Phönix
aus Schutt und Asche
Trotz knapper
Kassen: Der Wiederaufbau des Dresdner Schlosses kommt voran
von
Dankwart Guratzsch
Wem gehört
das Schloss in demAugust der Starke einen der glanzvollsten Höfe
Europas unterhielt? Seit zwei Wochen ist die Sache strittig. Da
nämlich hat der Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen
Dresden, Martin Roth, mit Sack und Pack, mit Sekretariat und den
ersten Abteilungen die Gemächer seiner künftigen Hauptresidenz bezogen.
Erstmals seit der Zerbombung Dresdens im Februar 1945 sind ganze
Etagen des prachtvollen Renaissancebaus wieder benutzbar und (fast)
komplett eingerichtet - wenn auch im kühlen nordischen Stil des
Kopenhagener Architektenbüros Dissing + Weitling. Dieser Tage gab
der neue Hausherr im fertiggestellten südlichen Trakt seine erste
Pressekonferenz.
Doch eine Woche
vor ihm hatte schnell noch ein anderer in dem aus Schutt und Asche
neu erstehenden Komplex Hof gehalten: Sachsens Finanzminister Horst
Metz (CDU). Er hat zur Zeit (und wohl auf Jahre) noch die Schlüsselgewalt
für das Schloss. Als oberster Baubeamter des Freistaates Sachsen
steuert er die - wie er es nannte - "größte, teuerste, schönste
und älteste Baustelle in Sachsen". Und in dieser Funktion wagte
er schon einmal eine Prognose: "Das 337 Millionen Euro teure Schloss
wird zum 800jährigen Stadtjubiläum im Jahr 2006 in seiner äußeren
Gestalt fertig sein".
An dieser Zielsetzung
waren Zweifel aufgekommen. Seit der neidisch verfolgten Olympiabewerbung
Leipzigs sehen viele Dresdner die Gefahr, dass ihre Stadt ins Abseits
gleiten könnte. Mit dem Streit um die Verteilung der Dresdner Museumsgüter
auf mehrere Städte im gesamten Land Sachsen, mit der halbherzig-zögerlichen
Anmeldung des Elbtals zum Weltkulturerbe, mit ihrem Beharren auf
einem Brückenbauprojekt, über das wegen seiner landschaftszerstörerischen
Qualität seit 120 Jahren gestritten wird, mit der Preisgabe der
historischen Keller zu Füßen der Frauenkirche, die als das letzte
authentische Zeugnis des alten barocken Stadtkerns gelten, hat sich
die amtierende Regierung Milbradt bei Intellektuellen der Landeshauptstadt
den Ruf eingehandelt, für die speziellen Belange und den kulturellen
Anspruch des einstigen Elbflorenz zu wenig Sensibilität und Einsatzfreude
aufzubringen.
Nun also die
Charmeoffensive, die aber gleich wieder einen Dämpfer erhielt.
Gewiß, 2006
werde das Schloß fertig sein - aber natürlich nicht innen. Die Englische
Treppe, der Riesensaal, die Paradesäle Augusts des Starken, der
Thronsaal sollen laut Metz erst später fertig werden und zum Teil
gar eine Aufgabe für künftige Generationen sein.
"So viel Glitzer
und Prunk - wie will man das jetzt den Bürgern vermitteln, wo es
für nichts mehr Geld gibt", argumentierte Wolf Karl Reidner, Abteilungsleiter
Vermögen und Hochbau im Finanzministerium. Und erntete säuerliche
Kommentare. "Ausgaben für Augusts Prunk", so die Dresdner Neuesten
Nachrichten, "waren den Sachsen bisher immer zu vermitteln".
Der neue Schloßherr
Martin Roth hat sich darauf eingestellt. Er rechnet mit einer Verzehnfachung
der Besucherzahlen von 140.000 auf 1,2 Millionen, von Fertigstellung
des Schlosses 2012 an erwartet er gar zwei Millionen. Der Hauptmagnet
für die Besucher, da ist sich Martin Roth mit Gutachtern und Masterplanern
einig, wird das Grüne Gewölbe sein, wenn es in seiner alten Pracht
und Einzigartigkeit erstmals am historischen Ort wieder zugänglich
ist.
Ohne den vollen
Rückhalt der Landesregierung, "ohne eine deutlichere Verankerung
und Selbstbehauptung in der internationalen Kultur- und Ausstellungsszene"
werde es aber nicht gehen, sagt Roth. Die Sammlungen seien zwar
in ihrem Weltrang unbestritten, aber "in ihrer Aktualität und Bedeutung
für Identitätsstiftung, Bildung, geschweige denn als Ort des Diskurses
über die Nationalkultur in einem Europa neuen Zuschnitts" noch kaum
erkannt.
"Mich beschäftigt
in diesem Zusammenhang, mit welcher Hingabe und Akribie dieses Schloss
rekonstruiert wird", sagt der gebürtige Schwabe. Wieviel sei in
Berlin über den Wiederaufbau des Schlosses diskutiert worden, ohne
daß auch nur ein einziger Stein bewegt worden ist. In Dresden geschehe
das "klammheimlich" ohne Häme und Kritik.
Von der Berechtigung
eines solchen Projekts ist der Museumschef überzeugt. So lange,
wie die moderne Architektur "so kurze Halbwertzeiten" habe, seien
derartige Vorhaben nicht nur legitim, sondern auch nötig. Erst recht
gelte das jedoch im Osten: "Was sich da vollzieht, das ist ein Prozess
der Aneignung der eigenen Geschichte. Ich treffe Leute wie den früheren
Landeskonservator Glaser, die mit ihrer Person dafür stehen und
ein Leben lang dafür gekämpft haben. Ihnen verdanken wir, dass bürgerliches
Denken hier noch immer - und wieder - so stark ist".
Artikel
erschienen am 8. Sep 2003
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