Kaufhaus "Au petit Bazar" von H.H. Bothen 1851
 

aus: Marius Winzeler, Heinrich Hermann Bothen. Architekt in Dresden und Zürich 1814 bis 1878, Lizensiatsarbeit, Universität Zürich 1995

Auf dem unregelmäßigen, spitzwinkligen Grundriß nördlich an der Einmündung der Großen Frauengasse in den Neumarkt erstellte Bothen 1850 - 1851 für den Kaufmann Joseph Meyer unter Einbeziehung bestehender Brandmauern ein fünfgeschossiges, unterkellertes Geschäfts- und Wohnhaus, das erste Kaufhaus Dresdens. Es nahm im Paterre und ersten Obergeschoss Meyers großes Damenkonfektionsgeschäft auf, in den weiteren Obergeschossen befanden sich die Wohnung des Besitzers und weitere Wohnungen - eine Nutzung, die sich bis zur Zerstörung des Hauses 1945 erhalten hat.
Zentrum der Grundrisskonzeption war ein rechteckiger Lichthof, der sich in Paterre und erstem Obergeschoss mit Rundbogenarkaden in die galerieartig angeordneten Verkaufsräume - darunter auch ein "dunkles Cabinet, zum Verkauf von Ballkleidern bei künstlicher Beleuchtung" - und Comptoirs öffnete und darüber mit einem Glasdach abgeschlossen war. Der Hof diente als Erschliessungs- und Hauptausstellungsraum und stellte einen Vorläufer der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem in Paris und London entstandenen großen Warenhaushallen dar. Vermutlich entwarf Bothen auch die Ladenausstattung, beschäftigten ihn doch auch solche Aufgaben, wie Zeichnungen - etwa für eine Ladenausstattung im ägyptischen Stil um 1857 - belegen.
Die Fassaden des Hauses paßte Bothen dem Anspruch des Geschäfts an, in dem er eine für Dresden bahnbrechend moderne Ladenfront geschickt in einen Gesamthabitus einfügte, der sich an Renaissancepaläste des italienischen Cinquecento anlehnte. Gegen den Neumarkt öffnete sich die Ladenzone vollständig in fünf dreiteiligen Schaufenstern, die im Paterre direkt auf einem niedrigen Sockel ansetzten, im ersten Obergeschoss auf einer feinteilig durchbrochenen Brüstung. Unterbrochen wurden die Fensterreihen nur von schmalen gefelderten Pilastern mit skulptierten Karyatiden im Obergeschoss. Der Haupteingang in das Kaufhaus befand sich im nördlich sich anschließenden Nachbarhaus und war durch eine reiche Pilastergliederung ausgezeichnet, die sich in den Formen wahrscheinlich an die ähnliche, gleichfalls am Neumarkt befindliche, 1840 von Semper entworfene Ladenfront des Hofjuweliers Elimeyer anlehnte.
Vor dem zweiten Obergeschoss grenzte ein durchgehender Balkon mit Schmiedeeisengeländer den Geschäfts- vom Wohnbereich ab. Diese Fassadenpartie war von vornehmer Zurückhaltung
durch fünf regelmäßige Fensterachsen gegliedert. Der Dekor beschränkte sich auf eine gefelderte Fensterbekrönung im zweiten, Einzelbalkone im dritten und Brüstungsgitter im vierten Obergeschoss, während die Wandflächen zwischen den Fenstern in Dresdner Tradition eine Putzfelderung zeigten. Ein breiter aufstuckierter Girlandenfries schloß die Front unter dem wenig ausladenden Walmdach ab.

Kapitel über das Kaufhaus "Au petit Bazar" mit allen Fußnoten und Literaturhinweisen (als jpg mit 180 KB)

weitere Kapitel aus: Bauten und Projekte Bothens 1835 bis 1878 (Dresdner Zeit), 2, 3, 4, 5, 6

 



Ostfassade, Schnitt und Grundriss vom Erd- und 1. Obergeschoss 1850, BAZ, W 8 -1


Fotografie vom Neumarkt 1923, Aufnahme: Hahn (Quelle: Fotothek - SLUB Dresden)
am rechten Bildrand das Kaufhaus "Au petit Bazar"


Details am "kleinen Basar"
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Ausschnitt / Fotoquelle: Stadtplanungsamt Dresden
 
Details mit Karyatiden
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Ausschnitt aus einem Foto um 1930 Fotothek/ SLUB