Ein Großteil
der Bebauung wird vernichtet. Oberlandbaumeister Wolf Caspar von Klengel hat einen barocken Plan für
den Ausbau der anderen Elbseite als „Neue Königsstadt“ mit Anlage
einer zentralen Achse, der Hauptstraße.
Link:
Plan zur Umgestaltung Altendresdens
(Deutsche Fotothek)
1721-31
Pöppelmannbrücke
Baumeister Daniel Pöppelmann baut die alte Renaissancebrücke um und
erweitert sie zu einem großzügig eleganten Bauwerk. Dabei wird das alte Torhaus
abgerissen, welches den Zugang zur „Neuen Königsstadt“ stört. Link:
Abbildung der alten Pöppelmannschen Brücke 1735 - mit
Wassergraben
(Deutsche Fotothek)
1732- 37
Blockhaus / Barocke Pläne zur Symmetrie
Zacharias Longuelune baut ein neues Blockhaus genau am Endpunkt der Hauptstraße.
(Ein älteres Blockhaus stand bis 1728
direkt auf der Brücke.) Seine Pläne für ein zweites
identisches Blockhaus als Pendant am Neustädter Brückenkopf
scheitern nach dem Tod August des Starken 1733.
Grundriss zum "Corp de Gardes" - barocke Planungen zum
Brücken- abschluss mit zwei identischen Häusern in quadratischem
Grundriss
Das Blockhaus (eigentlich 1728 als
Pyramidengebäude entworfen) wird nicht, wie von Longuelune geplant,
stufenpyramidenförmig mit Obelisk / Reiterstatue vollendet, sondern 1749 von
Maximilian von
Fürstenhoff als Neustädter Wache vereinfacht fertig gestellt.
Auch vorherige Visionen für große symmetrische Brückenkopfanlagen
bleiben als Idealplanungen nur Entwürfe, wie z.B. dieses 1702
entworfene "Barocke Baukonzept für die Dresdner Neustadt"
(Deutsche Fotothek)
Dresda ad Albim – Dresden an der Elbe,
(Kupferstich, Ausschnitt.) Seutter, Matthäus, Hrsg / 1755 (Quelle:
Deutsche
Fotothek Dresden)
Mitte 18. Jahrhundert: Entfestigung des „Beyer“- Schutzwalls zur Elbe hin
Der ehemalige Teil der Neustädter
Fortifikation mit schmalem Wassergraben und kleinem
Verteidigungswall zur Elbe hin wird Mitte des 18. Jhr. verfüllt bzw.
abgerissen. Auf einem
Gemälde von Bellotto ist 1747 noch der Graben und auch der
Hofnarr Fröhlich zu sehen.
Der sächsische Kurfürst Friedrich
August II. ließ diesen kleinen Wall abreißen, weil er militärisch
nicht mehr sinnvoll war und die Verteidigungsanlagen an den Außengrenzen
der Neustadt verstärkt worden waren.
1755 Neubau Narrenhäusel nach Entfestigung
Hofnarr Fröhlich wohnt seit 1747 in dem
Saturn-Haus, welches damals "Die Zeit" genannt wurde (wegen der
Figur an der Ecke von Permoser). Auf einem von Fröhlich
gedruckten Anschlagzettel heißt es:
In Neustadt suchet ihn, er (Fröhlich)
wohnet in der "Zeit", Da find't ihn Jedermann zu Hülf und Dienst
bereit. Da sticht er euch den Staar, da macht er alte Leute
Aufs Neue wieder jung und Alberne gescheute. (1)
Direkt vor
dem Haus mit der Saturn-Figur
lässt Fröhlich 1755
auf dem frei gewordenen Platz der abgerissenen Fortifikation
gleich neben der neuen Brücke sein neues
Wohnhaus bauen. Es entsteht nach eigenen Vorgaben Fröhlichs, ein
Architekt ist nicht bekannt. Der barocke Bau ist ein dreigeschossiges freistehendes Gebäude,
welches sich klar nach "außen", also nicht zum Neustädter Markt,
sondern zur Elbseite wendet. Joseph
Fröhlich nennt es wegen der ähnlichen polygonalen Rundtürme „Kleinmoritzburg“.
Aber die Form des Hauses erinnert auch ein wenig an ein
Brillenfutteral, der schalkhafte Hofnarr könnte die Brille als eine
Anspielung verstanden haben, um die Dinge am Hof auf der anderen
Elbseite besser auf's Korn nehmen zu können.
Nach Norden erstreckt sich noch ein
Gebäudeflügel, deren Aussehen zur Bebauungszeit heute unbekannt ist. Dort
waren mutmaßlich Küche, Stall und Gesinderäume vorhanden.
Ebenso ist über die genaue Aufteilung der Innenräume (bis jetzt)
wenig bekannt. Vielleicht gab es ein Bibliothekszimmer,
Fröhlich besaß nachweislich 140 Bücher.
Verglichen mit dem Blockhaus ist das Haus des Hofnarren eher
ein bescheidenes Gebäude (deswegen der Begriff „Häusl“ ) mit
modernem französischem Mansarddach (im Gegensatz zum bisher
verwendeten Satteldach), Zierschornsteinen und geschwungener, leicht
erkerartiger Ausprägung der Mittelachse. Das Haus hat kaum
Bauschmuck, außer die auf den Putz gemalten Spielgelfelder. Zur
Grundstücksgrenze nach Osten gibt es eine Brandwand, ohne den
rechten Rundturm vollständig auszubilden. Die angestrebte Symmetrie
ist also nicht vollständig. Wie die anderen Grundstücke auch, hat es
einen Lustgarten zur Elbe zu. Insgesamt ist das Grundstück relativ
klein und schmal.
Der katholische Hofnarr Joseph
Fröhlich, königlich-kurfürstlicher Hoftaschen-spieler, der 1727 an
den Dresdner Hof zu August dem Starken kam, stammte eigentlich aus
der Steiermark (Alt-Aussee in Österreich), war gelernter
Müllermeister u. hatte 1753 die dortige Steinmühle verkauft. Mit
diesem Geld sowie dem Gehalt, welches der sächs. Kurfürst Friedrich
August II., auch nach dem Tod August des Starken 1733 dem Hofnarren
Fröhlich zahlte, konnte Fröhlich sein eigenes "Narren-Palais" auf
der Neustädter Elbseite finanzieren. Ein Jahr vor dem Ende der
Herrlichkeiten des sächsischen Rokkoko zieht er mit seiner zweiten Ehefrau und
seinen Kindern in das Haus am Neustädter Brückenkopf.
1757 Tod Fröhlich's nahe Warschau
Fröhlich kann sein neues Haus nur sehr kurz genießen. Nach
Ausbruch des Siebenjährigen Krieges im August 1756 besetzen am 10.
September die Preußen kampflos die Residenz Dresden, deren trutzige
Festung in diesem Fall völlig nutzlos ist. Hofnarr Fröhlich flieht
mit seiner Familie auf das Gut seiner ihm 1754 geschenkten
königlichen Hofmühle in Marienmont nahe Warschau, wo er am 24. Juni
1757 stirbt. Der Krieg dauert bis 1763.
Blockhaus – Narrenhäusel
Das
kurz nach Vollendung des Blockhauses (Neustädter Wache) errichtete
Narrenhäusel steht nicht im Maßstab des Blockhauses und wirkt
dagegen nicht besonders repräsentativ. Es hat im Grunde eine
ungünstige Lage, direkt an der Pöppelmann'schen Elbbrücke zwischen
erstem u. zweitem Bogen. Ohne Abstand bedrängt es die Brücke und war noch dazu ständig vom Hochwasser bedroht. Dennoch
sticht es als Solitär prominent und auch ein wenig keck am Kopf der Brücke hervor.
Stadtplan von Dresden-Neustadt, 1:5 000,
Lithographie, 1852 Quelle: Deutsche Fotothek Dresden
Eine
andere (unkorrekte) Darstellung eines Stadtplanes verzeichnet das Narrenhäusel
hinter der Pöppelmann'schen Brücke:
Link:
Plan von Dresden-Neustadt 1819 (Deutsche Fotothek)
Ansichten der Neustadt zu Dresden, Kupferstich
von Friedrich Gottlob Schlitterlau, vor 1782,
Quelle:
www.deutschefotothek.de
Das
Narrenhäuschen (ganz links im Bild) noch ohne Bäume im Garten u. mit
harter Brandwand nach Osten
Ansicht von Dresden mit der
Neustadt und der Elbbrücke, Kupferstich um 1800,
Quelle:
www.deutschefotothek.de
Hinter dem kleinen Narrenhäusel ragt dagegen imposant das nördlich angrenzende Brauersche Haus
mit hohem Satteldach empor (genannt die "Zeit"), an dessen Ecke die Permoser-Figur des
Saturn (Tod, Chronos) angebracht ist.
Blick auf die Neustädter Seite von Dresden
(Ausschnitt), Deckfarbenblatt von Carl
Benjamin Thielemann, um 1800, Quelle: Deutsche Fotothek Dresden
Elbuferbebauung - Pläne für beide Elbufer
im späten 19. Jh.
Die
große Flutkatastrophe hat zur Folge, dass Stadterweiterungen am
Fluss im prosperierenden Dresden höher gelegt werden. Der Plan von
1869 zeigt z.B. für die Innere Neustadt Elbufer-Bebauungspläne in
Blockrand, auch direkt neben das Narrenhäusel. Während die Quartiere linksseitig am Sachsenplatz
mit Elbuferregulierung und Hochstraße gebaut
werden (Abbildung
Stahlstich 1880), nimmt man von den dichten Bebauungsplänen rechtsseitig am
Neustädter Elbufer Abstand.
Besonders die durch den Fortzug
in die neue Albertstadt frei geworden Fläche des Kasernengeländes
wird um 1887 als komplett neues Stadtviertel geplant. Die beiden
neuen, überdimensionierten Ministerien werden aus
Hochwasserschutzgründen auf
aufgeschüttetem Terrain höher gelegt u. wirken so noch mächtiger. In
einem Plan 1885 für das neue Viertel um den neuen
Carolaplatz wird sogar die komplette Überbauung aller
Gartengrund-stücke östlich des Narrenhäusels vorgeschlagen,
einschließlich Abriss Narrenhäusel.
Plan 1885. Zwei Jahre später wird im
Bebauungsplan N. Allgem. 16 b der Stadt Dresden
von dieser Überbauung wieder Abstand genommen.
Gartenpavillon und Steinmauer des
Narrenhaus-Grundstückes Foto: Deutsche Fotothek Dresden, um 1906
Narrenhäusel als Kino
Das Narrenhäusel ist Ende des 19. Jh. wegen des großvolumigen,
aufgestockten Gartenhauses sowie des Nachbargartenhaus u. der hohen
Bäume im Sommer kaum noch zu sehen. In dem barocken Gebäude wird
später ein
„Lichtspieltheater“ eingerichtet. Quelle:
http://allekinos.pytalhost.com +
Postkarte 1904
20. Jahrhundert
Luftbild 1943 mit Rückseite des
Narrenhäuschens und gründerzeitlicher Nachbarbebauung,
Foto:
www.deutschefotothek.de, Deutsche Fotothek Dresden
Abriss der alten
Pöppelmannschen Elbbrücke 1907 Wenige Jahre später muss auch die schöne alte Pöppelmannsche
Elbbrücke - dem ansteigenen Verkehr geschuldet - abgerissen werden. Wilhelm Kreis baut bis
1910 eine neue breitere Betonbrücke (+Sandsteinverkleidung) mit
größeren Bögen, durch die besser Schiffe fahren können. Der Fußsteig
der neuen Brücke führt direkt an der Westseite des Narrenhäuschens
vorbei. An der schmalsten Stelle bleiben nun keine zwei Meter Platz
für Fußgänger. Dafür wird das abfallende Gelände ein Stückchen
nördlich nivelliert u. auf gleiche Höhe gebracht.
Foto 1909/10 Deutsche Fotothek Der
inzwischen störende Narrenhaus-Gartenpavillon, der Ende des 19. Jahrhunderts noch eine
Aufstockung bekam, wird nach Abbau der Baustellen- einrichtung abgerissen.
Neue Augustusbrücke von Wilhelm
Kreis, mit Standort des Narrenhäusels Interessant auch die Lage der
alten, spitzen Brückenpfeiler der Pöppelmannbrücke. Quelle:
Deutsche Bauzeitung Nr. 46, 8. Juni 1910, S.359.
Elbufer-Umgestaltungspläne 1909 - 10
Ein Ideenwettbewerb beschäftigt sich 1909 mit
den drängenden Verkehrsproblemen der Anbindung des Regierungsviertels mit dem Neustädter Markt. Der bekannte Architekt
Theodor Fischer liefert einen detaillierten Plan und schlägt u.a.
eine Verlängerung der damaligen Asterstraße u. einen
Straßendurchbruch über den Neustädter Markt bis zum Palaisplatz vor.
Vor das abgerissene Narrenhäusel soll ein neuer Bau entstehen.
Plan Fischer
,
neue Elbfront (Architekturmuseum der TU München)
Auch Oswin Hempel (Dresden) lässt das Narrenhäusel abreissen und
errichtet eine symmetrische Torsituation mit voluminösen Gebäuden.
Wettbewerb 1910,
Vergröß.
Ein Jahr später versucht dann die Dresdner Stadtverwaltung unter Hans Erlwein
1910 die
Neustädter Elbseite energisch städtebaulich neu zu ordnen - in
Weiterentwicklung des neuen Stadtviertels um den Carolaplatz, Plan
1887. Es soll eine
Hochuferstraße entstehen, die direkt vor dem
Narrenhäusel die Augustusbrücke kreuzen und bis zur vorhandenen
Straße "Königsufer" vor dem Finanzministerium führen soll. Diese
neue Straße soll nun die leistungsfähige Verbindung zum neuen
Regierungsviertel ermöglichen, da die schmale Klosterstraße am
Neustädter Markt in ihrer Breite nicht verändert werden soll.
Vogelschau-Visualisierung, Königsufer Dresden 1910.
Hans Erlwein: Projekt zur Bebauung
des Königsufers, Zeichnung 1913, Quelle: Planungsamt
Landeshauptstadt Dresden. (rot markiert: Narrenhäusel)
Einen "Entwurf
zur Verlängerung des Königsufers und der Niederuferstraße bis
zur Augustusbrücke" hatte es schon 1908/09 gegeben (Zeichnung: Guido
Hertel), als der Neubau der Brücke von Kreis gerade im Bau war, aber
es kam nicht dazu. Aus verkehrstechnischen und
Hochwasserschutz-Gründen macht der Plan Sinn. Dennoch gibt es starke
Einwände: Die große voluminöse Baugruppe mit vorgelagerter
Hochuferstraße hätte den Charakter der weiten offenen Elbwiesen
eingeschränkt und stattdessen mit Kaimauer, baumbestandenen Boulevards
und einer vor dem Narrenhäusel abzweigenden Straßenkreuzung dichte
Großstadturbanität inszeniert. Der östlich vom Narrenhäusel sich
weit nach vorn zur Elbe schiebende neue Bau hätte das barocke
Gebäude dann wuchtig bedrängt. Damit der ansteigende
Verkehr auf der Brücke besser hätte fließen können, war von Erlwein
vorgesehen, das Narrenhäusel im Erdgeschoss als Fußgänger-Durchgang
zu öffnen. Dazu hätte man auch das Souterrain-Geschoss komplett
zuschütten und den Garten als Trottoir pflastern müssen.
Modell Bebauung Königsufer Dresden
(Hans Erlwein) 1910, Foto: Stadtplanungsamt Dresden.
Bei den Erlweinschen Planungen, die in sich ein entschiedenes
Bekenntnis zu städtischer Urbanität darlegen, wäre der Gartencharakter
hinter den Bürgerhäusern verschwunden. Dafür wäre entlang einer
neuen Hochuferstraße großstädtisch dichte Bebauung entstanden.
(Blockrand-bebauung u. Hochuferstraße waren bereits 1901 in einem
Ortsgesetz als bindend vorgegeben). Direkt am
Blockhaus hätte sich einer Art Torplatz ergeben. Darüber hinaus
hätte die Hochuferstraße mit den steinernen Kais zusätzlich vor
Hochwasser geschützt.
Diese ehrgeizigen Pläne einer
Hochuferstraße (nach Pariser Vorbild) scheitern. Es regt sich
starker Widerstand sowohl von Denkmalpflegern um Cornelius Gurlitt
als auch von der Bürgerschaft, die die Qualität der grünen Gärten
schätzen. 1913 zur II. Tagung der deutschen Denkmalpflege in Dresden
wird besonders auf erhaltenswerte Bauten, Städte- u. Straßenbilder,
aber auch auf landschaftliche Besonderheiten hingewiesen, die
geschützt werden sollen.
Siehe z.B.
Kunstchronik 10.10.1913 u.
24.10.1913
Die städtebaulichen
Pläne kommen dann durch den plötzlichen Tod Erlwein aufgrund
eines Verkehrsunfalls 1914 und den ausbrechenden Weltkrieg zum
Erliegen. Nach 1918 folgt eine Abkehr von kompakten
dichten Großstadt-Konzepten der Kaiserzeit.
Um 1930 – Inszenierung der Landschaft als räumliche Qualität
Mit den stadthygienischen Konzepten der späten 1920er Jahre wird
zunehmend der landschaftliche Charakter des Neustädter
Elbufers betont. Den großen Elbbogen nimmt man jetzt als großartigen Landschaftsraum
wahr und versucht ihn als solchen zu „inszenieren“. Der Begriff
Weltkulturerbe war damals noch nicht in Gebrauch, aber die
Einzigartigkeit eines unbebauten Flussufers inmitten einer deutschen Industrie-Großstadt wird nun als ein besonderer städtebaulicher
Wert geschätzt. Paul Wolf, der neue Stadtbaurat, betrachtet Dresden
als Gesamtkunstwerk in einer Symbiose von Stadt, Kunst und schöner
Landschaft.
Paul Wolf lässt um 1930 Pläne zur
landschaftlich-gärtnerischen Umgestaltung des Elbuferbereiches
anfertigen, an denen maßgeblich Karl Paul Andrae beteiligt ist. Die
Umsetzung des Konzeptes gelingt allerdings nicht mehr in den letzten
Jahren der Weimarer Republik. Situation des Elbufers im Jahr 1932:
Fotographie Deutsche Fotothek
1933 – 1945 Königsufer
Mit den neuen Machtverhältnissen nimmt Stadtbaurat Paul Wolf als
eine der ersten städtebaulichen Maßnahmen ab 1933 die Umgestaltung
des Elbufers in Angriff. Der 1933 ins Amt forcierte
NSDAP-Oberbürgermeister Dresdens Ernst Zörner dringt zudem an dieser
heraus ragenden Brückenkopflage auf eine politische Besetzung des
Terrains. Genau gegenüber des Narrenhäusels vor dem Blockhaus sollte
eine „Ehrenmalanlage für die Gefallenen des I. Weltkrieges“
u. ein "Mahnmal des nationalen Aufbruchs" entstehen, was nicht ausgeführt wird, da Pläne für ein Gauforum
Vorrang hatten.
Paul Wolf verwendet für die Anlage der
Elbufergestaltung (gering bezahlte) Arbeitslose aus dem neuen
NS-Arbeitsbeschaffungsprogramm. Beteiligt an der Planung war auch
der Dresdner Stadtgartendirektor Balke, mit dem im Juni 1935 die
Anlage eröffnet wird. Ein Jahr später findet 1936 eine
Reichsgartenausstellung, u.a. in dieser Anlage statt.
Stadtbaudirektor Herbert Conert ist ebenfalls involviert in die
Gestaltung.
Narrenhäusel als Restaurant
Für ein komplett neu geschaffenen Erholungsraum, der sich
insgesamt 2 km an der Elbe von der Marienbrücke bis zur
Priesnitzmündung entlang zieht, braucht es ein zentral gelegenes und
gut erreichbares gastronomisches Angebot. Das Narrenhäusel bietet
sich an. Es ist erneut renovierungsbedürftig und die Sicht auf die
nun abends angestrahlte Altstädter Seite ist phänomenal. So entsteht
das Konzept des Umbaus vom Narrenhäuschen- Wohnhaus zur
Gaststätte mit sehr großzügigem Biergarten. Endlich besteht auch die
Gelegenheit, die unbefriedigende Situation der Brandwand zur
Ostseite zu beseitigen und mit rund-eckig ausgebildeter Wölbung des
rechten Seiten-“Turms“ die Symmetrie zu vervollständigen.
Die Besitzer (wohl auch des Nachbar-Gartengrundstücks) werden
ausgezahlt und das Grundstück gelangt in städtisches Eigentum.
Den Gebäude-Umbau und die neue Inneraumgestaltung des
Narrenhäusel-Restaurants übernimmt Karl Paul Andrae.
Er lässt, so ist in den Bauakten zu lesen, das marode Gebäude
komplett entkernen und neue Decken in Stahlbeton vom Betonfachmann
Benno Löser einziehen.
Nach einem Jahr Umbauarbeiten öffnet das neue Restaurant zu
Pfingsten 1937. Es stehen vier Etagen zur Verfügung. Wein- und
Bierstuben im UG, Kaffeehaus im EG und 1. OG, Festsaal für 35
Personen im 2. OG (auch für Konzerte und Tanz genutzt).
Die
neuen Grundrisse sind auch nach der schmalen
Erweiterung an der Ostseite nicht besonders geräumig. Man muss
funktional, um einen vollständigen Restaurantbetrieb zu
gewährleisten, ins nördlich gelegene Kaiserhofhotel ausweichen,
welches vor 1918 insolvent gegangen war. Dort waren im EG und UG
u.a. Küche, kalte Küche, Spüle und Lager für das Narrenhäusel-Lokal
untergebracht. (Grundrisse im Stadtarchiv Dresden)
Narrenhäusel als fertig gestelltes
Restaurant, Foto: Deutsche Fotothek Dresden, 1938
Stadtgartendirektor Balke u. Karl Paul Andrae ließen bereits 1935 ein tiefer
gelegenes Rasenparterre vor dem Narrenäusel angelegen, um das Haus
in seiner Wirkung zu steigern, es also optisch größer erscheinen zu
lassen und die Aufstellung eines neuen Wandfrieses unter der
Brücke in der Loggia zu ermöglichen.
Von der
Augustusbrücke wird eine breite
Freitreppe zu den Elbwiesen neu geschaffen.
Alle vorhandenen Bäume werden gefällt, die hohe Mauer zum
Nachbargrundstück abgerissen, das Narrenhäusel sozusagen "freigestellt" Vor dem Narrenhäusel wird
im ehemaligen Lustgarten ein
tiefer gelegtes Rasenparterre geschaffen, das optisch den Bau größer
erscheinen lässt. Dazu entsteht unter den Elbbrücken-Bögen in einem
neuen Loggia-Laubengang von Hans Nadler senior ein Sgraffitto, welches sich mit
der Elbe als Thema beschäftigt (noch vorhanden).
Im Gegensatz
zur Noblesse des 1913 fertig gestellten Restaurants „Italienisches
Dörfchen“ wird hier beim Narrenhäusel eher eine einfache,
volkstümliche „sächsische Identität“ herausgestellt.
Innenraumgestaltung
Die
Innenraumgestaltung des neuen Restaurants folgt zeittypischen
Tendenzen des "traditionellen Heimatstils" mit volkstümlich rustikaler Einrichtung, Holzdecken,
Parkettfußboden, Gardinen, hölzerner geschwungener Innentreppe zum 1.
OG, kunsthandwerklich besonders gearbeiteter Zierofen.
Narrenhäusel Gaststube, Blick in das neu
geschaffene östlich gelegene Eckkabinett, ca. 1937, Foto:
Deutsche Fotothek Dresden
Das neue Lokal gewinnt schnell an
Beliebtheit. Besonders schätzen Dresdner und Gäste (wieder) den großen
offenen Biergarten mit dem schönen Canaletto-Blick auf die Altstädte
Seite, der westlich vom Narrenhäusel unter den hohen alten Bäumen
an Stelle des "Wiener Garten Etablisement" umgestaltet wird. In den wenigen Jahren seines Bestehens als
Restaurant, um genau zu sein sind es nicht einmal 8 Jahre, wird das
Narrenhäuschen wieder zu einem beachteten Bauwerk und eine
Art „Wahrzeichen“. Die nun vollständig ausgebildete Südseite, ein
leuchtend heller Farbanstrich mit grünen Fensterläden bringen jetzt
das Gebäude erst richtig zur Geltung.
Die Freude dauert
allerdings nur wenige Jahre. Jüdische Bürger, zwangsmarkiert mit
einem gelben Stern, dürfen bereits ab 1938 nicht mehr in „arischen“
Restaurants essen. In den Kriegsjahren ab 1939 wird die
Ernährungslage immer schwieriger. Im Narrenhäusel gibt es zeitweise
Speisen nur auf Essensmarken und die meisten Männer sind an
verschiedenen Fronten des vom Deutschen Reich begonnen
Angriffskrieges.
Im Februar 1945 wird das Narrenhäusel von
Bomben schwer beschädigt. Es brennt gänzlich aus, bleibt jedoch in
den Hauptmauerteilen stehen.
1945 bis 1990
Blick vom Turm der Hofkirche über
die Elbe mit „Georgij-Dimitroff-Brücke“ (Augustusbrücke) und die
Neustadt nach Nordost 1949. Die ausgebrannte Ruine des Narrenhäusels
steht noch. Foto: Deutsche Fotothek Dresden,
www.deutschefotothek.de
In den ersten
Jahren gleich nach dem Krieg bestehen vage Wiederaufbau-pläne. In
einem sehr frühen Wettbewerb 1946 für ein neues Hotel am Neustädter
Markt wird den Architekten die Möglichkeit eingeräumt, den Rohbau
des Narrenhäusels in den Hotelkomplex mit einzubeziehen. Mehrere
Architekten setzen diese Idee um.
Hotelentwurf 1946 mit der
Einbeziehung der Narrenhaus-Ruine. Vom Architekten Freese,
Abbildung: TU Berlin (Plansammlung)
Während alle anderen Ruinen im Umfeld abgetragen werden, bleiben
Blockhaus- und Narrenhaus-Ruine erst einmal stehen. Unter
Stadtbaurat Conert wird ein Wiederaufbau erwogen. Sein Tod im Juni
1946 und rasch veränderte politische Machtverhältnisse unter OB
Weidauer verhindern die Dringlichkeit von notwendigen
Sicherungsarbeiten.
Schließlich wird die Ruine 1950
abgerissen. Das große neue Hotel wird nicht gebaut. Denkmalpfleger-Amtsleiter Richard Konwiarz
hatte noch vor einem Abbruch des denkmalgeschützten Gebäudes
gewarnt:
"Es muss darauf hingewiesen werden, dass es Fälle in der städtebaulichen
Praxis gegeben hat, wo man rasch beseitigte Brückenkopfbauten nach einiger Zeit wieder
errichtet hat, weil man ihre belebende Wirkung im Stadtbild empfand." Engagierte
Denkmalpfleger und Bürger bergen vor dem Abriss noch schmiedeeiserne
Originale des Restaurants von 1937 wie das Wappen und der Aushänger.
Ein sehr ambitionierter Gesamtbebauungsplan
sieht 1967 für die Dresdner Neustadt große
verkehrstechnische Neuordnungen vor. Der Neustädter Markt dagegen
soll eher verkehrsberuhigt werden. Ein voluminöser Neubau ist
geplant, der allerdings an die Stelle des Narrenhäusels einen ähnlich
proportionierten Bau wie das 1950 abgerissene Gebäude vorsieht.
Gesamtbebauungsplan Zentrum Dresden 1967
(Ausschnitt Innere Neustadt) Quelle: Generalsbebauungsplan, Generalverkehrspaln der Stadt Dresden, 1967
Diese Planungen für eine
großmaßstäbliche Bebauung der Fläche zwischen Brücke u.
Finanzministerium werden bis 1989 nicht umgesetzt.
Planungen Dresden Innere Neustadt 1969,
(Quelle. Sächsische Zeitung 04.07.1969) Ein differenziert gegliedertes,
ausgedehntes Bürogebäude war zwischen Neustädter Markt und Elbe
geplant.
Bis 1979 wird
jedoch der Neustädter Markt als ein komplett neues
Ensemble geschaffen. Die Große Meissner Straße verbreitern die
Planer zu einer barriereartigen Verkehrstrasse, unter der am Platz
ein Fußgängertunnel entsteht - ganz im Stil der autogerechten Stadt. Verbreiterungspläne gab es allerdings
schon im Jahre 1887 (Bebauungsplan N. Allgem. 16 b der Stadt Dresden)
In den späten 1960er Jahren entsteht neben dem alten
Standort ein Selbstbedienungs-Restaurant mit Biergarten, welches
wieder den Namen „Narrenhäuschen“ bekommt. Es ist langgestreckter
moderner Leichtbau ohne Flachdach.
Geschlossenes DDR-Restaurant
„Narrenhäusel“ im Februar 2003 – nach der verheerenden Flut im
Sommer 2002. Foto: Thomas Kantschew
Nach der
politischen Wende 1989/90 tut sich Jahre nichts auf der großen
Freifläche zwischen Wiesentorstraße, Köpkestraße und Augustusbrücke.
Das baufällige Leichtbau-Restaurant wird nach 2003 abgerissen, dafür
entsteht erneut ein provisorisches Gastroangebot für Sommergäste.
21. Jahrundert - diverse
Planungen
Ein Förderverein Konzerthaus-Stiftung
Dresden e.V. setzt sich 2009 für den Neubau eines Konzerthauses auf
dem Grundstück bis zur Wiesentorstraße ein. Dessen Kuratorium ist
mit Peter Schreier, René Pape und Christian Thielemann prominent
besetzt. Der Dresdner Architekt Prof. Manfred Zumpe entwirft ein
Konzerthaus als der Streit um eine künftige Heimstätte für die
Dresdner Philharmonie noch nicht beendet war.
www.konzerthaus-stiftung.de Das neue Ensemble soll sich
architektonisch wie eine Perle in die Kette großvolumiger Gebäude
vom Japanischem Palais, über Hotel Bellevue, Blockhaus bis hin zum
Gesamtministerium einreihen.
Entwurf für ein neues
Konzerthaus an der Köpkestraße in einer Machbarkeitsstudie des
Architekten Manfred Zumpe. Foto: Zumpe/Düsterhöft/Richter
Der
Dresdner Kugelhaus e. V., als gemeinnütziger Verein 2011
gegründet, entwickelt das Projekt „Neues Dresdner Kugelhaus“. Er
möchte damit unter anderem an den Experimentalbau anknüpfen,
der von 1928 bis 1938 in Dresden stand und als 1. Kugelhaus der Welt
gilt. Auf der Webseite des Vereins wirbt man: "Das Neue Dresdner
Kugelhaus soll jedoch nicht als Replik eines
erfolgreich-folgenreichen Architekturexperiments entstehen, sondern
als bauästhetische, energetische und Impuls gebende
Weiterentwicklung. Vorzugsstandort in Dresden ist das Neustädter
Elbufer zwischen Augustusbrücke und Wiesentorstraße." Infos unter:
www.kugelhaus-dresden.de
Rahmenplan 2025
Der
jüngste "Rahmenplan 2025" sieht für den Neustädter
Markt großvolumige Baukörper vor, aber kein Wiederaufbau des
Narrenhäusels, obwohl der Platz dafür frei wäre. Der Plan ist in
Diskussion und ohne verbindliche Rechtskraft.
Rahmenplan 2025 für die
Innere Neustadt u. den Neustädter Markt Quelle: Stadt Dresden
Ein neues städtebauliches Konzept für den Neustädter
Markt plant die Verkehrschneise (Köpkestraße) deutlich zu
verschmälern. Die rund 70 Meter breite Hauptstraße soll halbiert
werden. Breite Gehwege, integrierte Radwege und beidseitige
Baumreihen sollen einen lebendigen innerstädtischen Stadtboulevard
schaffen. Die Fußgängeruntertunnelung wird zugeschüttet.
Innerhalb dieser Verkehrsumstrukturierungen soll auch die
Tram-Haltestelle auf die Brückenrampe verlegt sowie die dortige
Fahrbahn verschmälert werden. Das würde einen Wiederaufbau des
Narrenhäusels, welches ja recht weit in den Fußweg hineinragte,
ermöglichen.
Wiederaufbaupläne Narrenhäusel 2015
Konkrete
Wiederaufbaupläne für das Gebäude Narrenhäusel existieren. Ein
solventer Investor, der Dresdner Bauunternehmer Frank Wießner,
stünde bereit, bis zu 3 Millionen in den Bau zu stecken. Die GHND
unterstützt in vollem Maße diesen Rekonstruktionswunsch (Außenzustand
1937) durch Visualisierungen, durch Vorträge und einer
Online-Petition, die insgesamt 9307 Menschen unterzeichnet haben.
Zudem wurden im Lapidarium die originalen schmiedeeisernen
Schmuckteile des Restaurants Narrenhäusel wieder gefunden, die man
bei einem Neubau mit einbeziehen könnte.
Im November 2015 aus dem Lapidarium
wieder gefundenes Wappen vom Restaurant 1937 Foto: Jürgen Borisch
Künftige Nutzungen könnten ein Mix aus Restaurant, Wohnen und
Büros sein. In Verbindung mit guter zeitgenössischer Architektur
könnte endlich die jahrzehntelange Brachfläche zwischen Neustädter
Markt, Wiesentor- und Köpkestraße geschlossen werden.
Garten des ehemaligen Narrenhäusels mit Resten der Gestaltung von
1937, Foto: 22.Dezember 2015, T.Kantschew,
Vergrößerung
Literatur:
(1)
Geschichtliche Skizze über die Grundstücke, Das Haus mit dem Saturn
"Tod" jetzt Kaiserhof, Das Brillenhaus und Stadt Wien, Verf. von
J. E. W., Dresden 1899
Rainer Rückert: Der Hofnarr Joseph
Fröhlich. 1694 - 1757. Taschenspieler und Spaßmacher am Hof August
de Starken, Offenbach 1998
Hans Erlwein: Stadtbaurat in Dresden
1905 - 1914 ; eine Ausstellung der Landeshauptstadt Dresden aus
Anlaß des 125. Geburtstages des Architekten am 13. Juni 1997 im
Lichthof des Neuen Rathauses zu Dresden, Volker Helas, Dresden
1997
W. Nagel: Die alte Dresdener Augustusbrücke, Verein für
Geschichte Dresdens 1924
Stefan Hertzig, Der historische
Neustädter Markt zu Dresden: Geschichte und Bauten der Inneren
Neustadt, Dresden 2010, Gesellschaft Historischer Neumarkt
Dresden e. V. (Herausgeber)
Johannes Keil: Die
Elbstromregulierung und die Anfänge der sächsischen Natur- und
Heimatschutzbewegung 1871-1914, TU Dresden 2007, Magister- arbeit
Josef Fröhlich: Da der
Geburths- und Nahmens-Tag Des Joseph Frölichs ist erschienen, Soll
Gegenwärtiges Gedicht zum Nachruhm seines Lebens dienen / Den 19.
Mart. 1742
Selbstironische Karrikatur des Hofnarren Fröhlich ("Graf Saumagen")
Quelle: "Da der Geburths- und Nahmens-Tag Des Joseph Frölichs
ist erschienen ..." 1742 (SLUB Dresden)