenigstens zu zwei Dritteln finanzieren zu können. In einer verzwickten Lage fand sich deshalb Baubürgermeister Herbert Feßenmayr (CDU) wieder, der etwas hilflos wirkte. Nachdem mehrere Architekten einen Wettbewerb gefordert hatten für das Areal, gab sich auch Feßenmayr hart. "Es wird einen Wettbewerb geben, da werden wir nicht locker lassen". Und er sagt auch noch: "Die Kuppel haben wir dem Investor schon ausgeredet".

Allerdings nicht ganz, erweist sich durch DNN-Nachfrage beim Sachsenbau-Chef Dieter Füsslein. "Die Kuppel ist viel kleiner geworden", sagt er. Auch einen kleineren Wettbewerb für ausgewählte Bereiche des Areals stellt er sich vor. "Wir sind schon mit drei jungen Dresdner Büros im Gespräch", erklärt er. Sich aber von dem Architekten Kollhoff zu trennen, wie es mehrere Akademie-Redner gefordert hatten, kommt für ihn nicht in Frage. "Er ist der Architekt meines Vertrauens und genau der richtige für diesen Platz". Füsslein sieht hinter der Kollhoff-Schelte ein Rivalitäts-Problem. "Das richtet sich alles gegen den Berliner Kollhoff. In Dresden sollen nur Dresdner bauen können. Das ist so, als ob Dresdner nur Dresdner Bananen essen dürfen." Klingt nett das Argument, stimmt aber nicht. Denn es war kein Dresdner, der den Bau, sollte er nach Kollhoffs Plänen entstehen, eine "kulturelle Schande" nannte, sondern der Wiener Anton Schweighofer.

In der wohl fatalsten Lage sind bei dem Ganzen die Dresdner Philharmoniker. Sie wollen einen Saal, aber zu welchem Preis? Ein Mitglied des Orchesters, das die Diskussion verfolgt hat, sagte danach: "Mit dem Kollhoff-Bau wäre der Preis sehr, sehr hoch."

Heidrun Hannusch